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Arbeitsfähigkeit nach Krebs: Fatigue als großer Risikofaktor

31. Juli 2019 | von Ingrid Müller

Die Fatigue nach einer Krebserkrankung ist auch noch mehrere Jahre nach der Behandlung mit einer niedrigeren Arbeitsfähigkeit verknüpft – sie kann die Berufstätigkeit gefährden. Besonders bei psychischen Anforderungen haben Betroffene Schwierigkeiten.

Viele Krebspatienten möchten nach dem Abschluss ihrer Krebsbehandlungen in ihren früheren Beruf zurückkehren zurückkehren. Oft gelingt ihnen dies auch. Allerdings haben sie mit anhaltenden Folgen ihrer Krebserkrankung und der Therapien zu kämpfen, allen voran der Fatigue. Und wer von der lähmenden Müdigkeit und Erschöpfung betroffen ist, beurteilt auch seine eigene Arbeitsfähigkeit niedriger, wie eine neue Untersuchung der Julius-Maximilians-Universität ergab. Die Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus dem Zusammenspiel von persönlichen Voraussetzungen wie der Gesundheit und den individuellen Arbeitsanforderungen.

Fatigue

Lesen Sie, was gegen die Fatigue nach einer Krebstherapie hilft und wie Sie sich besser fühlen! 

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild Fatigue - Schlafender Mann
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Online-Umfrage zur Arbeitsfähigkeit bei Krebs

Die Psychologin-Studentin Antonia Rabe befragte im Rahmen ihrer Masterarbeit ehemalige Krebspatienten anhand eines Online-Fragebogens. Insgesamt nahmen 69 Personen an der Umfrage teil – 91 Prozent waren Frauen. Am häufigsten waren Brustkrebspatientinnen vertreten (68 Prozent). Sieben Prozent der Teilnehmer waren Männer mit Prostatakrebs.

Die meisten Studienteilnehmer hatte mehrere Behandlungen durchlaufen, etwa eine OperationChemotherapie und/oder Bestrahlung. Alle hatten ihre Erstbehandlung bei Krebs schon hinter sich gebracht und arbeiteten (wieder). Die meisten waren im Gesundheitswesen (21 Prozent) tätig und berichteten von überwiegend geistigen Arbeitsanforderungen (75 Prozent). Für die Behandlung und Genesung hatten sie durchschnittlich 41 Wochen lang im Beruf pausiert und diesen vor rund drei Jahren wieder aufgenommen. Nach ihrer Krebserkrankung arbeiteten sie durchschnittlich 4,5 Stunden pro Woche weniger.

 

Bei mehr als der Hälfte leidet die Arbeitsfähigkeit

Rabe analysierte anhand des Fragebogens, wie gut erwerbstätige Krebspatienten mit ihrer derzeitigen Arbeit zurechtkommen und wie sich die Erkrankung auf ihre Arbeitsfähigkeit auswirkt. Die Untersuchung ergab Folgendes:

  • Auch mehr als drei Jahre nach der Behandlung leiden Betroffene unter Fatigue.
  • 43 Prozent der Befragten schätzten ihre aktuelle Arbeitsfähigkeit als „gut“ oder „exzellent“ ein.
  • 56 Prozent gaben an, ihre Arbeitsfähigkeit sei „mäßig“ oder sogar „schlecht“.
  • Tendenziell schienen die Befragten mehr Schwierigkeiten mit der Bewältigung psychischer Arbeitsanforderungen (beispielsweise Konzentration, Unterbrechungen, Lärm) zu haben als mit körperlichen Herausforderungen im Beruf.

Bekannt ist, dass die Fatigue viele (ehemalige) Krebspatienten betrifft. Sie verspüren eine bleierne Müdigkeit und Erschöpfung, die den Körper, Geist und die Seele erfasst. Auch durch ausreichend Schlaf bessert sie sich nicht. „Die Fatigue wurde von den Befragten am häufigsten als größte Einschränkung nach der Rückkehr in den Beruf genannt“, erklärt Rabe. Auf Platz zwei der häufigsten Beschwerden rangierten kognitive Probleme. Dazu gehören Einbußen bei der Konzentration, Aufmerksamkeit, dem Gedächtnis und der Sprache. Oft steht die Fatigue auch mit diesen in Verbindung. Allerdings können kognitive Probleme auch andere Ursachen haben.

Personen, die stärker unter Fatigue litten, bewerteten außerdem ihre psychische sowie körperliche Arbeitsfähigkeit als niedriger. „Jedoch war der Zusammenhang mit der psychischen Arbeitsfähigkeit stärker“, so die Psychologie-Studentin. „Das verdeutlicht nochmals, dass die Fatigue komplexer ist als das Gefühl körperlicher Schwäche und Abgeschlagenheit“.

Fatigue – Sprechstunde + Broschüre

 

Niedrige Arbeitsfähigkeit oft bei Männern und Menschen mit niedrigem Arbeitspensum

Aber nicht nur die Fatigue stand in der Studie mit der Arbeitsfähigkeit in Zusammenhang. Auch Personen, die weniger Stunden pro Woche arbeiten, stuften ihre Arbeitsfähigkeit als niedriger ein. „Ein niedrigeres Arbeitspensum könnte auf eine schlechtere Funktionalität im Beruf hinweisen“, mutmaßt Rabe. Aber auch finanzielle Aspekte können hier in die Beurteilung der eigenen Arbeitsfähigkeit einfließen. Denn: Wer mehr arbeitet, besitzt größere finanzielle Ressourcen. Menschen mit geringerem Arbeitspensum erleben dagegen möglicherweise finanzielle Einschränkungen – und dadurch vermehrt Stress. „Ihr Urteil über die eigene Arbeitsfähigkeit könnte daher niedriger ausfallen“, erklärt Rabe.

Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass Männer ihre Arbeitsfähigkeit im Vergleich zu Frauen als weniger gut bewerteten. „Der Geschlechterunterschied hat mich überrascht“, sagt Rabe. Deshalb fahndete die Studentin in der Stichprobe nach Unterschieden zwischen männlichen Probanden und weiblichen Teilnehmerinnen. So waren die teilnehmenden Frauen signifikant jünger, litten seltener unter zusätzlichen Erkrankungen, nahmen häufiger eine Reha in Anspruch und kehrten erst später in den Beruf zurück. „Diese Faktoren könnten zu einer besseren Genesung beitragen“, mutmaßt Rabe.

Insgesamt sei die männliche Teilnehmerzahl jedoch zu gering gewesen, was die Aussagekraft der Studienergebnisse einschränke. „Man sollte daher den gefundenen Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht überbewerten“, meint Rabe.

 

Fatigue und berufliche Veränderungen

Die Fatigue hängt nicht nur mit der Arbeitsfähigkeit zusammen, sondern auch mit dem Vertrauen in die eigenen beruflichen Fähigkeiten – in die sogenannte Selbstwirksamkeit. So waren Personen mit stärkeren Fatigue-Symptomen weniger zuversichtlich, zukünftige Aufgaben im Beruf bewältigen zu können. Aber: Mit stärkeren Beschwerden scheint die Motivation zu wachsen, die Arbeit eigeninitiativ umzugestalten. „Schlussendlich müssen die Studienergebnisse jetzt in größeren Studien bestätigt werden“, so die Autorin.

Arbeitgeber sollten sich jedoch bewusst sein, dass Krebspatienten eventuell auch noch viele Jahre nach der Diagnose unter Fatigue litten und sich diese auf die Arbeit auswirken könne, betont Rabe. „Auch wenn die Fatigue für Außenstehende schwer nachvollziehbar ist – das Arbeitsumfeld sollte Rücksicht darauf nehmen“. Daneben könnten Betroffene ihre Fatigue auch mit einigen Maßnahmen selbst vermindern – und somit ihre Arbeitsfähigkeit unterstützen.

 

Tipps bei Fatigue

Bekannt ist, dass die Mehrheit der Krebspatienten eine Fatigue erlebt und körperlich, seelisch und geistig erschöpft ist. Bei 20 bis 50 Prozent der Patienten bleibt sie über Monate oder sogar Jahre bestehen. Es gibt jedoch einige Möglichkeiten, wie Krebspatienten ihre Fatigue selbst positiv beeinflussen können. Einige Beispiele:

  • Austausch mit anderen Betroffenen, um die Fatigue zu erkennen und Symptome besser zu benennen. Viele leiden zwar unter bleierner Müdigkeit, wissen aber nicht, was genau dahinter steckt und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Selbsthilfegruppen sind mögliche Ansprechpartner. Zudem bieten einige Krebsberatungsstellen spezielle Tumor-Fatigue-Sprechstunden für Krebspatienten an.
  • Sport und Bewegung: Dass sich körperliches Training positiv auf die Fatigue auswirkt, ist wissenschaftlich nachgewiesen. Daher körperliche Aktivität auch ein wesentlicher Baustein in der Fatigue-Behandlung. Gut sind viel Bewegung im Alltag und ein Ausdauertraining (zum Beispiel Schwimmen, Wandern, Radfahren, Tanzen) in Kombination mit einem maßvollen Krafttraining. Von einer höheren Fitness und Leistungsfähigkeit profitiert vermutlich auch Ihre Arbeitsfähigkeit.
  • Yoga kann ebenfalls einer Fatigue entgegenwirken. Wer schon einmal Yoga gemacht hat, weiß: Die achtsamkeitsbasierten Übungen und Figuren können den Körper fordern und sehr anstrengend sein. Darüber hinaus vertreibt Yoga Stress, sorgt für Entspannung und wirkt sich somit auf die Psyche positiv aus. Womöglich meistern Sie anschließend auch psychische Herausforderungen im Job besser.
  • Zeit- und Energiemanagement: Identifizieren Sie Zeit- und Energiefresser im Beruf und Alltag. Auch besseres Planen hilft. Gut geeignet dafür ist ein Tagebuch, in dem Sie Ihre Aktivitäten notieren und wie viel Kraft Sie dafür aufbringen müssen. So lernen Sie schrittweise, besser mit Ihren Kräften zu haushalten. Vielleicht bewältigen Sie Ihre Aufgaben im Job anschließend auch leichter.
  • Überlegen Sie, ob Sie Ihre Einschränkungen mit Ihrem Arbeitgeber besprechen – Sie können sich offenbaren, sind aber dazu nicht verpflichtet. So können Sie gemeinsam Maßnahmen planen, die Ihnen das Arbeiten erleichtern. Auch informierte Kollegen sind meist hilfsbereit und nehmen Ihnen das eine oder andere ab.

 

Quellen: