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Bestrahlung nach Prostatakrebs-OP? Kann zunächst warten
21. November 2020 | von Ingrid MüllerDie Bestrahlung direkt nach einer Prostatakrebs-Op soll die Rückfallgefahr verringern. Doch manche Männer können sich diese zunächst ersparen.
Ärzten gelingt es heute dank verbesserter Früherkennung oft, einen Prostatakrebs im frühen Stadium zu diagnostizieren. Dann ist der Tumor noch auf die Prostata beschränkt oder nur lokal fortgeschritten. Es lassen sich jedenfalls keine Metastasen in entfernten Organen wie den Knochen, der Leber oder Lunge nachweisen. Bei diesen Männern ist der Prostatakrebs prinzipiell vollständig heilbar. Als Krebstherapien kommen hier entweder eine Operation (radikale Prostatektomie) oder eine Strahlentherapie in Frage. Manchen Männern raten Ärzte nach der Operation zusätzlich zu einer Bestrahlung. Sie soll das Risiko für einen Rückfall (Rezidiv) senken.
Bislang ist jedoch eine Frage offen geblieben und wurde kontrovers diskutiert – nämlich welcher Zeitpunkt optimal für die Bestrahlung nach der OP ist. Soll sich die Strahlentherapie direkt an die radikale Prostatektomie anschließen (adjuvante Radiotherapie)? Oder können Ärzte sie solange aufschieben, bis sich der PSA-Wert erneut erhöht (Salvage (Rettungs)-Radiotherapie)? Ein steigender PSA-Wert gilt als Hinweis darauf, dass der Prostatakrebs wieder wächst.
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Bestrahlung: Aufschieben bedeutet kein Risiko
Eine Metaanalyse von drei Studien lieferte jetzt eine aussagekräftige Antwort: Bei vielen Männern kann die Bestrahlung erst einmal warten – und damit treten einige unangenehme Nebenwirkungen erst gar nicht auf. Über einen Zeitraum von fünf Jahren bedeutete das Aufschieben der Radiotherapie eine genauso hohe Freiheit von Rückfällen wie die sofortige Bestrahlung nach der OP. Allerdings sollten sich Männer engmaschig in regelmäßigen Abständen kontrollieren lassen, raten die Studienautoren.
Dr. Claire Vale, die Leiterin der Metastudie vom University Kings College London, sagt: „Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass Männer mit lokal begrenztem oder örtlich fortgeschrittenem Prostatakrebs die Strahlentherapie nach der Operation zunächst gefahrlos aufschieben und sich somit die Nebenwirkungen ersparen können. Die Bestrahlung ist nur dann notwendig, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass der Krebs zurückgekehrt ist.“ Experten sollten die Leitlinien, welche die Standards für die Prostatakrebsbehandlung festsetzen, auf der Basis dieser drei neuen Studien aktualisieren, so die Empfehlung.
Strahlentherapie – direkt nach der OP oder erst bei PSA-Anstieg?
Die Autoren nahmen in ihrer Metaanalyse drei Studien unter die Lupe. In diese waren Daten von Krebszentren aus Frankreich, Australien, Neuseeland, Großbritannien, Canada, Dänemark und Irland eingeflossen. Alle hatten untersucht, welches der beste Zeitpunkt für die Strahlentherapie nach einer radikalen Prostatektomie ist.
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Insgesamt nahmen an den drei Studien 2.153 Männer teil, die an Prostatakrebs erkrankt waren und sich einer radikalen Prostatektomie unterzogen hatten. Im Schnitt waren sie 65 Jahre alt. Bei den meisten Männern (78 Prozent) hatte der Prostatakrebs einen Gleason-Score 7. Dieser lässt Rückschlüsse auf die Aggressivität des Prostatakrebses zu. Die Forscher beobachteten die Männer über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren.
Die Probanden wurden per Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: 1.075 Männer erhielten eine adjuvante Strahlentherapie direkt nach der Operation. Bei den anderen 1.078 Männer wurde die Bestrahlung dagegen zunächst aufgeschoben. Erst wenn der PSA-Wert angestiegen war und es damit Anzeichen für einen Rückfall gab, bekamen sie eine Radiotherapie. Nur 421 Männer (39 Prozent) mussten sich wegen eines PSA-Anstiegs dieser Salvage-Radiotherapie unterziehen. Die anderen konnten sich die Bestrahlung ersparen – und damit auch die Nebenwirkungen.
Das Fazit der Autoren: Die routinemäßige Strahlenbehandlung nach der Operation bringt nach fünf Jahren keine Vorteile im Vergleich zur nach hinten geschobenen Bestrahlung. Das rückfallfreie Überleben der Männer ließ sich so beziffern: 89 Prozent in der Gruppe mit der adjuvanten Bestrahlung und 88 Prozent in der Salvage-Gruppe.
Studie „RADICALS-RT“ zur Bestrahlung – Ergebnisse
Die größte der drei Studien (RADICALS-RT) wurde im renommierten Fachmagazin The Lancet veröffentlicht. Daran nahmen 1.396 Männer teil, die durchschnittlich 65 Jahre alt waren und etwa über fünf Jahre beobachtet wurden. 697 dieser Männer erhielten eine Strahlentherapie im Anschluss an die Operation. Bei 699 Männern warteten die Forscher erst einmal ab.
Folgendes kam bei der Studie heraus:
- Die Bestrahlung war in beiden Gruppen gleich wirksam – und zwar unabhängig davon, ob sie direkt nach der OP oder erst beim Anstieg des PSA-Wertes zum Einsatz kam.
- Männer, die sich direkt nach der Op einer Bestrahlung unterzogen, erlebten häufiger Nebenwirkungen als jene Männer mit der aufgeschobenen Bestrahlung. Dazu gehörten ein verminderter Harnfluss und Blut im Urin.
Prof. Chris Parker vom The Royal Marsden NHS Foundation Trust and Institute of Cancer Research in London, der Erstautor der Studie, sagt: „Es gibt jetzt starke Argumente dafür, dass das Beobachten der Standard nach der Operation sein sollte. Die Strahlentherapie sollten wir erst dann anwenden, wenn der Krebs zurückkehrt. Die gute Nachricht ist, dass wir in Zukunft vielen Männern die Nebenwirkungen der Radiotherapie ersparen können.“ Dazu gehörten allen voran die Inkontinenz und eine verengte Harnröhre, die das Wasserlassen oft erschwert. Zwar können solche Probleme auch schon nach der Operation auftreten, aber das Risiko ist noch höher, wenn Ärzte obendrein die Strahlen verabreichen.
Nicht möglich ist es bisher, die Langzeitwirkung beider Behandlungsstrategien zu bestimmen. So ist es unklar, ob sich die Ausbreitung des Prostatakrebses dadurch verhindern lässt. Diesen Punkt wollen die Forscher jetzt weiter untersuchen.
„GETUG-AFU 17“-Studie zur Bestrahlung – Ergebnisse
Die zweite analysierte Studie war eine Untersuchung namens GETUG-AFU 17. Ihre Ergebnisse wurden im Fachblatt The Lancet Oncology veröffentlicht. Teilnehmer waren 424 Männer mit durchschnittlich 64 Jahren aus 46 verschiedenen Krankenhäusern in Frankreich. Auch diese Männer teilten die Forscher zufällig einer von zwei Gruppen zu: Die einen erhielten die Radiotherapie direkt nach der OP, bei den anderen warten die Ärzte ab. Sie wurden mit der Bestrahlung erst aktiv, wenn es Hinweise auf einen Rückfall gab. Alle erhielten zudem kurzzeitig eine Hormontherapie, um das Wachstum und die Vermehrung von Krebszellen zu verhindern.
Einen Vorteil zwischen der Bestrahlung direkt nach der OP im Vergleich zur Salvage-Bestrahlung konnten die Forscher auch hier nicht ausmachen. Das Fünf-Jahres-Überleben ohne Rückfall lag bei 92 Prozent (adjuvant) beziehungsweise 90 Prozent (Salvage). Allerdings erlebten Männer mit der adjuvanten Strahlentherapie mehr Nebenwirkungen als jene mit einer frühen Salvage-Bestrahlung (87 versus 44 Prozent).
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„RAVES-Studie“ zur Bestrahlung – Ergebnisse
Die dritte ausgewertete Studie ist die sogenannte RAVES-Studie, deren Ergebnisse ebenfalls im Fachjournal The Lancet Oncology veröffentlicht wurden. An dieser kleineren Studie, die an 32 onkologischen Zentren in Australien und Neuseeland durchgeführt wurde, nahmen 333 Männer mit Prostatakrebs teil. Alle hatten sich einer radikalen Prostatektomie unterzogen und besaßen ein bestimmtes Risiko für einen Rückfall. Diese Gefahr berechneten die Forscher anhand feingeweblicher Kriterien. Maßgeblich war, ob die OP-Ränder noch Krebszellen enthielten beziehungsweise sich der Krebs über die Grenzen der Prostata hinaus ausgedehnt hatte.
Alle Männer waren körperlich in einem guten Allgemeinzustand. Die Forscher teilten die Probanden wieder nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein:
- 166 Männer erhielten innerhalb von sechs Monaten nach der radikalen Prostatektomie eine Bestrahlung.
- 167 Männer bekamen eine frühzeitige Strahlentherapie innerhalb von vier Monaten, sobald ihr PSA-Wert 0,2 ng/ml überstieg.
Die Bestrahlung des Prostatabettes war in beiden Gruppen gleich (64 Gray in 32 Fraktionen). Eine Hormonentzugsbehandlung erhielt keiner der Männer. Im Schnitt beobachten die Forscher die Männer rund sechs Jahre.
Die Ergebnisse:
- 84 der 167 Männer aus der „Salvage-Gruppe“ (ca. 50 Prozent) mussten sich wegen ansteigender PSA-Werte einer Strahlentherapie unterziehen.
- Die Rezidivfreiheit über fünf Jahre lag in der Gruppe mit der Bestrahlung direkt nach der OP bei 86 Prozent. In der Gruppe, bei der Ärzte erst den PSA-Anstieg abgewartet hatten, betrug sie bei 87 Prozent.
- Auch bei den Nebenwirkungen schnitt die aufgeschobene Bestrahlung besser ab. Nur 54 Prozent der Männer aus dieser Gruppe hatten Nebenwirkungen, die den Urogenitaltrakt betrafen, zum Beispiel Probleme beim Wasserlassen. Bei der Bestrahlung gleich nach der OP erlebten dagegen ungefähr 70 Prozent der Männer Nebenwirkungen im Harntrakt. In beiden Gruppen etwa gleich hoch waren die Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt (10 versus 14 Prozent).
„Die Salvage-Radiotherapie liefert vergleichbare Ergebnisse wie die adjuvante Bestrahlung“, kommentiert Prof. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO). Eine Bestrahlung bei Bedarf – also bei einem PSA-Anstieg – sei nur bei jedem zweiten Mann nötig gewesen. „Sie ersparte also praktisch der Hälfte der Patienten eine Bestrahlung des Prostatabettes – und die damit verbundenen Nebenwirkungen“, so Combs weiter. Wichtig sei es daher, bei jedem Mann individuell vorzugehen und je nach Risikofaktoren die Entscheidung für eine Bestrahlung direkt nach der OP zu treffen. Combs: „In manchen Fällen kann ein abwartendes Verhalten mit einer Salvage-Bestrahlung bei PSA-Anstieg genau so effektiv sein. “
Wichtig ist noch ein weiterer Punkt in der Studie: Die Männer erhielten sehr bald nach dem Anstieg des PSA-Wertes über 0,2 ng/ml die Salvage-Radiotherapie, nämlich binnen vier Monaten. Prof. Rainer Fietkau erklärt: „Wir wissen, dass sich die Prognose der Patienten verschlechtert, wenn die PSA-Werte bei Beginn der Bestrahlung auf 0,5 bis 0,8 ng/ml gestiegen sind. Dies müssen die Patienten wissen und Ärzte müssen sie entsprechend überwachen.“
PSA-Wert zeigt einen Rückfall an
Bei Prostatakrebs steigt der PSA-Wert – das Prostata-spezifische Antigen – im Blut an. Dieses Eiweiß stellen zwar auch gesunde Prostatazellen her, in besonders großen Mengen aber bösartig veränderte Zellen. Der Wert ist deshalb zur Therapiekontrolle geeignet. Wenn Ärzte den bösartigen Tumor vollständig entfernt haben, normalisiert sich der PSA-Wert wieder. Ein Rückfall zeigt sich meist als erstes durch den erneuten Anstieg des PSA-Wertes. Die meisten Männer haben zu diesem Zeitpunkt aber keine Symptome, die auf einen Rückfall hindeuten. Daher sprechen Ärzte auch von einem biochemischem Rezidiv oder einer biochemischen Progression. Ohne den gestiegenen PSA-Wert würden Ärzte überhaupt nicht entdecken, dass der Prostatakrebs wiedergekehrt ist.
Quellen:
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