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Psychoonkologie bei Krebs – Beistand für die Seele
09. März 2022 | von Ingrid MüllerAktualisiert und medizinisch geprüft am 9.3.2022 Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin |
Eine Krebserkrankung betrifft auch die Psyche und versetzt sie oft in einen Ausnahmezustand. Die Psychoonkologie kann Krebskranken helfen. Lesen Sie, wie sich Ängste lindern und die Lebensqualität verbessern lassen.
Kurzübersicht
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Was ist Psychoonkologie?
Die Psychoonkologie bietet Menschen mit einer Krebserkrankung seelische Unterstützung während und nach den Krebsbehandlungen. Inzwischen ist die Psychoonkologie ein fester Bestandteil der Krebsbehandlung. Denn eine Krebserkrankung betrifft nicht nur den Körper, sondern auch die Seele – und hier setzt die Psychoonkologie an. Die meisten Menschen würden wohl ihre Krebsdiagnose als eine Radikalumkehr ihres bisherigen Lebens beschreiben. Die Krebserkrankung wie der Prostatakrebs wirkt sich auf ihren Alltag, Beruf, das zwischenmenschliche Miteinander mit Angehörigen und Freunden sowie die eigene psychische Befindlichkeit aus.
Viele fühlen sich nach der Krebsdiagnose niedergeschlagen, verzweifelt, hoffnungslos und depressiv. Manche haben Schwierigkeiten, die Krebsdiagnose zu akzeptieren. Dazu kommen oft massive Ängste vor den Krebsbehandlungen, deren Nebenwirkungen sowie den langfristigen gesundheitlichen Folgen.
Die Diagnose Krebs wirft zudem einige existenzielle Fragen auf, zum Beispiel:
- Wie viel Lebenszeit habe ich noch? Manchmal ist Prostatakrebs aggressiv und wächst schnell.
- Wie steht es um meine wirtschaftliche Situation? Bekannt ist, dass eine Krebserkrankung Menschen in Armut stürzen kann. Das gilt besonders für Männer, die oft die Alleinverdiener in der Familie sind.
- Kann ich jemals wieder in meinen Beruf zurückkehren? Manche Männer erkranken in jüngeren Lebensjahren und stehen noch mitten im Berufsleben.
All diese Gedanken, Unsicherheiten und ungelösten Fragen können sich negativ auf die Lebensqualität auswirken. So sinkt deswegen bei manchen sogar die Bereitschaft, die Krebstherapien tatsächlich zu meistern und zu Ende zu bringen.
Psychoonkologie – Interview |
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Psychoonkologie: Hilfe vom Expertenteam
Psychoonkologen und Psychoonkologinnen sind Fachleute, die im Idealfall eine anerkannte Weiterbildung absolviert haben, zum Beispiel Ärzte, Psychologinnen, Psychotherapeuten, (Sozial)pädagoginnen oder Sozialarbeiter. Mehrere Institutionen bieten solche Weiterbildungen an. Zu beachten ist jedoch, dass der Begriff “Psychoonkologe” in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung ist.
In der Psychoonkologie arbeiten noch weitere Experten weiterer Fachrichtungen zusammen. Gemeinsam versuchen sie, individuelle Lösungsmöglichkeiten für Sie zu finden. Dazu gehören, Kunsttherapeuten, Pflegende, Physiotherapeutinnen, Ergotherapeuten und Seelsorger. Diese unterstützen und beraten Sie auch in praktischen Alltagsfragen.
Dies kann zum Beispiel der Wiedereinstieg in der Beruf sein, aber auch eine Hilfestellung beim Antrag auf Sozialleistungen. Denn der lästige Papierkram von Krankenkassen oder der Rentenversicherung ist den meisten Patienten zu viel, wenn ihr Blick auf das Durchstehen der Krebsbehandlungen gerichtet ist. Die Angebote der Psychoonkologie können übrigens nicht nur Krebspatienten, sondern auch ihre Angehörigen wahrnehmen.
Wie hilft die Psychoonkologie?
Die Psychoonkologie hat verschiedenste Aufgaben und Ziele. Psychoonkologen und Psychoonkologinnen
- informieren und beraten Sie bei allen Fragen rund um Ihre persönliche Lebenssituation.
- setzen bestimmte Diagnosemethoden ein, zum Beispiel strukturierte Fragebögen – so lässt sich das Ausmaß Ihrer psychischen Belastungen besser erfassen
- schlagen Behandlungsmaßnahmen vor, um Sie bei der Verarbeitung und Bewältigung der Krebserkrankung zu unterstützen.
- behandeln psychische, soziale und körperliche Auswirkungen der Krebserkrankung. Bei Männern mit Prostatakrebs sind die Erektile Dysfunktion und Inkontinenz die Folgen der Therapien, die sie am meisten belasten.
- stärken die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten (Ressourcen) der Betroffenen
- unterstützen Sie bei der Bewältigung Ihres Alltags und ermöglichen die Teilhabe am normalen, gesellschaftliche Leben
- beraten Sie in sozialen und rechtlichen Fragen – helfen Ihnen, Sozialleistungen zu beantragen und durchzusetzen, auf die Sie einen Anspruch haben.
- versuchen, Ihre Lebensqualität sowie die Ihrer Angehörigen zu erhalten und zu verbessern
Diagnostik: Wie wird eine seelische Belastung festgestellt?
Eine seelische Belastung bei Krebskranken zu erkennen, ist für die Psychoonkologen und Psychoonkologinnen nicht ganz einfach. Denn nicht alle Betroffene gehen auf die gleiche Weise mit ihrer Krebserkrankung um oder leiden unter den gleichen Beschwerden im selben Ausmaß.
Aus Studien ist jedoch bekannt, dass sich bis zu 60 von 100 Krebspatienten enorm seelisch belastet fühlen. Fast 50 Prozent aller Menschen mit Krebs haben große Ängste, allen voran vor dem Fortschreiten oder der Rückkehr der Krebskrankheit. Spezielle Fragebögen helfen in der Psychoonkologie, seelische Belastungen und ihre Stärke besser einzuordnen.
Distress-Thermometer
Hinter dem Distress-Thermometer verbirgt sich ein Kurztest, den Ärzte und Ärztinnen speziell für Menschen mit Krebs entwickelt haben. „Distress“ bedeutet im Englischen „psychosoziale Belastung“. Der Test funktioniert so:
- Im ersten Teil des Tests geben Sie auf einer Punkteskala von 1 bis 10 an, wie Sie sich derzeit fühlen. Die 1 steht dabei für „überhaupt nicht belastet“, die 10 dagegen für „extrem belastet“. Ein Wert von 5 und aufwärts bedeutet, dass Sie eine Belastung erleben.
- Im zweiten Teil des Fragebogens geben Sie an, in welchem psychosozialen Bereich Sie in den letzten Wochen Schwierigkeiten hatten – von der Partnerschaft, Familie, Freunden bis hin zum gewohnten Alltag und Beruf.
Die Testergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, in welchem Bereich Sie besonders leiden und Hilfe benötigen. Sie können jedoch keine Aussage darüber treffen, ob Sie unter einer echten Depression oder Angststörung leiden.
Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)
Der HADS ist ein Test, mit dem sich psychische Beeinträchtigungen bei einem Menschen erfassen lassen. Über einen Fragebogen, der 14 Aussagen umfasst, schätzen Sie Ihre allgemeine und seelische Verfassung ein.
Die möglichen Antworten lauten zum Beispiel so:
- Ich fühle mich angespannt oder überreizt.
- Manchmal habe ich ein ängstliches Gefühl in der Magengegend.
- Ich blicke mit Freude in die Zukunft.
- Ich kann mich an einem gutem Buch, einer Radio- oder Fernsehsendung erfreuen.
Sie wählen aus den Antwortmöglichkeiten jene aus, die am meisten auf Sie persönlich zutrifft – Ihrer Antwort ist wiederum ein bestimmter Punktwert von 0 bis 3 zugeordnet. Am Schluss werden alle Punkte zusammengezählt. Aus dem Ergebnis lässt sich abschätzen, wie wahrscheinlich eine psychische Belastung bei Ihnen ist. Wie beim Distress-Thermometer lassen sich auch mit dem HADS keine psychischen Erkrankungen diagnostizieren.
Welche Behandlungen bietet die Psychoonkologie?
Es gibt mehrere Behandlungsmöglichkeiten, die sich Psychoonkologen und Psychoonkologinnen zunutze machen. Allerdings gibt es nicht „die eine“ Therapie, die zu jedem Krebskranken passt. Es hängt von der Art und der Schwere der seelischen Belastung ab, welche Behandlung in der Psychoonkologie zum Einsatz kommt. Hilfreich ist manchmal auch eine Kombination mehrere Therapien.
Entspannungstechniken
Entspannungsmethoden lindern die innere Anspannung, Unruhe und Ängste. Sie helfen Ihnen, besser zur Ruhe zu kommen, mindern seelische Belastungen und sorgen für eine bessere Lebensqualität. Wirksam sind zum Beispiel Autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Am besten erlernen Sie die Entspannungstechnik unter professioneller Anleitung. Später können Sie die Übungen selbst zuhause, aber auch am Arbeitsplatz oder unterwegs durchführen.
Autogenes Training
Beim Autogenen Training wiederholen Sie bestimmte Sätze, etwa „Ich bin ganz ruhig“, „Mein rechter Arm wird schwer“ oder „Mein Atem wird ruhig“. Das Autogene Training ähnelt einer Selbsthypnose und versetzt Ihren Körper langsam in einen entspannten Zustand. Sie müssen ein wenig üben, bis sich die gewünschten Erfolge einstellen.
Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
Bei der progressiven Muskelentspannung spannen einzelne Muskelgruppen an, halten die Spannung für einige Sekunden und lockern die Muskulatur dann wieder. Ein Beispiel: Sie ballen die rechte Hand zur Faust, halten diese und öffnen sie wieder. Danach folgen die linke Hand und immer weitere Muskelgruppen. Sie wechseln zwischen der linken und rechten Körperseite hin und her. So lösen Sie Verkrampfungen und Ihr Körper lockert und entspannt sich.
Imaginative Verfahren
Imaginative Verfahren arbeiten allein mit Ihrer Vorstellungkraft! Sie erzeugen dabei selbst eine Art „Kopfkino“ und stellen sich auf Ihren Phantasiereisen schöne, angenehme Bilder vor. Das kann ein Spaziergang am Strand sein, ein Bad im Meer oder eine Bergwanderung. So wecken Sie positive Erinnerungen, Vorstellungen, Gefühle und Empfindungen. Ängste und Anspannung lassen nach und Sie erleben einen tiefen Ruhezustand.
Yoga
Yoga soll den Körper und Geist in Balance bringen sowie die Muskeln und Nerven stärken. Es gibt verschiedenste Yoga-Techniken – am besten bekannt ist das Hatha-Yoga. Manche Yoga-Formen fordern Sie stärker sportlich, während andere mehr mit Meditation arbeiten. Yoga erlernen Sie am besten von einem Profi. Fragen Sie vorher bei Ihren behandelnden Ärzten und Therapeutinnen nach, welche Art des Yogas für Sie am besten geeignet ist. Sie sollten sich dabei körperlich nicht überfordern.
Yoga Wie Yoga bei Krebs hilft und warum es ein gutes Mittel gegen das Ausgeliefertsein ist. In der Mediathek finden Sie alle Yoga-Videos zum Mitmachen! |
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Meditation
Die Meditation zielt darauf ab, den Geist durch Achtsamkeits- oder Konzentrationsübungen zu beruhigen und zu sammeln. Sie „versenken“ sich in sich selbst, konzentrieren sich auf den Moment und das Hier und Jetzt. So erreichen Sie einen Zustand tiefer innerer Ruhe.
Psychoedukation – Wissen vermitteln
Patientenseminare (auch Psychoedukation oder Patientenedukation) sind eine gute Möglichkeit, um Ihr Befinden und Ihre Lebensqualität zu verbessern. Viele Rehakliniken oder die ambulante Nachsorge bieten diese Form der Wissensvermittlung an.
Sie lernen zum Beispiel:
- welche Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten es bei ihrer Krebserkrankung gibt
- was Sie selbst für Ihre Gesundheit tun können, zum Beispiel durch eine gesunde Ernährung, ausreichende Bewegung, Nikotinverzicht oder mäßigen Alkoholkonsum
- wie Sie besser mit Stress und Ihrer Krebserkrankung umgehen
- welche Hilfen es gibt und wo Sie psychosoziale Unterstützung finden
Patientenseminare sind außerdem eine gute Möglichkeit, um mit anderen Krebskranken in Kontakt zu kommen und sich mit ihnen auszutauschen. Vielen hilft es zu sehen, dass es anderen genauso geht wie ihnen selbst.
Psychotherapie
Die Psychotherapie versucht, die seelischen Nöte durch Gespräche zu lindern. Medikamente kommen dabei nicht zum Einsatz. Es gibt verschiedene Arten der Psychotherapie – die wichtigsten im Überblick.
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie ist es, erlernte Denkweisen und Verhaltensmuster wieder zu „verlernen“. Sie identifizieren gemeinsam mit Ihrem Psychotherapeuten negative Gedanken und Verhaltensweisen – dann entwickeln Sie Alternativen zu diesen. Die kognitive Verhaltenstherapie verringert Ängste, Depressivität und lindert körperliche und seelische Beschwerden. Langfristig beeinflussen Sie somit auch Ihre Lebensqualität positiv.
Psychoanalyse
Der Therapeut oder die Therapeutin hilft Ihnen dabei, Konflikte zu erkennen und zu bearbeiten. Manchmal liegen diese auch weiter zurück, etwa in der Kindheit. Sie nehmen gemeinsam derzeitige Beziehungen zu anderen Menschen unter die Lupe, die Sie eventuell belasten. Auch Verlust- oder Versagensängste spielen eine Rolle in der Psychoanalyse. Der Psychotherapeut hört aktiv zu und hilft Ihnen, bislang unbekannte Zusammenhänge aufzudecken und zu verstehen.
Paartherapie
Die Paartherapie bezieht auch Ihren Lebenspartner oder Ihre Lebenspartnerin in die Psychotherapie mit ein. Ohnehin ist der Partner oder die Partnerin ein wichtiger Teil in der Psychoonkologie. Die Paartherapie hilft in vielen Fällen, das Ausmaß der seelischen Belastungen zu verringern.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen in der Regel die Kosten für die Verhaltenstherapie und psychoanalytische Verfahren. Die Psychotherapie gibt es als Einzel‑, Gruppen- oder Paartherapie.
Künstlerische Therapien
Musik, Kunst und Tanz sind Ausdrucksformen, die vielleicht anfangs nicht jedermanns Sache sind. Denn manch einer schwingt selten das Tanzbein oder den Pinsel. Aber: Über künstlerische Therapien, die ohne Worte auskommen, können viele Krebskranke ihre Gefühle viel besser ausdrücken und so ihre Krebserkrankung verarbeiten.
Sie können während der Therapien (und später natürlich auch zuhause) zeichnen, malen, mit Ton arbeiten, singen, ein Instrument spielen oder tanzen. Viele Einrichtungen, zum Beispiel Rehakliniken, bieten solche künstlerischen Therapien begleitend an. Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite der Bundesarbeitsgemeinschaft Künstlerische Therapien
Psychoonkologie: Adressen und Hilfe finden
Krebsärzte und Krebsärztinnen sind sich heute einig, dass allen Krebskranke sowie ihren Angehörigen frühzeitig und wiederholt psychoonkologische Hilfestellung zugänglich sein sollte. Das gilt unabhängig von der Schwere der Krebserkrankung und in allen Phasen der Krankheit. Wichtig sind jedoch Ihre persönlichen Wünsche und Vorstellungen. Überlegen Sie, welche Sorgen, Ängste und Nöte Sie plagen. Scheuen Sie sich nicht, psychoonkologische Hilfe in Anspruch zu nehmen – dies ist ganz normal!
Psychoonkologie: stationäre Angebote
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Ambulante Angebote der Psychoonkologie
Manche Krebspatienten haben auch noch seelischen Unterstützungsbedarf, wenn Sie die Klinik und Rehaklinik verlassen haben. Es gibt deshalb Angebote in Wohnortnähe:
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Quellen:
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