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Nach Prostatektomie: Inkontinenz bleibt oft lange
04. April 2024 | von Ingrid MüllerBei Prostatakrebs kommen verschiedene Therapien in Frage - von Operation bis Strahlentherapie. Doch welche Behandlung schneidet bei Inkontinenz und Erektiler Dysfunktion langfristig wie gut ab? Eine US-Studie liefert jetzt Antworten.
Für Männer mit lokal begrenztem Prostatakrebs gibt es mehrere Behandlungsmöglichkeiten. Sie reichen von der Prostata-OP (radikale Prostatektomie) über die Strahlentherapie bis hin zur Strategie der Aktiven Überwachung (active surveillance). Ein US-Forschungsteam vom Vanderbild University Medical Center (VUMC) wollte jetzt wissen, wie sich die verschiedenen Behandlungen langfristig auswirken und ob sie mit funktionellen Einschränkungen verbunden sind, zum Beispiel einer Inkontinenz oder Erektilen Dysfunktion.
Das zentrale Ergebnis: Auch zehn Jahre nach einer radikalen Prostatektomie – der Entfernung der Prostata – litten viele Männer unter einer Inkontinenz. Bei der Sexualfunktion gab es dagegen kaum Unterschiede zwischen den verschiedenen Behandlungen. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichte die Forschungsgruppe im renommierten Fachmagazin JAMA.
Lokaler Prostatakrebs – günstige und ungünstige Prognose
An der CEASAR-Studie (Comparative Effectiveness Analysis of Surgery and Radiation) nahmen 2.445 Männer teil. Alle waren im Jahr 2011 oder 2012 an einem örtlichen (lokalen) Prostatakrebs erkrankt, im Schnitt 64 Jahre alt und sie wurden über zehn Jahre beobachtet.
Aufgrund des Stadiums und der Merkmale ihres Tumors wurden die Männer in zwei Gruppen eingeteilt: Die einen hatten eine günstige, die anderen einer eher ungünstige Prognose. Lokaler Prostatakrebs kann unterschiedlich bösartig sein. Bei manchen Männern ist die Gefahr höher, dass der Prostatakrebs wiederkehrt oder sich ausbreitet. Männer mit einer schlechteren Prognose erhalten daher meist intensivere Krebsbehandlungen.
- 1.877 dieser Männer hatten eine günstige Prognose. Definiert wurde dies als cT1-cT2bN0M0, PSA-Wert <20 ng/ml und einer Prognostic Grade Group von 1 bis 2 (die Prognostic Grade Group basiert auf dem Gleason-Score und ist ein anderes Bewertungssystem für Prostatakrebs)
- Dagegen hatten 568 Männer einen Prostatakrebs mit ungünstiger Prognose. Ihr Prostatakarzinom hatte diese Merkmale: cT2cN0M0, PSA-Werte von 20 bis 50 ng/ml und Prognostic Grade Group 3 bis 5.
Krebsbehandlungen im Vergleich – von Prostata-OP bis Bestrahlung
Alle Männer wurden wegen ihres Prostatakarzinoms behandelt beziehungsweise ihr Tumor wurde kontrolliert und beobachtet.
Bei günstiger Prognose wählten Ärztinnen, Ärzte und Patienten folgende Behandlungen:
- 1.043 Männer wurden an der Prostata operiert. Sie durchliefen eine radikale Prostatektomie, bei der die Prostata entfernt wurde. Zum Einsatz kam eine nervenschonende OP-Technik, um das Risiko einer Erektilen Dysfunktion zu vermindern.
- 359 Männer erhielten eine Bestrahlung von außen über die Haut (perkutane Strahlentherapie) – die Krebszellen werden durch die hochenergetische Strahlen zerstört.
- 96 Männer bekamen eine Bestrahlung von innen (Low-Dose-Rate-Brachytherapie) – werden kleine radioaktive Strahler (Seeds) in die Prostata nahe des Tumors eingepflanzt.
- 379 Männer entschieden sich für eine Aktive Überwachung. Bei der active surveillance wird der Tumor in regelmäßigen Abstand kontrolliert, aber zunächst nicht behandelt. Erst wenn der Prostatakrebs fortschreitet, beginnt die Behandlung.
Von den Männern mit ungünstiger Prognose unterzogen sich:
- 362 Männer eine radikalen Prostatektomie – mit der Entfernung der Prostata
- 206 Männer einer Kombination aus perkutaner Strahlentherapie und Hormontherapie. Dabei wird die Testosteronproduktion im gesamten Körper unterdrückt oder die Wirkung der männlichen Geschlechtshormone abgeschwächt.
Die Männer sollten danach Fragen zu eventuellen Folgen und Komplikationen anhand eines standardisierten Fragebogens beantworten, der insgesamt 26 Punkte umfasste (Expanded Prostate Cancer Index Composite = EPIC-26). Sie vergaben Punktzahlen von 1 (schlecht) bis 100 (sehr gut). Im Zentrum standen die Einschätzung ihrer Harn-, Sexual-, Darm- und Hormonfunktion. Diese können durch die verschiedenen Krebstherapien beeinträchtigt werden. So sind Inkontinenz und Erektile Dysfunktion häufige Nebenwirkungen einiger Krebsbehandlungen.
Prostatektomie – viele haben auch langfristig mit Inkontinenz zu tun
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind:
- Die radikale Prostatektomie war im Vergleich zu allen anderen Behandlungen auch nach zehn Jahren noch mit einer Inkontinenz verbunden. Dieser Zusammenhang galt unabhängig davon, ob die Männer eine günstige oder ungünstige Prognose hatten. 14 bis 25 Prozent der Männer berichteten zehn Jahre nach der Prostata-OP von lästigem Harnverlust. Zum Vergleich: Bei einer perkutanen Strahlentherapie waren es 4 bis 11 Prozent.
- Männer mit einer günstigen Prognose hatten in den ersten drei bis fünf Jahren nach der Prostatektomie größere Probleme mit ihrer Sexualfunktion (z.B. Erektile Dysfunktion) als jene Männer, die andere Krebstherapien gewählt hatten. Nach fünf Jahren waren dagegen keine großen Unterschiede mehr zwischen den Behandlungen und den Auswirkungen auf die Sexualfunktion festzustellen. Allerdings hatten die operierten Männer somit über längere Zeit mit sexuelle Beeinträchtigungen zu kämpfen als Männer, die sich für andere Therapien entschieden hatten.
- Für Männer mit ungünstiger Prognose galt: Es gab keine deutlichen Unterschiede bei der Sexualfunktion, wenn sie sich für die Prostatektomie oder die Kombination aus Strahlen- und Hormontherapie entschieden hatten.
- Nach zehn Jahren verschlechterte die kombinierte Strahlen- und Hormontherapie bei Männern mit ungünstiger Prognose die Darm- und Hormonfunktion leicht.
Bei der Therapiewahl auch die Folgen berücksichtigen
„Viele Männer mit örtlichem Prostatakrebs überleben 15 Jahre und mehr nach ihrer Diagnose. Zwischen den einzelnen Behandlungen gibt es nur minimale Unterschiede, was die Überlebensraten angeht“, erklärt Bashir Al Hussein Al Awamlh vom VUCM, der Hauptautor der Studie von der VUMC. „Wenn man es langfristig betrachtet und die ähnlichen Überlebensraten berücksichtigt, könnten bei die Wahl der Krebsbehandlungen die Nebenwirkungen und Folgen mehr in der Vordergrund rücken.“
Es sei wichtig, Männer mit einer ungünstigen Prognose im Hinblick auf die möglichen Langzeitfolgen anders zu beraten als Männer mit einer günstigen Prognose, so die Forschungsgruppe. Daniel Barocas, Seniorautor der Studie vom VUCM, sagt: „Den Auswirkungen auf die Sexualfunktion kann man vermutlich eine etwas geringere Bedeutung beimessen, wenn es um die Therapieentscheidung der Männer geht.“ Die Studienergebnisse zeigten außerdem die Vorteile der Aktiven Überwachung, die für Männer mit günstiger Prognose eine sichere Strategie sei. „Die active surveillance vermeidet die Nebenwirkungen, die mit Krebstherapien verbunden sind“, so Barocas weiter.
Die Forschungsgruppe entwickelt derzeit auf der Basis der Studiendaten ein personalisiertes, auf Patienten zugeschnittenes Vorhersageinstrument. Dieses soll zukünftig Einschätzungen über die nächsten zehn Jahre zu funktionellen Einbußen liefern, die mit den verschiedenen Therapien verbunden sein können. Dies könne wiederum zu einer besseren Entscheidungsfindung beitragen, so die Forschenden.
Quellen:
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