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Entspannungstechniken bei Prostatakrebs

02. August 2024 | von Ingrid Müller

Eine Krebserkrankung wie Prostatakrebs bedeutet meist Stress für den Körper, Geist und die Psyche . Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson können hilfreich sein.

Die Diagnose Prostatakrebs kann einen Mann in seinen „Grundfesten“ erschüttern. Auch Krebstherapien wie Operation, Bestrahlung und Chemotherapie sind oft intensiv, langwierig und kräftezehrend. Angst, Nervosität, innere Unruhe, Reizbarkeit, Anspannung und Erschöpfung sind ganz normal – und wohl vielen Männer mit Prostatakrebs gut bekannt. 

Eine Entspannungsmethode wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobson kann den Körper, Geist und die Seele wieder zur Ruhe und in Balance bringen. Die Entspannungstechnik kann in jeder Phase einer Krebserkrankung guttun -  während oder nach einer Krebsbehandlung.

Achtung! Entspannungsmethoden können die Wirksamkeit einer Krebsbehandlung nicht verbessern und auch keine Krebstherapie ersetzen. Heilen können sie eine Krebserkrankung wie Prostatakrebs ebenfalls nicht.

Mit Entspannungsmethoden können Sie zum Beispiel:

  • Anspannung und Verspannungen lindern
  • Ängste vermindern
  • Neue Kräfte freisetzen
  • Für mehr Energie sorgen
  • Mut schöpfen
  • Ihre Krebserkrankung besser verarbeiten
  • Schlafstörungen bessern

 

“Gutes Mittel gegen das Ausgeliefertsein”

Die Kölner Yoga-Lehrerin Gaby Kammler erzählt im Interview, warum Yoga kein fernöstlicher Hokuspokus ist Männer in der Yoga-Stunde noch rar sind. 

Prostata Hilfe Deutschland: Gruppe von Menschen beim Ausüben von Yoga
© janeb13/Pixabay.com

So wirkt Entspannung 

Entspannungstechniken aktivieren den sogenannten Parasympathikus. Dies ist der beruhigende Teil des vegetativen Nervensystems. Der Sympathikus wird dagegen gehemmt. Er sendet normalerweise leistungssteigernde Signale aus.

Einige Wirkungen von Entspannung:

  • Erweiterte Gefäße – sinkender Blutdruck 
  • Langsamerer Pulsschlag 
  • Entspannte Muskulatur 
  • Ruhigere und gleichmäßigere Atmung 
  • Geringerer Verbrauch von Sauerstoff
  • Weniger Stress, Ängste, seelische Belastungen und depressive Stimmungen
  • Bessere Konzentrationsfähigkeit, Körperwahrnehmung, Stressbewältigung
  • Mehr Wohlbefinden – bessere Lebensqualität

Diese und andere Effekte der Entspannung setzen jedoch meist nicht sofort ein, wenn Sie mit dem Entspannungstraining beginnen. Sie müssen erst eine Zeit lang üben. Dann stellt der Körper jedoch in kürzerer Zeit auf den Zustand der Entspannung um. 

Progressive Muskelentspannung nach Jacobson 

Die Progressive Muskelentspannung geht auf den US-Physiologen Edmund Jacobson zurück. Daher rührt auch der Name „Progressive Muskelentspannung nach Jacobson“. Eine andere Bezeichnung ist Progressive Muskelrelaxation oder kurz PMR. Sie basiert darauf, dass Sie Muskelgruppen nacheinander bewusst anspannen, die Spannung kurz halten und dann wieder entspannen. 

Ein Beispiel für eine Übung, die Sie im Sitzen oder Liegen ausführen können:

  • Ballen Sie die rechte Hand für einige Sekunden und lassen sie wieder los, dann machen Sie das Gleiche mit der linken Hand. 
  • Jetzt spannen Sie Ihre Muskeln im Oberarm an und lösen die Spannung wieder.
  • Den Wechsel von Anspannung und Entspannung führen Sie nacheinander mit weiteren Muskelgruppen im gesamten Körper durch. Eine mögliche Reihenfolge: Erst mit Ihren Händen beginnen, dann Unter- und Oberarmen, Nacken und Rücken und zuletzt Ihre Füße. 

Der gesamte Körper wird so in einen tiefen Entspannungszustand versetzt. Verkrampfungen und Verspannungen lösen sich und Sie fühlen sich insgesamt ruhiger. Zudem lernen Sie Ihren Körper auf diese Weise besser kennen und können dadurch normale und starke Anspannungen unterscheiden.  Ein Vorteil ist, dass die Progressive Muskelrelaxation leicht zu erlernen ist.

Autogenes Training

Der deutsche Arzt Johannes H. Schultz hat das Autogene Training im Jahr 1932 entwickelt. Es soll den Körper entspannen und zu mehr innerer Ruhe und Gelassenheit führen.  Den Zustand der Entspannung und Ruhe erreichen Sie aber nicht wie bei der Progressiven Muskelrelaxation indirekt über das bewusste Anspannen der Muskeln, sondern direkt über gedankliche Konzentration.

Die Entspannungstechnik funktioniert über das Prinzip der Autosuggestion, eine Art Selbsthypnose mit mantraähnlichen Sätzen. Diese wiederholen Sie immer wieder. Das Autogene Training ist etwas schwieriger zu erlernen als die Progressive Muskelentspannung. 

Es gibt verschiedene Übungen:

  • Schwere-Übung – Beispiel: "Der rechte Arm ist ganz schwer“. Ausgehend von einem Körperteil – in diesem Fall Ihrem Arm – erlernen Sie die Vorstellung von Schwere, die sich auf Ihren gesamten Körper erstreckt.  Dies führt zu einer allgemeinen Beruhigung. 
  • Wärme-Übung – Beispiel: „Der rechte Arm ist ganz warm“. Sie suggerieren sich selbst, dass sich ein Körperteil warm anfühlt und erwärmen auf diese Weise Ihren gesamten Körper. Die Blutgefäße erweitern sich und eine tiefe Beruhigung setzt ein. 
  • Herz-Übung – Beispiel: „Mein Herz schlägt ganz ruhig und gleichmäßig.“ Wenn Sie sich auf Ihren Herzschlag konzentrieren, beruhigt und verlangsamt er sich.
  • Atem-Übung – Beispiel: „Atmung ganz ruhig.“ Diese Übungsformel beruhigt und senkt die Atemfrequenz. 
  • Sonnengeflecht-Übung – Beispiel: „Sonnengeflecht strömend warm“.
    Hier richten sich Ihre Gedanken auf Ihre Verdauungsorgane, die sich entspannen sollen.
  • Kopf-Übung – Beispiel: „Stirn angenehm kühl“. Diese Gedanken sollen den Kopf kühl und klar machen. 

Autogenes Training hilft Ihnen, verschiedene Körperbereiche wahrzunehmen, etwa als „schwer“ oder „warm“, und diese gezielt zu entspannen. Die Durchblutung, der Puls und die Atmung kommen so in einen Ruhezustand. 

Bis sich die Wirkungen durch das Autogene Training einstellen, müssen Sie allerdings ein wenig Geduld haben und üben.  Am besten wirkt Autogenes Training, wenn Sie schon vor dem Üben möglichst entspannt sind. 

Imagination und Visualisierung

Bei der Imagination und Visualisierung nutzen Sie Ihre Vorstellungskraft und Fantasie. Sie unternehmen in Ihren Gedanken Reisen an Orte, die Sie mit positiven Erinnerungen und Gefühlen verbinden. Diese schönen inneren Bilder sollen Anspannung, Stress und Ängste in den Hintergrund treten lassen. Auch der Köper und die Psyche beruhigen und entspannen sich dadurch. Sie schöpfe neue Kräfte und kommen gestärkt von Ihrer gedanklichen Reise zurück. 

Was Menschen als angenehm empfinden, kann individuell sehr verschieden sein. Während die einen auf einen Berg steigen, liegen andere auf einer Blumenwiese oder unternehmen einen Spaziergang im Wald. Manche erfinden auch neue Plätze, an denen sie sich wohl fühlen. Nicht nur die positiven inneren Bilder sind wichtig, sondern auch, was Sie fühlen, riechen, hören oder schmecken. Bei der Imagination werden alle Sinne aktiviert. 

Yoga 

Yoga ist eine Jahrtausende alte Lehre, die Meditation und Entspannung, körperliche Übungen und Atemtechniken miteinander kombiniert. Ziel ist es, den Körper, Geist und die Seele besser in Balance zu bringen, zur Ruhe zu kommen und neue Kraft und Energie zu tanken.

Interview mit unserer Expertin für Yoga

Gaby Nele Kammler, Yoga-Trainierin in Köln und Gründerin der Initiative YOGA UND KREBS

Frau Kammler, wie bekommt man Männer zum Yoga?

Es funktioniert vielleicht durch Informationen, was Yoga wirklich kann und was  es begleitend bei einer Krebserkrankung leisten kann – körperlich und psychisch. Und dass Yoga wissenschaftlich fundiert ist. 

Was bringt Yoga einem Mann mit Prostatakrebs?

Nach einer Prostataentfernung können wir frühzeitig dafür sorgen, dass sich die Kontinenz verbessert, weil wir im Yoga ein gezieltes Beckenbodentraining machen. Aber nicht nur - auch die Entspannung und Dehnung sind wichtig.  

Wie kann Yoga der Psyche helfen?

Yoga kann dafür sorgen, dass der Kopf zur Ruhe kommt, das Gedankenkarussell stoppt, wir nur im Hier und Jetzt sind und uns keine Sorgen darüber machen, wie es weitergeht. Wir können lernen, den Moment besonders achtsam wahrzunehmen und gezielt Ängste lindern. 

Was sagen Männer, die sich in Ihre Yoga-Stunde getraut haben?

Viele berichten, dass sie sich körperlich besser fühlen und auch mental stärker geworden sind. Sie sind oft überrascht, was man mit der Atmung machen kann. Man spürt es schon in der ersten Stunde, dass Yoga etwas Positives bewirkt.

Yoga-Videos - zum Mitmachen!

Wie Sie mit Yoga Ihr Immunsystem und die Muskelkraft stärken und eine Fatigue vertreiben - die besten Yoga-Videos!

Meditation 

Meditation ist eine Technik, die zur inneren Ruhe und mehr Konzentration führen soll.  Bei der Meditation nehmen Sie eine passive Grundhaltung ein und lassen sich „gehen“. 

Einige Beispiele für Mediationsformen: 

  • Sie nehmen den Zustand der Ziellosigkeit an und lassen jeden Gedanken und jedes Bild in Ihr inneres Bewusstsein gelangen. Dann lassen Sie alles wieder gehen und halten nichts fest. 
  • Sie fokussieren sich auf Ihren Atem, einen Klang, ein Wort oder eine Empfindung. 

 

Achtsamkeitstraining und MBSR

Achtsamkeit heißt, dass Sie nicht in der Vergangenheit oder Zukunft wandeln, sondern sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Sie schärfen Ihr Bewusstsein für den jetzigen Moment und nehmen ihn wahr, bewerten ihn aber nicht. Ein Achtsamkeitstraining kann helfen, mit Belastungen umzugehen, ein inneres Gleichgewicht zu erreichen, sich durch Krisensituationen zu manövrieren und Ruhe zu finden. 

Jon Kabat-Zinn begründete die „achtsamkeitsbasierte Stressbewältigung“ (engl. Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR) in den 70er-Jahren. MBSR beinhaltet unter anderem Yoga, Atmung und Meditation. MBSR ist heute ein wichtiger Baustein der Verhaltenstherapie und Psychoonkologie.

Entspannungstechnik erlernen 

Eine Entspannungsmethode erlernen Sie am besten unter professioneller Anleitung, etwa in der Volkshochschule, im Fitnessstudio oder im Sportverein. Auch viele Rehaeinrichtungen bieten Entspannungstechniken im Rahmen der onkologischen Rehabilitation an. So erlernen Sie die Übungen korrekt und führen sie anschließend richtig aus. 

Einige Tipps:

  • Es gibt spezielle Kurse für Menschen mit einer Krebserkrankung, die auf ihre besonderen Bedürfnisse zugeschnitten sind und auf vorhandene Einschränkungen Rücksicht nehmen. 
  • Oft werden Gruppenkurse angeboten, die meist auch mehr Spaß machen.
  • Wenn Sie die Entspannungstechnik von einem Profi erlernt haben, können Sie diese anschließend überall praktizieren, zum Beispiel zu Hause, aber auch in der Bahn, im Bus oder im Freien.
  • Sprechen Sie vorher auch mit Ihrem Behandlungsteam, welche Entspannungsmethode sich für Sie gut eignet. 
  • Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten für Entspannungskurse oder tragen zumindest einen Teil davon. 

 

Quellen:

  • S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen,
    Stand: Mai 2024, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Komplement%C3%A4r/Version_2/LL_Komplement%C3%A4rmedizin_Langversion_2.0.pdf (Abruf: 1.8.2024)
  • Gesund.bund.de, https://gesund.bund.de/entspannungsmethoden (Abruf: 1.8.2024)
  • Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebs-und-psyche/entspannungstechniken-fuer-krebspatienten.html 
  • Deutsche Krebsgesellschaft (DKG),  https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/leben-mit-krebs/alltag-mit-krebs/entspannung/articles/onko-internetportal-basis-informationen-krebs-leben-mit-krebs-alltag-mit-krebs-entspannung.html (Abruf: 1.8.2024)
  • Neurologen und Psychiater im Netz, https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/entspannungsverfahren/progressive-muskelentspannung/ und https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/entspannungsverfahren/autogenes-training/