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Fokale Therapie bei Prostatakrebs – nicht für jeden Mann
21. November 2020 | von Ingrid MüllerDie fokale Therapie behandelt nicht die gesamte Prostata, sondern zerstört gezielt nur die Krebsherde. Umliegendes Gewebe bleibt dagegen verschont. Doch sie eignet sich offenbar für weniger Männer als gedacht, ergab eine Studie.
Die fokale Therapie richtet sich gezielt gegen bösartige Tumoren in der Prostata und zerstört sie. Weil sie gesundes Gewebe schont, fallen auch die Nebenwirkungen geringer aus als bei anderen Prostatakrebsbehandlungen. Zum Einsatz kommen dabei verschiedenen Energieformen – von Medikamenten bis Hitze oder Kälte. Mal wird der Tumor mit Hilfe von Arzneien lichtempfindlich gemacht, mal „verkocht“ oder die Krebszellen bekommen einen „Kälteschock“ und sterben ab.
Die fokale Therapie eignet sich nur für Männer mit lokalem Prostatakrebs, bei denen der Tumor noch nicht gestreut hat. Sie ist zwischen zwei Strategien angesiedelt – der Operation (radikale Prostatektomie), bei der Ärzte die Prostata komplett entfernen, und der aktiven Überwachung (active surveillance). Dabei beobachten und kontrollieren sie den Tumor regelmäßig. Sie greifen erst dann ein, wenn er weiter wächst.
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Doch zwei Fragen ließen sich bisher nicht zufriedenstellend beantworten: Für wie viele Männer mit Prostatakrebs eignet sich die fokale Therapie überhaupt? Und welches Potenzial besitzt sie in Zukunft? Neue Antworten lieferte jetzt ein Forscherteam um den Urologen Dr. Jost von Hardenberg von der Universitätsmedizin Mannheim: Wenn man medizinische Expertenempfehlungen zugrunde legt, sei die fokale Therapie nur für wenige Männer eine Alternative zu anderen Krebsbehandlungen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im renommierten Fachmagazin European Urology Focus.
Fokale Therapie „ja“ oder „nein“? Die Kriterien
Die Studie analysierte die Daten von 2.371 Männern, bei denen der Prostatakrebs begrenzt und nur auf einer Seite nachweisbar war. Die Diagnose „Prostatakarzinom“ stellten Ärzte anhand einer Gewebeprobe (Biopsie), unterstützt durch eine multiparametrische MRT (mpMRT). Eingeschlossen wurden nur Männer, die folgende fünf Kriterien erfüllten:
- ISUP-Grade Group ≤ 2: Hinter dem Kürzel ISUP verbirgt sich die International Society of Urological Pathology. Die Gesellschaft hat verschiedene Gruppen von 1 bis 5 definiert, die den Gleason-Score berücksichtigen und Aussagen über die Prognose beim Prostatakrebs zulassen. Je niedriger die Zahl ist, desto günstiger sind die Heilungsaussichten.
- PSA-Wert ≤ 15 ng/ml
- Mindestens eine Veränderung PI-RADS ≥ 3 (nach der zweiten Version der PI-RADS-Klassifikation): Diese neue Einteilung basiert auf den Bildern der multiparametrischen MRT (mpMRT). Sie gibt für jede Veränderung in der Prostata an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Prostatakarzinoms ist (auf einer Skala von 0 bis 5 von gering bis sehr hoch).
- Wenn mehrere auffällige Befunde in der MRT sichtbar waren: Nur bei einer Veränderung durfte es sich in der Biopsie um Prostatakrebs handeln.
- Die Lebenserwartung musste noch mindestens zehn Jahre betragen.
Die Forscher überprüften anhand ihrer Daten, für welche Männer die fokale Therapie – also die Behandlung einzelner Tumorherde – sowie eine Hemiablation in Frage kamen. Dabei behandeln Ärzte nur einen Prostatalappen. Die Hemiablation ist eine Möglichkeit bei einseitigen Tumoren, die jedoch etwas größer sind. Außerdem bestimmten sie, wo genau sich die Tumoren in der Prostata befanden. Dies spielt wiederum für die gewählte Energieform bei der fokalen Therapie eine Rolle.
Fokale Therapie – nicht für alle Männer geeignet
Das Ergebnis der Forscher dürfte für viele Männer mit Prostatakrebs wohl eher ernüchternd sein. Einen Großteil der Krebspatienten mussten die Forscher von fokalen Therapien ausschließen, weil sie die medizinischen Kriterien nicht erfüllten. Bei manchen hatte der Krebs zum Beispiel doch beide Prostatalappen befallen oder die Lebenserwartung lag unter zehn Jahren.
Nur für 308 Männer (12,8 Prozent) kam die fokale Therapie überhaupt in Frage, wenn die Forscher allgemein anerkannte Expertenkriterien zugrunde legten. „Die fokale Therapie eignet sich für weniger als einen von sieben Patienten“, so die Autoren der Studie. Das National Cancer Institute hatte den Prozentsatz dieser Männer viel höher geschätzt – nämlich auf bis zu 25 Prozent. Etwas besser sah es für die Hemiablation aus. Sie war für rund 386 Männer (16,1 Prozent) eine Therapiemöglichkeit. Aber wiederum galt: Nur einer von sechs Männern war ein potenzieller Kandidat dafür.
Ort des Tumors – welche Energieform ist am besten?
Die Krebsherde waren bei den Männern innerhalb der Prostata ungefähr gleich häufig verteilt: 31 Prozent lagen im vorderen Bereich der Prostata (anterior), 29 Prozent an der Spitze (apikal) und 36 Prozent im hinteren Bereich in Richtung des Rückens (dorsal).
Die Wirksamkeit der fokalen Therapie hängt aber vermutlich auch vom Ort in der Prostata ab, an dem sich der bösartige Tumor gebildet hat. Studien konnten zum Beispiel zeigen, dass die Therapie mit hochintensiviertem, fokussierten Ultraschall (HIFU) besser bei zur Rückseite gerichteten als bei weiter vorne gelegenen Tumoren abschneidet. Aufgrund dieser Verteilung der Tumoren in der Vorsteherdrüse gebe es nicht „die eine“ Energieform für die fokale Therapie, erklären die Studienautoren.
Ihr Fazit: „Nur eine Minderheit der Prostatakrebspatienten ist ein potenzieller Kandidat für die fokale Therapie. Zudem lässt die Verteilung der Tumoren vermuten, dass wir verschiedene Energieformen brauchen, um eine optimale Behandlung mittels fokaler Therapie zu gewährleisten.“
Fokale Therapie – ein Vorteil sind weniger Nebenwirkungen
Die fokalen Behandlungen stehen für Ärzte und Patienten schon deshalb im Zentrum, weil sie weniger Nebenwirkungen, Komplikationen und Folgen für den Mann bedeuten. Die radikale Prostatektomie, bei der Ärzte die gesamte Prostata entfernen, ist bei vielen Männern mit einer Inkontinenz und Erektilen Dysfunktion verknüpft. Auch wenn sich beide Nebenwirkungen mit der Zeit oft bessern – nicht immer verschwinden sie bei allen Männern ganz. Sie können den Alltag, Beruf sowie die Lebensqualität und Lebensfreude massiv stören. Studien fanden heraus, dass diese Beeinträchtigungen sogar noch stärker ausfallen als bei anderen Krebsarten. Gründe genug also für den Einsatz der fokalen Therapie.
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Fokale Therapien noch im experimentellen Stadium
Gemeinsam ist allen fokalen Therapien, dass sie bösartige Prostatatumoren gezielt angehen und umliegendes Gewebe schonen. Vielfältig sind jedoch die Energievarianten, mit denen Ärzte dem Prostatakrebs zu Leibe rücken. Die wichtigsten Methoden sind:
- Hochintensivierter, fokussierter Ultraschall (HIFU) – entweder über den Enddarm oder die Harnröhre. Ärzte richten hochenergetischen Ultraschall gegen die Tumore – die Hitze zerstört die Krebszellen.
- Irreversible Elektroporation – Ärzte gehen mit Starkstrom gegen das Krebsgewebe vor
- Kryotherapie – das Krebsgewebe wird mit Kälte behandelt
- Brachytherapie – eine Bestrahlung der Krebszellen von innen mittels kleiner, radioaktiver Kügelchen
- Radiofrequenzablation (RFA) – zum Einsatz kommt hochfrequenter Wechselstrom, der die Tumorzellen durch Hitze zerstört-
- Fokale Laserablation (Laserinduzierte Thermotherapie = LITT): Dabei setzen Ärzte Wärme in Form von Laserlicht ein
- Vaskuläre Photodynamische Therapie (VPT) – Ärzte injizieren eine Substanz in die Vene oder Prostata, die sich im Tumor anreichert. Dann erfolgt eine Bestrahlung mit energiereichem Licht (Laserfaser), die den Wirkstoff aktiviert. Solche Substanzen heißen Photosensibilisatoren. Die Krebszellen werden auf diese Weise lichtempfindlich gemacht und nehmen Schaden.
Diese Varianten der fokalen Therapie befinden sich noch im experimentellen Stadium und Ärzte wenden sie bisher an Kliniken nur im Rahmen von Studien an.
Quellen:
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