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Supportive Behandlungen bei Prostatakrebs

05. September 2024 | von Ingrid Müller

Prostatakrebsbehandlungen wie die Operation, Strahlentherapie oder Chemotherapie sind oft mit Nebenwirkungen verknüpft. Hier setzen supportive oder unterstützende Therapien an.  

Krebstherapien sind zwar meist sehr wirksam im Kampf gegen Prostatakrebs, können aber einige Nebenwirkungen mit sich bringen. Diese können sich körperlich, seelisch und geistig auswirken und die Lebensfreude und Lebensqualität vermindern. Gut bekannte Nebenwirkungen einer Prostatakrebs-OP sind die Erektile Dysfunktion und Inkontinenz. Eine Chemotherapie kann Übelkeit, Erbrechen oder Fatigue auslösen, während die Bestrahlung oft mit Hautreizungen, Entzündungen und Verdauungsprobleme wie Durchfall einhergeht. Gegen diese und andere Nebenwirkungen können supportive Therapien helfen. Das Wort „supportiv“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „unterstützend“. 

Supportive Therapien – was ist das? 

Für viele Nebenwirkungen der Prostatakrebsbehandlungen gibt es therapeutische Hilfe. Auch Symptome und Beschwerden, die der Prostatakrebs selbst hervorruft, lassen sich behandeln.  Manchmal gelingt es durch supportive Behandlungen sogar, solchen Beschwerden vorbeugen. 

Eine Prostatakrebsbehandlung lassen Sie am besten in einem zertifizierten Prostatakrebszentrum durchführen. Dort arbeiten Fachleute verschiedenster medizinischer und anderer Disziplinen, die viel Erfahrung mit Prostatakrebstherapien haben. Auch mit der Supportivmedizin sind sie vertraut. Sie wissen, welche Nebenwirkungen bei welchen Therapien möglich sind und wie sich diese am besten behandeln lassen. Welche Supportivtherapien zum Einsatz kommen, hängt von den Behandlungen ab, die Sie durchlaufen. 

Die S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“ listet häufige Nebenwirkungen und Folgen von Krebsbehandlungen. Sie empfiehlt außerdem Maßnahmen, die bei dem jeweiligen Gesundheitsproblem helfen können. 

Erektile Dysfunktion

Die Erektile Dysfunktion (Impotenz) kann die Folge einer Prostata-Operation (radikale Prostatektomie) sein. Manchmal werden – trotz nervenschonender Operationsweise – Nerven verletzt, die für die Erektion wichtig sind. Beschädigte Nerven lassen sich bisher nicht wieder reparieren (es wird aber daran geforscht). Die Erektile Dysfunktion lässt sich verschieden behandeln, beispielsweise mit Medikamenten, Erektionshilfen oder Physiotherapie.

Interview

“Wir müssen die Sexualfunktion stärker in den Mittelpunkt rücken”, sagt der Urologe Dr. Jost von Hardenberg.

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Inkontinenz

Nach einer radikalen Prostatektomie kann eine Harninkontinenz entstehen. Sie ist – wie die Erektile Dysfunktion – keine Seltenheit. Die Kontinenz lässt sich mit verschiedenen Maßnahmen bessern, zum Beispiel mit einem Kontinenztraining – eine besondere Form der Physiotherapie. Außerdem gibt es Medikamente, um die Blasenfunktion zu unterstützen.

Interview

“Die Wiederherstellung der Kontinenz besitzt meist höchste Prioriät”, sagt der Urologe Prof. Ullrich Otto.

Prostata Hilfe Deutschland: Mann trainiert mit gelbem Gummiband
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Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie

Übelkeit und Erbrechen sind häufige Probleme bei einer Chemotherapie. Ob diese Symptome auftreten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa von der Art des eingesetzten Zytostatikums oder der Dosierung. Es gibt heute jedoch Medikamente, die Übelkeit und Erbrechen verhindern oder verringern können. „Antiemetika“ ist der Fachbegriff für diese Arzneimittel. Sie  wirken auf das Brechzentrum im Gehirn. 

Antiemetika gibt es zum Beispiel in Form von Tabletten. Meist erhalten Sie diese schon vor dem Beginn der Chemotherapie. Anschließend bekommen Sie die Tabletten mit nach Hause. Dann können Sie bei den ersten Anzeichen von Übelkeit sofort reagieren.

Entzündungen der Mundschleimhaut 

Mundschleimhautentzündungen können ebenfalls eine Nebenwirkung der Chemotherapie sein. Zytostatika greifen nicht nur die Krebszellen an, sondern auch gesunde Zellen, die sich schnell teilen – dazu gehören auch die Zellen der Mundschleimhaut. 

Die Deutsche Krebsgesellschaft gibt folgende Tipps zum Ausprobieren:

  • Lutschen Sie eventuell Eis während der Chemotherapie. Die Kälte sorgt dafür, dass sich die Blutgefäße zusammenziehen. Dann wird der Blutfluss gedrosselt und weniger Zytostatika erreichen die Zellen der Mundschleimhaut.
  • Spülen Sie Ihren Mund öfters mit Wasser oder einer Kochsalzlösung.
  • Putzen Sie Ihre Zähne mehrmals täglich, aber verwenden Sie dafür eine weiche Zahnbürste.
  • Reinigen Sie Ihre Zahnzwischenräume vorsichtig mit Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen. So beseitigen Sie Essensreste und Bakterien. 
  • Verzichten Sie auf sehr scharfe oder heiße Speisen sowie auf Lebensmittel, die viel Säure enthalten (z.B. Zitronen, Grapefruit).
  • Trinken Sie möglichst keinen Alkohol und rauchen Sie nicht.

Bei einer Mundschleimhautentzündung können zusätzlich schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente hilfreich sein. 

Schmerzen

Schmerzen können sehr unterschiedliche Ursachen haben, beispielsweise der Prostatakrebs selbst, Metastasen (beispielsweise in den Knochen) oder die angewendeten Krebsbehandlungen, etwa eine Prostataoperation. Gegen Schmerzen gibt es wirksame Schmerzmittel. Bei der Wahl der passenden Schmerztherapie spielen der Ort und  die Intensität der Schmerzen eine Rolle ab. Es gibt milde und sehr starke Schmerzmittel wie Opiate.

Gegen Schmerzen können helfen:

  • Örtliche betäubende Mittel (Lokalanästhetika)
  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) 
  • Nichtopioid-Analgetika
  • Opiumartige Schmerzmittel (Opioide) 
  • Psychopharmaka, wenn Sie zugleich Ängste und Depressionen haben.

Bei der Schmerztherapie gehen Ärztinnen und Ärzte in der Regel nach dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation WHO vor. Welche Schmerzmittel zum Einsatz kommen, hängt von der Ausprägung des Schmerzes ab. 

Durchfall 

Durchfall ist ebenfalls eine häufige Folge von Krebsbehandlungen, zum Beispiel einer Chemotherapie oder Bestrahlung (von innen oder außen). Die Therapien können die Zellen der Darmschleimhaut angreifen und reizen. Auch eine Infektion mit einem Krankheitserreger kann der Grund für den Durchfall sein. Der Körper verliert bei Durchfall viel Wasser und Mineralstoffe (Elektrolyte). Diesen Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust gilt es, wieder auszugleichen. 

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gibt einige Tipps bei Durchfall:

  • Nehmen Sie viel Flüssigkeit zu sich. Trinken Sie zum Beispiel Mineralwasser mit wenig oder ohne Kohlensäure oder warmen Tee (beispielsweise Fenchel, Kamille). 
  • Essen Sie Brühen und Suppen. Sie enthalten Salz, das den Elektrolythaushalt wieder in Balance bringt. Ansonsten gibt es spezielle Medikamente (oder Infusionen), die dem Elektrolythaushalt helfen können. Fragen Sie vorher aber Ihr Behandlungsteam dazu. 
  • Konsumieren Sie leicht verdauliche Nahrungsmittel. Sie belasten und strapazieren den Darm nicht noch mehr. Gut sind zum Beispiel Bananen, geriebene (geschälte) Äpfel, gekochte Karotten, Weißbrot oder Haferflocken. 
  • Bei Milch, Milchprodukten, blähenden Lebensmitteln, fettreichem Essen, Kaffee, Alkohol und stark gewürzten Speisen sollten Sie Vorsicht walten lassen
  • Der Verzehr mehrerer kleinerer Mahlzeiten ist besser als wenige üppige Portionen. Dann ist Ihr Darm „beschäftigt“, muss aber nicht auf einmal große Mengen verdauen.  

 

Fatigue 

Fatigue lässt sich als lähmende Müdigkeit und Erschöpfung beschreiben. Viele Menschen mit einer Krebserkrankung erleben die Fatigue, auch Männer mit Prostatakrebs. Typisch ist, dass sich die Fatigue nicht bessert, wenn Sie ausreichend schlafen und Ruhepausen einlegen. Die Fatigue kann verschiedene Gründe haben, zum Beispiel die Krebstherapien, aber auch der Prostatakrebs selbst. Gegen eine Fatigue gibt es verschiedene Strategien, zum Beispiel ein individuelles und angepasstes Sport- und Bewegungsprogramm.

Yoga gegen Fatigue

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Prostata Hilfe Deutschland: Symbolbild Yoga bei Krebs - Mann macht Kopfstand auf einer Wiese
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Haarausfall 

Haarausfall – die Alopezie –  ist eine der bekanntesten Nebenwirkungen der Chemotherapie. Der Haarverlust kann nicht nur das Kopfhaar betreffen, sondern auch das Körperhaar mit Augenbrauen, Wimpern und Barthaaren. Auch eine Strahlentherapie kann übrigens das Haar lichter werden lassen. Bisher gibt es keine speziellen Maßnahmen oder Medikamente, um dem Haarausfall vorzubeugen und ihn zu verhindern. 

Bei Frauen und Kindern übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für einen Haarersatz wie eine Perücke (bis zu einer bestimmten Kostengrenze). Etwas anders ist es bei Männern: Bei ihnen tragen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten nur in Ausnahmefällen. Diese Entscheidung treffen die Kassen individuell. Das Argument lautet in der Regel, dass bei Männern ein „kahler“ Kopf gesellschaftlich akzeptiert ist. Viele Männer verlieren im Lauf des Lebens ihre Haare, oft schon in jungen Jahren (bei erblichem Haarausfall). Nach einer Chemotherapie oder Bestrahlung wachsen die Haare wieder nach.

Hautveränderungen

Hautausschläge und Hautreizungen sind häufige Nebenwirkungen der Strahlentherapie. Auch manche Krebsmedikamente können zu Entzündungen der Haut führen (beispielsweise Chemotherapie, Immuntherapie).

Das DKFZ gibt einige Tipps zum Hautschutz:

  • Schützen Sie Ihre Haut vor Druck, Reibung, Hitze, Kälte oder Feuchtigkeit.
  • Vermeiden Sie direktes Sonnenlicht (richtige Kleidung wählen) und gehen Sie auch nicht ins Solarium. 
  • Ihre Kleider sollten luftig sein und nicht eng anliegen. Wählen Sie besser Kleider aus Naturmaterialien statt aus Kunststoff. 
  • Auch Ihr Schuhwerk sollte genügend Platz für Ihre Füße bieten.
  • Das Wasser fürs Waschen sollte warm und nicht  zu heiß sein.
  • Rubbeln Sie Ihre Haut nicht nach dem Baden oder duschen, sondern tupfen Sie diese vorsichtig mit einem Handtuch ab. 
  • Verzichten Sie aufs Nassrasieren, weil es die Haut verletzen kann.

Bei Juckreiz, Schmerzen und Entzündungen der Haut können Medikamente  in Form von Salben, Cremes oder Gelen helfen. Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, welches Arzneimittel für Ihre Haut in Frage kommt.

Nagelveränderungen 

Manche Krebsmedikamente (beispielsweise Chemotherapie, zielgerichtete Medikamente) können die Nägel verändern. Sie können sich verfärben, brüchig werden, Rillen oder Furchen bekommen oder sich vom Nagelbett ablösen. Diese Veränderungen sind aber meist nur vorübergehend. Zudem besteht die Gefahr, dass sich die Nägel mit Bakterien oder Pilzen infizieren, was schmerzhaft sein kann. Kontrollieren Sie Ihre Finger- und Fußnägel daher regelmäßig auf Veränderungen.

Einige Tipps des DKFZ zum Nagelschutz:

  • Strapazieren Sie Ihre Nägel nicht mechanisch. Verzichten Sie auf Reiben, Drücken oder die Entfernung der Nagelhaut.
  • Tragen Sie keine engen, drückenden Schuhe. Wählen Sie zudem atmungsaktive Baumwollsocken, in denen die Füße nicht schwitzen.

Daneben gibt es die Möglichkeit, die Nägel während einer Chemotherapie zu kühlen (Kühlkissen auf Händen und Füßen). Gegen Infektionen mit Bakterien und Pilzen sind  Medikamente erhältlich (Antibiotika, Antimykotika), die Sie in der Rege lokal auf die Nägel auftragen.

Nervenschäden (Neuropathie)

Eine Chemotherapie kann die Nerven schädigen. „Neuropathie“ ist der Fachbegriff dafür. Bemerkbar machen sich Nervenschäden zum Beispiel durch Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühle, Muskelschwäche oder Schmerzen in den Fußsohlen oder Fingerspitzen. Medikamente zum Schutz der Nerven gibt es bisher nicht. Hilfreich kann aber ein regelmäßiges Bewegungstraining sein, vor allem der Finger und Zehen.

Sagen Sie Ihren ÄRztinnen und Ärzten sofort Bescheid, wenn Sie Anzeichen für Nervenschäden bemerken. Sie können die Dosis der Chemotherapeutika verringern, was jedoch ihre Wirksamkeit verringern kann. 

Veränderungen des Blutbildes

Chemo- und Strahlentherapie können Veränderungen des Blutbildes hervorrufen. Die Anzahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), weißen Blutkörperchen (Lymphozyten) oder Blutplättchen (Thrombozyten) kann vermindert sein. 

  • Rote Blutkörperchen: Fehlen Erythrozyten, entsteht eine Blutarmut (Anämie). Sie lässt mit blutbildenden Medikamenten behandeln. Manchmal kann auch eine Bluttransfusion helfen.
  • Weiße Blutkörperchen: Ein Mangel an weißen Blutzellen heißt Neutropenie. Hier können Medikamente helfen, welche die Bildung weißer Blutkörperchen anregen. Manchmal wird auch auf ein anderes Chemotherapeutikum gewechselt oder die Dosierung verringert. Neutropenie kann sich in einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen niederschlagen, was nicht ungefährlich ist, vor allem in Kombination mit Fieber. Sie müssen sich sofort ärztlich behandeln lassen. 
  • Blutplättchen: Ein Mangel an Blutplättchen (Thrombozyten) nennen Ärztinnen und Ärzte „Thrombozytopenie“. Dabei ist die Blutgerinnung herabgesetzt. Ist sie nur leicht ausgeprägt, ist meist keine Behandlung nötig. In manchen Fällen hilft ein Konzentrat mit Thrombozyten als Infusion.  

 

Quellen:

  • S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Version 7.0, Stand: Mai 2024,  https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Prostatatkarzinom/Version_7/LL_Prostatakarzinom_Langversion_7.0.pdf (Abruf: 4.9.2024) 
  • S3-Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen
    Langversion 1.3 – Februar 2020 https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Supportivtherapie/LL_Supportiv_Langversion_1.3.pdf (Abruf: 4.9.2024)
  • Patientenleitlinie „Supportive Therapie - Vorbeugung und Behandlung von Nebenwirkungen einer Krebsbehandlung, Stand: Februar 2018, https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Patientenleitlinien/Supportive-Therapie_Patientenleitlinie_DeutscheKrebshilfe.pdf (Abruf: 4.9.2024)
  • Deutsche Krebsgesellschaft,  https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/fatigue-bei-krebs.html und https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal-basis-informationen-krebs-nebenwirkungen-der-therapie-mundschleimhautentz%C3%BCndung.html (Abruf: 5.9.2024)
  • Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/belastende-symptome/durchfall-bei-krebs.php und https://www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/2022/news035-pressemitteilung-waschen-duschen-nach-strahlentherapie-bei-krebs.php und https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/belastende-symptome/haarausfall-bei-krebs.php und https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/belastende-symptome/hautprobleme-bei-krebs.php (Abruf: 5.9.2024)
  • NCT Heidelberg, https://www.nct-heidelberg.de/fileadmin/media/nct-heidelberg/das_nct/newsroom/broschueren/NCT_HD_fatigue_broschuere_web_final.pdf (Abruf: 5.9.2024)