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Operation bei Prostatakrebs: radikale Prostatektomie

18. Februar 2022 | von Ingrid Müller
Aktualisiert und medizinisch geprüft am 18.2.2022
Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin

Die radikale Prostatektomie bedeutet, dass Ärztinnen und Ärzte die Prostata samt Prostatakrebs möglichst vollständig entfernen. Lesen Sie, für wen sich die Prostata-Op eignet, wie sie abläuft und welche Vor- und Nachteile sie besitzt.

Kurzüberblick

  • Was ist die radikale Prostatektomie? Eine Entfernung von Prostata, Samenleitern, Samenbläschen und innerem Blasenschließmuskel, manchmal auch Lymphknoten und weiteres Gewebe
  • Alternativen zu OP: Eventuell Strahlentherapie und aktive Überwachung – Möglichkeiten immer mit dem Arzt oder der Ärztin besprechen
  • Ablauf und Dauer: Unter Vollnarkose in einer Klinik, OP dauert meist mehrere Stunden, einige Tage bis zwei Wochen Krankenhausaufenthalt – je nach Gesundheitszustand
  • Verschiedene OP-Techniken – über den Bauch, den Damm, minimal-invasiv, mit Unterstützung eines Roboters
  • Beste OP-Methode? Lässt sich nicht abschließend sagen, weil zu wenige Studien vorhanden sind.
  • Vorteile der Prostatektomie: verbessert Prognose und Heilungschancen – senkt Rückfallrisiko,  Gefahr für Fernmetastasen, Sterblichkeitsrisiko
  • Nachteile der Prostatektomie: Gefahr von Inkontinenz und Erektiler Dysfunktion, selbst bei nervenschonender OP
  • Prostata-OP: ja oder nein? Alle Vor- und Nachteile mit Fachleuten diskutieren, Zweitmeinung einholen, dann Shared Decision Making – gemeinsame Entscheidungsfindung mit dem Arzt oder der Ärztin

Was ist eine radikale Prostatektomie?

Die Entfernung der Prostata – die radikale Prostatektomie – ist eine Behandlungsmöglichkeit für Männer mit frühem Prostatakrebs. Dann ist der bösartige Tumor lokal begrenzt und noch auf die Prostata beschränkt. Er hat noch nicht die Kapsel durchbrochen und auch nicht in benachbarte Lymphknoten oder andere Organe gestreut. Dann sind keine Metastasen nachweisbar, etwa in den Knochen, der Leber oder Lunge. Die radikale Prostataektomie bietet die Chance, dass der örtlich begrenzte Prostatakrebs vollständig heilbar ist. Das heißt: Tumorfreiheit am besten bis zum Lebensende.

Die Operation bei Prostatakrebs kommt aber auch in Frage, wenn der Prostatakrebs schon größer und lokal fortgeschritten ist, also die Kapsel der Prostata durchdrungen hat. Allerdings genügt es in diesen Fällen meist nicht, nur die Prostata zu entfernen. Chirurgen und Chirurginnen schneiden oft zusätzlich mehrere Lymphnoten und Teile des angrenzenden Gewebes heraus. Außerdem folgt im Anschluss oft eine Strahlentherapie, manchmal zusätzlich eine Hormontherapie über einen gewissen Zeitraum. So lässt sich das Rückfallrisiko oft bannen – also die Gefahr, dass der Prostatakrebs zurückkehrt.

Welche Alternativen gibt es zur Prostata-OP?

Bevor Sie sich für oder gegen eine Operation bei Prostatakrebs entscheiden: Besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin immer sämtliche Behandlungsmöglichkeiten. Bei frühem Prostatakrebs gibt es verschiedene Krebstherapien, die eventuell eine Alternative zur OP sein können. Wägen Sie das Für und Wider gemeinsam gut gegeneinander ab. Denn die radikale Prostataentfernung birgt einige Risiken und Spätfolgen.

Mögliche Alternativen:

 

Bestrahlung

Lesen Sie, wie die Strahlentherapie von außen funktioniert und welche Vor- und Nachteile sie hat.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Computertomografie
© okrasyuk/Adobe Stock

Radikale Prostatektomie – Ablauf und Dauer

Die Prostata-Op findet in einer Klinik unter einer Vollnarkose statt. Wichtig ist, dass die OP ein erfahrener Operateur oder eine Operateurin durchführt. Dies beinhaltet zum Beispiel die Durchführung von mindestens 50 Prostatektomien in einer Einrichtung pro Jahr sowie ein entsprechendes Ausbildungsprogramm.

Der Ablauf der Prostata-OP lässt sich ungefähr so beschreiben:

  • Der Patient liegt bei der OP auf dem Rücken – je nach Operationstechnik auch in der sogenannten Steinschnittlage, also mit gespreizten, nach oben abgewinkelten Beinen. Männer mit Hüft- oder Bandscheibenprobleme sollten dies ihren Ärzten schon vorab sagen. 
  • Chirurgen entfernen bei der radikalen Prostatektomie immer die gesamte Prostata samt ihrer Kapsel. Dazu kommen Samenleiter, Samenbläschen und der innere Schließmuskel zwischen Harnblase und Harnröhre. Vermuten Ärzte, dass sich der Prostatakrebs schon weiter „auf den Weg gemacht“ hat, operieren Sie auch die Lymphknoten in der Nähe der Vorsteherdrüse mit heraus. 
  • Der Arzt durchtrennt zudem die Harnröhre, die mitten durch die Vorsteherdrüse verläuft. Die „losen“ Enden der Harnröhre verknüpft er später wieder miteinander.
  • Männer erhalten einen Blasenkatheter. Er bleibt, bis die Nähte zwischen Blase und dem verbliebenen Teil der Harnröhre wieder verheilt sind. So kann der Urin ohne Probleme abfließen. 
  • Die Dauer der Prostata-Oπ beträgt meist mehrere Stunden
  • Nach der Operation werden Patienten noch einige Stunden intensiv überwacht. Danach können sie auf die normale Station.
  • Männer müssen zumindest einige Tage, manchmal aber auch bis zu zwei Wochen in der Klinik bleiben. Wie lange sie tatsächlich in der Klinik bleiben müssen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa Operationstechnik und dem gesundheitlichen Allgemeinzustand.

Ziel der Prostata-Operation ist es, sämtliche Krebszellen zu beseitigen – die Ränder des herausgeschnittenen Gewebes dürfen keine Krebszellen mehr enthalten. Man sagt, der Tumor sei “im Gesunden” entfernt. Ein Pathologe oder eine Pathologin prüft dies im Labor unter dem Mikroskop.

Besonders wichtig ist es für die meisten Männer, dass ihre Harnkontinenz und Erektionsfähigkeit erhalten bleibt. Denn diese leiden bei einer Prostatakrebsoperation besonders oft, wenn Chirurgen die dafür zuständigen Nerven verletzen. Nur erfahrene Operateure sollte die radikale Prostatektomie durchführen, damit das Risiko für eine Inkontinenz und Erektile Dysfunktion möglichst gering ist.

Viele Kliniken operieren heute mit Hilfe eines Roboters als Assistent. Er operiert aber nicht selbstständig, sondern unterstützt den Chirurgen oder die Chirurgin nur bei der Arbeit. 

OP mit Roboter

Der Urologe Dr. Frank Schiefelbein erklärt, wie ein Roboter ihn bei der OP unterstützt.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - High-Tech Operationssaal
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Prostatektomie – welche OP-Methoden gibt es?

Es gibt verschiedene Operationsverfahren und Möglichkeiten, wie der Arzt oder die Ätztin an die Prostata herankommt. Lesen Sie, welche die häufigsten Methoden sowie ihre Vor- und Nachteile sind.

- Retropubische radikale Prostatektomie

  • Über einen Bauchschnitt in der Nähe des Bauchnabels kommt der Arzt an die Prostata heran, das Bauchfell bleibt dabei unangetastet.
  • Die Lymphknoten lassen sich gleichzeitig entfernen.
  • Diese OP-Methode ist jedoch ein offener Eingriff, der mit Komplikationen verbunden ist. Dazu gehören beispielsweise Blutergüsse und Wundinfektionen. Auch verlieren Patienten mehr Blut bei der Operation.

 

- Radikale perineale Prostatektomie

  • Die Prostata wird über einen Schnitt im Damm zwischen dem Hoden und Darmausgang entfernt.
  • Die OP-Technik bedeutet weniger Verletzungen und einen geringeren Blutverlust als bei der retropubischen Variante.
  • Die Nachteile: Muss der Arzt einen Lymphnoten entfernen, braucht er einen weiteren Zugang über den Bauch. Außerdem besteht die Gefahr der späteren Stuhlinkontinenz.

 

- Laparoskopische Prostatektomie

  • Die Laparoskopische Prostatektomie kommt ohne einen größeren Hautschnitt aus.
  • Sie zählt zu den sogenannten minimal-invasiven Verfahren („Schlüssellochchirurgie“).
  • Zugang zur Prostata bekommen Ärzte über den Unterbauch, durch den sie kleine Werkzeuge einführen und bis zur Prostata vorschieben.

 

- Roboterassistierte Laparoskopische Prostatektomie

Ärzte setzen heute in vielen Kliniken Roboter als Helfer ein, um die Prostata zu entfernen. Die Vorstellung, dass Sie mit dem Roboter alleine sind und er Sie ohne Zutun eines Arztes operiert, ist aber falsch! Schätzungsweise 30 Prozent aller Prostatektomien geschehen heute unter Mithilfe eines Roboters. In den USA sind es sogar mehr als 85 Prozent. 

  • Der Zugang zur Prostata gelingt wiederum über den Unterbauch.
  • Der Roboter übersetzt die Bewegungen des Operateurs in noch filigranere Aktionen. Eingebürgert hat sich der Begriff „daVinci-Operation“. Ihren Namen verdankt sie dem am häufigsten eingesetzten Robotersystem.

Beide laparoskopische Methoden bedeuten, dass die operierten Männer weniger Blut verlieren und seltener Bluttransfusionen brauchen. Im Vergleich zur retropubischen Prostatektomie benötigen Sie nach der Prostata-OP weniger Schmerzmittel, tragen den Katheter kürzer und bleiben auch weniger lange im Krankenhaus. Dafür dauert die Operation etwas länger.

Prostata entfernen: Welche OP-Technik ist am besten?

Derzeit lässt es sich nicht abschließend bewerten, welches OP-Verfahren tatsächlich am besten abschneidet, wenn es um das Überleben, die Komplikationsraten, Inkontinenz und Impotenz geht. Die Gründe sind, dass es noch zu wenige aussagekräftige Studien gibt. 

Zudem beeinflussen die Erfahrung und Expertise des jeweiligen Operateurs das Operationsergebnis maßgeblich. Und die Patienten selbst bringen ebenfalls oft Faktoren mit, etwa bestehende Krankheiten, welche die Wahl des Operationsverfahrens beeinflussen. Auch das Alter spielt dabei mit. Die Literatur liefert jedoch Hinweise darauf, die verschiedenen Op-Techniken in erfahrenen Händen vergleichbare Ergebnisse erzielen.

Welche Vorteile hat die radikale Prostatektomie?

Studien ergaben, dass Männer mit einem lokal begrenzten Prostatakrebs unter bestimmten Voraussetzungen besonders von der radikalen Prostatektomie profitieren:

  • Tumorstadien T1b bis T2, N0, M0
  • PSA-Wert unter 50 Nanogramm pro Liter (ng/l)
  • Lebenserwartung von mindestens zehn Jahren

Im Vergleich zum Watchful Waiting (abwartendes Beobachten) senkt die radikale Prostatektomie das Risiko deutlich, dass der Prostatakrebs fortschreitet und sich Fernmetastasen in anderen Organen bilden. Auch das Sterblichkeitsrisiko aufgrund des Prostatakrebses sowie die Gesamtsterblichkeit nehmen ab.

Welche Nachteile hat die radikale Prostatektomie?

Die Entfernung der Prostata beseitigt zwar im besten Fall alle Krebszellen, bringt aber auch einige Nachteile mit sich. Die wichtigsten Folgen der radikalen Prostatektomie und was Sie dagegen tun können:

  • Inkontinenz: Auch wenn Ärzte meist auf beiden Seiten der Prostata versuchen, nervenschonend zu operieren – manchmal verletzen sie Nerven und Blutgefäße, die für die Harnkontinenz wichtig sind. In der Folge verlieren Männer nach der Operation zumindest zeitweise die Kontrolle über ihre Blasenfunktion. Ein muskelstärkendes Kontinenztraining (umgangssprachlich “Beckenbodentraining”) ist eine Möglichkeit, mit der Sie Ihre Blasenfunktion wieder stärken können.
  • Erektile Dysfunktion: Eine Impotenz entsteht ebenfalls, wenn der Arzt Nerven verletzt, die für die Erektion wichtig sind. Hier können Medikamente und andere Hilfsmittel helfen, um die Erektionsfähigkeit zu unterstützen.

 

Selbst eine nervenschonende Op kann riskant sein: Männer haben eventuell ein erhöhtes Rückfallrisiko, weil sich nicht alle Krebszellen erwischen lassen. Wägen Sie daher immer alle Vor- und Nachteil gut gegeneinander ab. Und dann entscheiden Sie, ob Sie dieses Risiko in Kauf nehmen möchten. Das Watchful Waiting schneidet naturgemäß sowohl bei der Inkontinenz als auch der Impotenz besser ab.

Erektile Dysfunktion vermeiden?

Lesen Sie, wie Forscher zukünftig verletzte Nerven nach der Prostata-OP regenerieren wollen. 

Prostata Hilfe Deutschland: Illustration Nervenzellen
© K_E_N/Adobe Stock

Wenn Sie die Prostata enfernen lassen, kann dies weitere Komplikationen und Einschränkungen bedeuten:

  • Lymphödem: Haben Ärzte im Rahmen der radikalen Prostatektomie Lymphknoten entfernt, besteht das Risiko für ein Lymphödem. Dabei lagert sich Flüssigkeit ins Gewebe ein. Die Gefahr eines Lymphstaus ist umso größer, je mehr Lymphbahnen der Arzt im Unterbauch durchtrennt hat. Ein Lymphödem behandeln Physiotherapeuten mittels Lymphdrainage.
  • Zeugungsfähigkeit: Eine radikale Prostatektomie bedeutet für viele Männer, dass sie nicht mehr zeugungsfähig sind. Grundsätzlich haben Sie die Möglichkeit, Spermien vor dem Eingriff einfrieren zu lassen. Manchmal versuchen Ärzte, die Samenzellen noch nach dem Eingriff direkt aus dem Hoden zu gewinnen. Die Erfolgsaussichten sind bei dieser Methode aber schwer abzuschätzen. Manchmal lässt sich der Kinderwunsch aber doch noch ermöglichen.

 

Prostatakrebs-Operation – ja oder nein?

Bevor Sie sich für die radikale Prostatektomie entschieden: Diskutieren Sie alle Behandlungsmöglichkeiten mit Ihrem Arzt oder der Ärztin. Lassen Sie sich das Für und Wider sowie mögliche Alternativen gut erklären. Und: Fragen Sie nach, falls Sie etwas nicht verstanden haben. Geben Sie sich Zeit, um alle Möglichkeiten der Prostatakrebstherapie zu durchdenken.

Wenn Sie unsicher über den Therapievorschlag sind: Holen Sie sich eine Zweitmeinung ein. Dies ist übrigens kein Affront oder mangelndes Vertrauen gegenüber Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, sondern ein normales Vorgehen. Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Ansprechpartnern bieten die Krebsberatungsstellen oder Krankenkassen. 

Treffen Sie Ihre Entscheidung immer gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin – durch Shared Decision Making. Wichtig ist bei Prostatakrebs immer, dass Sie letztlich hinter Ihrer Entscheidung für oder gegen die radikale Prostatektomie stehen.

 

Quellen: