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PSA-Screening: Wie gut wird Mann informiert?
14. August 2019 | von Ingrid MüllerDas PSA-Screening soll Prostatakrebs frühzeitig aufspüren können. Doch Experten diskutieren Chancen und Risiken des PSA-Tests seit längerem. Wie gut klären deutsche Informationsmaterialien Männer darüber auf? Nicht immer ausgewogen und neutral, ergab eine Studie.
Das PSA-Screening zur Früherkennung von Prostatakrebs sorgt seit Jahren für einige Kontroversen unter Experten, denn sein Nutzen ist umstritten. In Deutschland ist der PSA-Test an gesunden Männern, die noch keine Symptome für Prostatakrebs zeigen, keine Routine.
PSA-Test hat zwei Seiten
Die Zwickmühle: Bei manchen Männern gelingt es, anhand des erhöhten PSA-Wertes Prostatakrebs frühzeitig aufzudecken und zu behandeln. Diese Männer profitieren womöglich vom PSA-Screening. Die andere Seite der Medaille: Der PSA-Wert alleine ist nicht aussagekräftig genug. Es besteht die Gefahr von Überdiagnosen und Übertherapien. Männer müssen sich anschließend weiteren Untersuchungen und Behandlungen unterziehen, die sie vielleicht gar nicht gebraucht hätten.
Zudem sind sie unnötig Angst und Schrecken ausgesetzt. "Es darf kein Automatismus sein, dass ein erhöhter PSA-Wert sofort zu einer Biopsie führt. Wir müssen zunächst mögliche Störfaktoren suchen und ausschließen", sagt der Urologe Dr. Frank Schiefelbein.
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Können Männer mündige Entscheidungen zum PSA-Screening treffen?
Die ärztliche Empfehlung lautet: Männer sollten sich ausreichend (mit Hilfe ihrer Ärzte) über den Nutzen und Schaden eines PSA-Tests informieren. Doch wie gut sind solche Informationsmaterialien in Deutschland zum Thema PSA-Screening tatsächlich? Und: Könnten Männer nach deren Lektüre selbst eine informierte, mündige Entscheidung treffen, ob sie einen PSA-Test durchführen lassen oder nicht?
Das wollten Wissenschaftler um Simone Beck von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wissen. „Evidenzbasierte Gesundheitsinformationen können Männer befähigen, informierte Entscheidungen darüber zu treffen, ob sie sich einem PSA-Screening unterziehen oder nicht“, schreiben die Autoren. Daher analysierten sie verschiedene Informationsmaterialien zum PSA-Screening genauer. Ihr Fazit: Alle wiesen Defizite auf. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im renommierten Fachmagazin PLoSOne.
PSA-Screening – 14 Infomaterialien unter der Lupe
Die Wissenschaftler entwickelten einen Katalog von 47 verschiedenen Kriterien, um die Güte der evidenzbasierten Infomaterialien über das PSA-Screening einschätzen zu können. Sie orientierten sich dabei an den Kriterien, die unabhängige Experten bereits für das Darmkrebs-Screening entwickelt hatten. Evidenzbasiert bedeutet, dass die Wirksamkeit in medizinischen Studien untermauert ist und den aktuellen Stand der Wissenschaft widerspiegelt. Im Blick hatten sie besonders, ob die ausgewählten Materialien:
- die Infos zum PSA-Screening medizinisch korrekt und vollständig wiedergaben
- die Vorteile und Nachteile des PSA-Tests gut erklärten
- die Verlässlichkeit und Aussagekraft der PSA-Test richtig angaben
- ausgewogen über die Chancen und Risiken berichteten
- neutral informierten, also keine Empfehlung in die eine oder andere Richtung abgaben
- für Laien gut verständlich waren
- die Informationen anhand von quantitativen (absoluten) Zahlen unterfütterten, zum Beispiel durch Prozentangaben zu Vorteilen, Nachteilen sowie der Sensitivität und Spezifität des Tests. Sonst entstehen schnell Schieflagen und der Leser bewertet den Nutzen höher als die Risiken – oder umgekehrt.
- diese Zahlen in Form von Tabellen oder Grafiken präsentierten
- in einer Sprache verfasst war, die Männer nicht unter Druck setzte, ihnen Angst machte, zum PSA-Test motivierte oder auch davon abhielt
- den Männer sagten, dass eine Entscheidung für das PSA-Screening genauso gut ist wie auf den PSA-Test zu verzichten
PSA-Screening – die Darstellung von Chancen und Risiken
Zwei Experten werteten die Informationsangebote unabhängig voneinander aus. Ein dritter Spezialist überprüfte und diskutierte die Ergebnisse mit ihnen. Ziel war es, zu einer Übereinstimmung zu kommen, falls die Meinungen voneinander abwichen.
Von den 14 Informationsmaterialien:
- listeten zehn (71 Prozent) den Vorteil auf, dass ein regelmäßiger PSA-Test das absolute Risiko senken kann, an Prostatakrebs zu sterben. Die meisten bezogen sich dabei auf zwei große Studien (PLCO und ERSPC). Das absolute Risiko ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis bei einem Menschen in einem bestimmten Zeitraum Zeit eintritt.
- beschrieben drei (21 Prozent) den Einfluss des PSA-Tests auf die Gesamtsterblichkeit richtigerweise so: Keine der Studien konnte nachweisen, dass Männer, die sich PSA-Tests unterzogen, tatsächlich länger lebten.
- Erklärten neun (64 Prozent), dass ein PSA-Test weitere Diagnosemethoden und Untersuchungen nach sich ziehen kann, zum Beispiel eine Biopsie mit der Gefahr von Blutungen und Infektionen.
- Thematisierten nur vier (weniger als ein Drittel) die Gefahr von seelischen Stress und Ängsten durch falsch-positive Testergebnisse. Dann liegt – trotz Hinweisen darauf – doch kein Prostatakrebs vor.
- Beschrieben 13 (93 Prozent) die Risiken der verfügbaren Behandlungen bei Prostatakrebs.
- Erklärten alle Broschüren und Flyer das Risiko von Überdiagnosen und Überbehandlungen genauer, zum Beispiel: „Ärzte können Tumoren finden und behandeln, die den Männer niemals zu Lebzeiten gefährlich geworden wären.“ Prostatakrebs wächst in vielen Fällen langsam. Die möglichen Folgen diese Behandlungen könnten eine Erektile Dysfunktion und Inkontinenz sein.
Infos zum PSA-Screening – anschauliche Zahlen fehlen
Auch die Präsentation der Vor- und Nachteile in Form von Zahlen, die zur besseren Verständlichkeit beitragen, war nicht immer ausreichend gut. Einige Beispiele:
- Nur wenige Infoquellen erklärten die Vorteile und Risiken des PSA-Screenings anhand konkreter Daten und Zahlenangaben.
- In vier Fällen waren die Zahlen nicht in den richtigen Zusammenhang eingebettet: Zwei Quellen berichteten nur die relative Häufigkeit der Vorteile, während zwei andere nur die absolute Häufigkeit der Risiken darstellten.
„Diese quantitative Darstellung der Information ist von größter Bedeutung“, schreiben die Autoren. Wenn man die Vorteile als relative Risikoreduktion in Prozenten angebe, fielen die Zahlen generell höher aus. Wenn man absolute Zahlen bei den Risiken wähle, seien diese grundsätzlich niedriger. Insgesamt vermitteln die Infomaterialen dann den Männern den Eindruck, der PSA-Test besitze enorme Vorteile und vergleichsweise geringe Risiken. „Dies ergibt eine schiefes Bild – und zwar zugunsten eine Teilnahme am PSA-Test“, so die Autoren.
Absolutes Risiko
Das absolute Risiko ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis bei einem einzelnen Menschen innerhalb eines bestimmten Zeitraums eintritt. Der Bereich rangiert zwischen 0 und 1 von „das Ereignis wird überhaupt nicht auftreten“ bis „es wird auf jeden Fall eintreten“. So bedeutet ein absolutes Risiko von 0,6, dass das Ereignis mit einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit auftritt. Von 100 Personen werden also 60 betroffen sein.
Relatives Risiko
Beim relativen Risiko vergleichen Forscher zwei absolute Risiken miteinander. Ein Beispiel: In einer Gruppe mit einer Therapie sind 20 von 100 Teilnehmern gestorben, in der Kontrollgruppe ohne Therapie sind es 30 Personen. Einmal liegt das Risiko bei 0,2, einmal bei 0,3 Prozent. Das relative Risiko ist nun das Verhältnis zwischen diesen beiden Werte: 0,2/0,3 = 0,66. Die Angabe in Prozent lautet als 66 Prozent.
Nicht alle Infos sind ausgewogen und neutral
Dazu kam, dass einige Infomaterialien die gebotene Neutralität und Ausgewogenheit vermissen ließen:
- Drei Informationsangebote machten Werbung für das Screening mit Aufforderungen wie: „Wir möchten Sie ermutigen, ihren Prostata-Check frühzeitig und regelmäßig durchführen zu lassen.“ Eine Quelle sprach sich dagegen ausdrücklich gegen das PSA-Screening aus. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass die Mehrzahl – nämlich elf Infoangebote – neutral informierten.
- Fünf Quellen (36 Prozent) spielten die Risiken des PSA-Tests herunter, zum Beispiel durch folgende Aussage: „Angesichts der Tatsache, dass die Biopsie eine relativ harmlose Prozedur ist, scheint es angemessen, das leicht erhöhte Risiko einer Überdiagnose zu akzeptieren.“
- Drei Infoblätter machten den Männern anhand ihrer Sprachwahl sogar Angst. So fanden die Forscher Statements wie: „An Prostatakrebs zu sterben ist nicht das einzige, was passieren kann… ein langer Weg von Krankheit und Leiden ist nicht ungewöhnlich.“
Sieben Infomaterialen – also die Hälfte – genügten entweder den Anforderungen an Neutralität oder an ausgewogenen Informationen nicht.
Die Hannoveraner Forscher schreiben als Fazit: „Alle untersuchten Materialen weisen Defizite auf, wenn es um die Vorteile des PSA-Screenings geht. Die meisten vergessen zu erwähnen, dass die Auswirkungen auf die Gesamtsterblichkeit unbekannt sind. Alle Broschüren und Flyer beschreiben jedoch die Gefahr von Überdiagnosen. Konkrete Zahlen fehlen fast überall. Und bei der Hälfte lässt zudem die Ausgewogenheit und Neutralität zu wünschen übrig.“
Früherkennung von Prostatakrebs – diese Empfehlungen gelten
Weil Nutzen und Risiken des PSA-Screenings noch unklar sind, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für den PSA-Test nicht. Männer müssen ihn selbst bezahlen. Ärzte empfehlen zur Früherkennung von Prostatakrebs für alle Männer ab 45 Jahren (bei erhöhtem Risiko für Prostatakrebs eventuell schon fünf Jahre früher):
- eine Untersuchung der äußeren Genitalien
- die Tastuntersuchung (digital-rektale Untersuchung)
- ein Beratungsgespräch
Die deutschen S3-Leitlinien zu Prostatakrebs raten zudem Folgendes: Ärzte sollten Männer von 45 Jahren und älter, die noch eine Lebenserwartung von zehn Jahren und mehr haben, über die Chancen und Risiken des PSA-Tests aufklären – aber nur, wenn sie ausdrücklich danach fragen.
Wer also nicht fragt, bekommt auch kein PSA-Screening angeboten. Umso wichtiger ist es, dass sich jeder Mann umfassend über die Chancen und Risiken des PSA-Tests informiert – und erst dann seine Entscheidung trifft.
Quellen
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