(c) DragonImages/iStockphoto
Zurück zur Übersicht

Zertifiziertes Prostatakrebszentrum – was ist das?

26. Juli 2023 | von Ingrid Müller

Männer mit Prostatakrebs sollten sich am besten in einem zertifizierten Krebszentrum behandeln lassen. Dort herrscht Teamarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Fachleuten. Lesen Sie, welche Besonderheiten es in Prostatakrebszentren gibt und wie Sie selbst davon profitieren.  

Wer die Diagnose Prostatakrebs erhalten hat, fragt sich meist als nächstes, in welcher Klinik er sich behandeln lassen sollte. Wo sind Spezialisten und Spezialistinnen für Prostatakrebs? Welche Klinik hat am meisten Erfahrung mit Behandlungen wie der Prostataentfernung (radikalen Prostatektomie), Strahlentherapie, Brachytherapie, Chemotherapie oder Hormontherapie? Wo ist die Betreuung am besten und wo fühle ich mich gut aufgehoben? Wer hilft mir, wenn ich seelische Probleme, Ängste und Sorgen aufgrund meiner Prostatakrebsdiagnose habe?

Ein zertifiziertes Krebszentrum ist die beste Anlaufstelle für die Diagnostik und Behandlung, genauer gesagt ein zertifiziertes Prostatakrebszentrum. Dort arbeiten Ärztinnen und Ärzte mehrerer Fachdisziplinen eng miteinander, aber auch Gesundheits- und Pflegefachkräfte, Fachleute aus der Psychoonkologie, Sozialarbeit sowie Selbsthilfegruppen. Sie bringen viel Erfahrung rund um den Prostatakrebs mit. 

Klinik finden

Lesen Sie Tipps, mit denen Sie die passende Klinik für Prostatakrebs oder eine Prostataerkrankung finden. 

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Wartezimmer in Klinik
© Riccardo Pelati/Unsplash.com

Prostatakrebszentrum: Medizinische Leitlinien sind wichtig

Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Diagnostik und Therapien in einem zertifizierten Prostatakrebszentrum streng nach den aktuellen medizinischen Leitlinien erfolgen – in diesem Falle nach der S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom. Diese Leitlinie gibt gewichtete Handlungsempfehlungen für Ärzte und Ärztinnen, die sich auf das aktuell beste, verfügbare und durch Studien geprüfte medizinische Wissen stützen. 

Diese Empfehlungen sind zwar rechtlich nicht bindend. Dennoch sollten ärztliche Fachleute es begründen können, wenn sie von den Empfehlungen der Leitlinie abweichen. In einem zertifizierten Prostatakrebszentrum können Sie also davon ausgehen, dass Sie die neueste, medizinisch geprüfte und bestmögliche Behandlung erhalten. 

Auch die Diagnostik folgt in der Regel den medizinischen Leitlinien zu Prostatakrebs. Fachleute haben dort festgehalten, wie Ärztinnen und Ärzte bei der Prostatakrebs-Diagnose vorgehen sollten, welche Untersuchungen nötig sind, zum Beispiel:

In den Leitlinien ist auch festgehalten, welche Aussagekraft und Verlässlichkeit diese Untersuchungsmethoden besitzen. 

Zertifizierte Krebszentren seit 2003

In Deutschland gibt es seit dem Jahr 2003 zertifizierte Krebszentren. Im Jahr 2008 wurde das erste Prostatakrebszentrum von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert. Kliniken müssen für die Zertifizierung sehr hohe Anforderungen und Standards erfüllen. Die DKG vergibt das Qualitätssiegel nur an Kliniken, die den Zertifizierungsprozess erfolgreich durchlaufen haben – und kann es auch wieder entziehen, wenn es Qualitätsprobleme gibt. 

Begriffe erklärt: Was ist was?

  • Zentrum: Gemeint ist nicht nur eine Klinik oder ein Krankenhaus, sondern ein Netzwerk aus stationären und ambulanten Einrichtungen. Alle Fachrichtungen, die an der Behandlung eines Krebskranken beteiligt sein müssen, arbeiten hier zusammen.  Zu einem Zentrum gehören also Kliniken und Arztpraxen. Die Zertifizierung umfasst immer alle Beteiligten eines Zentrums. 
  • Organkrebszentrum: Ein Zentrum, das auf ein Organ spezialisiert ist, zum Beispiel auf die Prostata. Ein Prostatakrebszentrum ist also ein Organkrebszentrum. 
  • Onkologisches Zentrum: Dieses ist auf mehrere Organe spezialisiert. Es vereint also mehrere Organkrebszentren unter einem Dach. 
  • Uroonkologisches Zentrum: Es ist auf Krebserkrankungen der Harnorgane spezialisiert. Es behandelt immer Prostatakrebs, aber zusätzlich auch Nierenkrebs oder Harnblasenkrebs.

Zertifizierte Krebszentren gibt es inzwischen für viele verschiedene Krebsarten, nicht nur für Prostatakrebs. Auch Menschen mit Darmkrebs, Lungenkrebs, Hautkrebs oder Brustkrebs können sich dort behandeln lassen. Oft ist die Krebstherapie komplex und es sind mehrere ärztliche Fachleute nötig, um gute Ergebnisse zu erzielen. 

Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Behandlung in einem zertifizierten Krebszentrum mit einem Überlebensvorteil für Krebskranke sowie mit einer besseren Prognose verknüpft sein kann. Obwohl zertifizierte Krebszentren einen hohen Aufwand betreiben müssen, scheinen zudem die Kosten für  das Gesundheitssystem geringer auszufallen. Dies wiesen das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die TU Dresden am Beispiel von Darmkrebs in einer Untersuchung nach. 

Prostatakrebs: Was ist in zertifizierten Krebszentren besonders?

Zertifizierte Krebszentren besitzen einige Besonderheiten, die sie von anderen „normalen“ Kliniken unterscheiden – die wichtigsten Merkmale im Überblick.

Die Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen wie dem Prostatakrebs liegt in den Händen verschiedenster Spezialisten und Spezialistinnen. Alle arbeiten eng zusammen und verstehen sich als Team. Bei Prostatakrebs kommen sie zum Beispiel aus dem Fachgebiet der Urologie, Onkologie, Chirurgie, Radiologie, Radioonkologie, Anästhesie, Pathologie oder Psychoonkologie. Ihre Arbeit ist zudem eng mit der von Pflegefachkräften und Sozialarbeitern verzahnt. 

Die stationäre Versorgung ist eng mit der ambulanten Versorgung in der Arztpraxis verknüpft. Dies sorgt dafür, dass es keine Informationsverluste gibt. Außerdem sind sämtliche Personen, die an der Diagnostik und Behandlung von Prostatakrebs beteiligt sind, jederzeit auf dem aktuellen Wissensstand. 

Tumorkonferenzen sind ein wesentliches Merkmal von zertifizierten Krebszentren. Im Gegensatz zu normalen Kliniken, in denen sie auch stattfinden, sind sie hier aber zwingend vorgeschrieben. In einer Tumorkonferenz wird jeder Krebsfall ausführlich besprochen. Die Basis für die individuelle Krebstherapie sind die Untersuchungsergebnisse, die allen Teilnehmenden vorliegen. Diese sind wieder Fachleute aus verschiedenen medizinischen Fachrichtungen. Sie tüfteln für jeden Mann mit Prostatakrebs die passende und bestmögliche Therapie aus und planen sie anschließend. 

Tumorkonferenzen finden bisher meist ohne die Krebskranken selbst statt. Ein Argument: Es werde viel fachlich diskutiert, was für die meisten Laien unverständlich sei. In Projekten wird es aber erprobt, welche Vor- und Nachteile eine Beteiligung von Menschen mit einer Krebserkrankung an einer Tumorkonferenz haben könnte.

Menschen mit Krebs werden über den gesamten Prozess, den eine Krebserkrankung mit sich bringt, eng begleitet. Die Schritte reichen von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Rehabilitation und Nachsorge. Ziel ist es, Lücken in der Versorgungskette zu verhindern. Dies bedeutet wiederum mehr Sicherheit für Krebskranke und alle Beteiligten.

Zertifiziertes Prostatakrebszentrum finden

  • Die Website OncoMap der Deutschen Krebsgesellschaft bietet eine Suche nach zertifizierten Prostatakrebszenten in Ihrer Nähe an. Sie können nach Tumorart, Zertifikat, Land, Bundesland, PLZ, Wohnort oder Umkreis suchen. Die Liste wird wöchentlich aktualisiert, zu finden unter https://www.oncomap.de/centers
  • Auf OncoMap sind auch ausländische Zentren zu finden, wenn die DKG sie zertifiziert hat.
  • Die Website listet zudem Selbsthilfegruppen – unter „Fachrichtung“ die Selbsthilfe wählen.
  • Bei der Suche nach einem Prostatakrebszentrum können auch Ärzte, Ärztinnen oder die Krebsorganisationen weiterhelfen. Sie vermitteln Kontaktdaten und Adressen.

Wie erhält ein Krebszentrum ein Zertifikat?

Damit ein Krebszentrum als zertifiziert gilt, muss es ein Qualitätssiegel der Deutschen Krebsgesellschaft besitzen. Die DGK vergibt dieses Siegel nach einer aufwändigen Prüfung sowohl der Einrichtung als auch sämtlicher Prozesse. Außerdem kontrolliert sie regelmäßig, ob die Klinik die hohen Ansprüche an die Qualität der Diagnostik und Behandlung auch weiterhin erfüllt. Es gibt also Qualitätskontrollen. 

Damit eine medizinische Einrichtung ein Zertifikat bekommt, muss sie erst einmal verschiedene Voraussetzungen und Vorgaben erfüllen. Dieser Kriterien gelten sowohl für die Quantität als auch die Qualität. 

Ein Beispiel: 

  • Zertifizierte Prostatakrebszentren müssen eine bestimmte Anzahl von Operationen durchführen (eine Maßzahl für die Quantität). 
  • Dabei darf es möglichst wenige Nebenwirkungen und Komplikationen geben (ein Maß für die Qualität).

Die Zertifizierung läuft in etwa so ab:

  • Für  Kliniken, die sich als Krebszentrum zertifizieren lassen möchten, gibt es spezielle Erhebungs- und Kennzahlenbögen, die sie ausfüllen müssen. In diesen Bögen sind alle Kriterien zusammengefasst. Sie gelten dann als Grundlage für die Zertifizierung. 
  • Jedes Zentrum muss anschließend ein komplexes Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Dabei vergleicht die DKG zum Beispiel auch die Ergebnisse der medizinischen Einrichtung mit jenen aus anderen Krebszentren. Jede Klinik legt also ihre Leistungsdaten öffentlich vor und bespricht sie auch mit den Prüfern. Wenn nötig, muss die Klinik nachbessern. Letztlich ist dies aber im Sinne aller Krebskranken. 
  • Auch sämtliche Prozesse, nach denen eine Klinik arbeitet und mit denen sie die Qualität sichert, muss sie ausführlich beschreiben.
  • Die DKG vergibt das Zertifikat meist für drei Jahre
  • Erfüllt ein zertifiziertes Zentrum die Vorgaben bei einer Prüfung nicht mehr, kann die DKG ihm das Qualitätssiegel auch wieder entziehen – was manchmal auch geschieht. 
     

Physiotherapeuten finden

Inkontinenz nach Prostata-OP: Eine Suchfunktion hilft beim Finden eines geeigneten Physiotherapeuten, etwa für den Beckenboden.

Prostata Hilfe Deutschland: Bunte Medizinbälle
(c) Bru-nO/Pixabay.com

Onkologische Spitzenzentren im CCC-Netzwerk

Alle Menschen mit einer Krebserkrankung sollen in Deutschland eine Diagnostik und Therapie erhalten, die auf dem neuen medizinischen Wissensstand ist. Daher gibt es in Deutschland das Förderschwerpunktprogramm Onkologische Spitzenzentren. Initiiert wurde es von der Deutschen Krebshilfe. Diese Spitzenzentren sind im Netzwerk der Onkologischen Spitzenzentren (CCC-Netzwerk) zusammengeschlossen. Das „CCC“ ist die Abkürzung für engl.  „Comprehensive Cancer Center“ („comprehensive“ bedeutet so viel wie „umfassend“). 

Der Schwerpunkt des CCC-Netzwerks liegt auf der Entwicklung neuer Therapiestrategien. Ärzte und Wissenschaftlerinnen der einzelnen Zentren erarbeiten neue Standards und Leitlinien für die Versorgung krebskranker Menschen.

In diesen Onkologische Spitzenzentren behandeln und versorgen medizinische und wissenschaftliche Fachleute aus unterschiedlichen Fachgebieten Menschen mit einer Krebserkrankung. Wie auch in den Prostatakrebszentren gibt es Tumorkonferenzen und eine psychosoziale Begleitung. Außerdem arbeiten Onkologische Spitzenzentren eng mit den Artpraxen und Krankenhäusern in der Region zusammen. 

Die Deutsche Krebshilfe unterstützt derzeit mehrere onkologische Spitzenzentren an universitären Standorten, etwa in Aachen/Bonn/Köln/Düsseldorf, Berlin, Dresden, Essen, oder Frankfurt/Marburg. Auf der Website gibt es eine Liste der Spitzenzentren in Deutschland.

Was ist die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV)?

Zertifizierte Krebszentren oder Onkologische Spitzenzentren sind nicht in allen Regionen Deutschlands vorhanden. Oft befinden sie sich in größeren oder mittleren Städten. Wenn Sie kein Prostatakrebszentrum in der Nähe haben, ist die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV) eine Alternative. Die ASV soll auch Krebskranken, die nicht in den Großstädten leben, eine gute Versorgung bieten. 

ASV finden

In der ASV arbeiten ebenfalls medizinische Fachleute verschiedener Fachdisziplinen Hand in Hand. Sie diagnostizieren, planen alle nötigen Behandlungen und müssen ebenfalls Qualitätsprüfungen absolvieren. Auch in einer ASV sind Sie mit Prostatakrebs in guten Händen. 

 

Quellen: