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Online-Tool für Prostatakrebs – Hilfe für Männer bei der Therapiewahl

21. November 2018 | von Ingrid Müller

Ein Online-Tool soll Männern mit Prostatakrebs bei der Therapieentscheidung helfen. Es zeigt ihnen, was andere Männer in ähnlicher Situation gewählt haben.

Ärzte haben viele Möglichkeiten, um für Männer mit Prostatakrebs die richtige Therapie zu finden. In Deutschland ziehen sie die medizinischen Leitlinien oder Datenbanken mit klinischen Studien zu Rate. Auch für Patienten mit Prostatakrebs gibt es viele Informationsmöglichkeiten zu Krebsbehandlungen. Diese helfen ihnen jedoch nicht unbedingt bei der Entscheidungsfindung. Das wollten US-Forscher der Michigan University in Ann Arbor ändern und entwickelten ein webbasiertes Online-Tool. 

Die neue Plattform im Internet soll Männern zeigen, welche Behandlung andere Männer gewählt haben, die einen ähnlichen Prostatakrebs haben wie sie selbst. Damit könnten Männer ihre eigenen Therapiemöglichkeiten besser verstehen und einschätzen, sagen die Forscher um Dr. Karandeep Singh. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie im Fachblatt European Urology.

Behandlungen bei Prostatakrebs

Hier finden Sie einen Überblick über sämtliche Behandlungsmöglichkeiten bei Prostatakrebs!

Nahaufnahme einer OP

 

Online-Tool gefüttert mit Daten tausender Männer

Die Basis für die Entwicklung des Online-Tools waren Daten vom Konsortium „The Michigan Urological Surgery Improvement Collaborative“, abgekürzt MUSIC. Dort wurden zwischen den Jahren 2015 und 2017 Informationen aus insgesamt 45 urologischen Praxen gesammelt, die Männer mit neu diagnostiziertem Prostatakrebs behandelt hatten. Die Daten umfassten unter anderem Angaben zum Alter, Beruf oder dem pathologischen Befund aus der Biopsie, aber auch zu den ausgewählten Krebsbehandlungen und zur Nachsorge.

Ausgeschlossen waren Männer mit metastasiertem Prostatakrebs sowie jene, die sich für weniger gängige Behandlungen entschieden hatten. Beispiele sind die ChemotherapieKältetherapie (Kryotherapie)hochintensivierter-fokussierter Ultraschall (HIFU), Immuntherapie oder die radikale Zystoprostatektomie. Letztere ist eine Operation, bei der Ärzte sowohl die Prostata als auch die Harnblase entfernen.

Übrig blieben die Daten von 7.543 Männern mit lokalem Prostatakrebs im Frühstadium.

Online-Tool askMUSIC testen

 

Online-Tool für Prostatakrebs als exakter Helfer

Die Forscher baten jetzt 2.527 der teilnehmenden Männer, das Online-Tool auszuprobieren. Sie sollten herausfinden, wie oft das Programm jene Therapie vorhersagte, die sie für sich selbst ausgewählt hätten. Das Fazit der Forscher: Das Tool arbeitete äußerst genau und die vorgeschlagenen Therapien stimmten in vielen Fällen mit den Präferenzen der Probanden überein.

Die Entwickler weisen allerdings darauf hin, dass das Online-Tool nicht die gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient ersetzen kann! „Es könnte aber die Informationen vervollständigen, die Patienten aus herkömmlichen Quellen erhalten, etwa Broschüren und Ratgebern“, schreiben die Autoren. „So nehmen wir den Patienten vielleicht ein wenig die Unsicherheit bei der Therapieentscheidung.“ Die Männer seien so besser vorbereitet, was ihre Therapiewünsche angeht. Dann könnten Sie diese mit ihrem behandelnden Urologen besprechen und mit ihm die Vor- und Nachteile diskutieren. Wichtig sei es zudem, dass sich das Tool nur für Männer mit frühem Prostatakrebs eigne, der noch nicht in andere Organe gestreut habe. In diesem Fall ist die Wahl der richtigen Therapie oft komplizierter.

 

Therapieentscheidung hängt von vielen Faktoren ab

Bei Prostatakrebs gibt es meist nicht nur „die eine richtige “ Therapiemöglichkeit. Die Entscheidung für eine Behandlung hängt von vielen Faktoren ab: Dem Stadium und der Aggressivität des Prostatakrebses, dem Alter oder weiteren Begleiterkrankungen. Zudem spielen die individuellen Wünsche der Männer mit, was den Nutzen und die Risiken der Krebsbehandlung angeht. So haben die radikale Prostatektomie und die Strahlentherapie oft Folgen, welche die Männer enorm psychisch belasten und ihre Lebensqualität einschränken. Dazu gehören besonders die Erektile Dysfunktion und die Inkontinenz. Mit der schonenderen Strategie des watchful waiting kommen Männer in diesen Punkten besser weg.

Das Online-Tool zeigte, dass die Vorliebe für eine bestimmte Therapie bei Prostatakrebs auch vom Alter abhängt. So wählen jüngere Männer um die 45 Jahre fast gleich häufig die radikale Prostatektomie und die aktive Überwachung des Tumors (active surveillance). Dieses Verhältnis verschiebt sich jedoch zugunsten der weniger rabiaten Behandlung, je älter ein Mann jedoch ist. Mehr als die Hälfte der über 55-Jährigen entscheidet sich für die aktive Überwachung – und gegen eine Operation. Im Alter von 65 Jahren wählen schon mehr als zwei Drittel die active surveillance.

App zur Therapieentscheidung

Ein kleiner Rechner hilft Männern, sich besser für eine Therapie zu entscheiden.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Mann tippt auf Bildschirm
© thodonal/Adobe Stock

 

Das Online-Tool besitzt einige Einschränkungen

Die Studie und das Online-Tool besäßen jedoch einige Einschränkungen, sagen die Forscher selbst: Erstens könnten die Nutzer nicht verfolgen, ob und wie zufrieden die Männer anschließend mit ihrer Therapieentscheidung waren. 

Außerdem gibt es große individuelle Unterschiede zwischen Männern mit Prostatakrebs, selbst wenn die Daten auf dem Papier wie Alter oder Tumoreigenschaften ähnlich sind und gut übereinstimmen. Denn die inneren Haltungen, Einstellungen und Werte spielen ebenfalls eine Rolle bei der Therapiewahl. So wird ein Mann, der die Operation wegen des Risikos für Impotenz und Inkontinenz ablehnt, sich wohl kaum für den chirurgischen Eingriff entscheiden, nur weil das Online-Tool dies so sagt.

 

Quelle