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Prostatakrebs – Operation bringt Lebensjahre, aber nicht jedem

02. Mai 2019 | von Ingrid Müller

Die Operation ist eine wichtige Therapiemöglichkeit bei Prostatakrebs, das beobachtende Abwarten auch. Welcher Mann von der radikalen Prostatektomie besonders profitiert, zeigt eine neue Studie.

Sollen sich Männer mit lokalem Prostatakrebs einer Operation, der radikalen Prostatektomie, unterziehen oder den Krebs einfach nur beobachten lassen? Dies ist manchmal sowohl für die behandelnden Ärzte als auch die betroffenen Männer eine knifflige Frage. Eine Studie schwedischer Forscher bringt jetzt mehr Licht ins Dunkel: Eine Operation bei Prostatakrebs kann das Leben von Männern um fast drei Jahre verlängern. Dies gilt jedoch nicht für jeden Mann, sondern hängt davon ab, wie weit der Prostatakrebs schon fortgeschritten.

Am meisten profitieren Männer mit lokal begrenztem Prostatakrebs von einer Op. Dann ist der Tumor noch auf die Prostata beschränkt und hat die Kapsel noch nicht verlassen. Doch bei lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs ist das beobachtende Abwarten, das watchful waiting, womöglich die bessere Alternative. Zu diesem Schluss kommt eine Langzeitstudie des schwedischen Universitätsklinikums Uppsala. „Viele Männer mit örtlich fortgeschrittenem Prostatakrebs brauchen die Operation nicht“, schreiben die Forscher um Anna Bill-Axelson im renommierten Fachmagazin New England Journal of Medicine (NEJM).  

Operation und Watchful Waiting

Wie eine radikale Prostatektomie abläuft (mit Roboter) und das Watchful Waiting funktioniert.

Nahaufnahme einer OP

 

Operieren oder abwarten bei Prostatakrebs?

An der Studie nahmen 695 Männer aus Skandinavien teil, die zwischen 1989 und 1999 die Diagnose Prostatakrebs erhalten hatten. Nur bei den wenigsten – nämlich zwölf Prozent – war der Krebs frühzeitig aufgrund eines PSA-Tests entdeckt worden. Die Studie war jedoch schon gestartet, bevor der PSA-Test flächendeckend in Skandinavien eingesetzt wurde.

Die Männer wurden per Zufall einer von zwei Gruppen zugeteilt: Die einen erhielten eine radikale Prostatektomie, bei den anderen Männern behandelten Ärzte nur die Symptome im Zuge des watchful waitings. Dann verfolgten die Forscher den Gesundheitszustand der Männer über 29 Jahre bis zum Jahr 2017.

 

Operation bringt fast drei zusätzliche Lebensjahre

Nach diesem sehr langen Beobachtungszeitraum lebten 80 Prozent der Männer nicht mehr. In der Gruppe der Männer mit der radikalen Prostatektomie waren 261 von 347 Männern mittlerweile gestorben, in der watchful waiting-Gruppe waren es dagegen 292 von 348 Männer. Bei 71 Männern der Operationsgruppe und bei 110 Männer der „Beobachtungsgruppe“ war der Tod auf den Prostatakrebs zurückzuführen. Insgesamt erlagen also rund 32 Prozent ihrem Prostatakrebs. Die Mehrzahl der Männer starb jedoch nicht am Prostatakrebs, sondern ihr Ableben hatte andere Gründe.

Die radikale Prostatektomie konnte zwölf Prozent der Männer vor dem Krebstod bewahren, rechneten die Forscher aus. Im Schnitt lebten die operierten Männer 2,9 Jahre länger als jene, bei denen Ärzte nur die Symptome behandelt hatten. In der Gruppe der Operierten stellten die Forscher noch einen anderen Zusammenhang fest: Männer, bei denen der Krebs vor der Op schon durch die Kapsel der Prostata gebrochen war, hatten ein fünfmal höheres Risiko zu sterben als jene, deren Tumor noch auf die Vorsteherdrüse beschränkt war.

Auch die Aggressivität des Prostatakrebses spielte eine Rolle: Ein Gleason-Score von 7 und höher war mit einem zehnmal höheren Sterberisiko verbunden als ein Wert von 6 und darunter. Damit seien sowohl die Ausdehnung über die Kapsel hinaus als auch die Aggressivität des Tumors wichtige Hinweisgeber für das Risiko, am Prostatakrebs zu sterben, schreiben die Autoren.

 

Operation: „Balance zwischen Vorteilen und Nebenwirkungen finden“

Trotz der Diagnose Prostatakrebs erlebten viele Männer in der Studie zeitlebens weder einen schweren Rückfall noch starben sie an ihrer Krebserkrankung. Um die bestmögliche Behandlung herauszufinden, sei es wichtig, „die richtige Balance zwischen den Vorteilen durch die Prostataektomie einerseits und den Nebenwirkungen andererseits zu finden“, so die Forscher weiter. Denn die Operation hat einige unerwünschte Auswirkungen, allen voran die Erektile Dysfunktion und Inkontinenz. Umfragen zeigen, dass Männer unter diesen beiden Nebenwirkungen besonders leiden.

Viele Männer lassen heute ihren PSA-Wert bestimmen. Damit steigt auch die Anzahl der Prostatakrebs-Diagnosen im Vergleich zu früher. Doch viele Männer werden im Lauf ihres Lebens keine schweren oder sogar lebensbedrohlichen Beschwerden entwickeln. „Mehr Männer mit Prostatakrebs sollten aktiv überwacht werden“, fordern die Forscher. „Ärzte sollten den Krebs nur behandeln, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass der Prostatakrebs fortschreitet.“

 

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