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Immuntherapie bei Prostatakrebs – neue Aussicht?

07. Oktober 2020 | von Ingrid Müller

Bei manchen Männern wirkt die Hormontherapie nicht mehr und der Prostatakrebs schreitet weiter voran – er wird kastrationsresistent. Die Immuntherapie könnte zukünftig eine neue Behandlungsmöglichkeit sein und das Überleben verlängern, ergab eine Studie. 

Die Immuntherapie setzen Ärzte heute schon bei verschiedenen Krebsarten ein, zum Beispiel bei fortgeschrittenem schwarzem Hautkrebs oder Lungenkrebs. Im Unterschied zu anderen Krebsbehandlungen wie der Chemotherapie oder Bestrahlung richtet sich die Immuntherapie nicht gegen die Krebszellen selbst und zerstört sie. Vielmehr zielt sie auf das Immunsystem ab und schärft es. Dann kann es sich anschließend wieder selbst gegen die Krebszellen zur Wehr setzen. So wirksam die Immuntherapie bei einigen Krebsarten ist – bei Prostatakrebs waren die Ergebnisse von Studien bisher noch nicht überzeugend.

Eine neue Untersuchung der Medizinischen Universität Wien bringt jetzt einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Immuntherapie bei Prostatakrebs. Bei Männern mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom schritt der Krebs nicht weiter fort und das Überleben der behandelten Männer verlängerte sich. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichten die österreichischen Forscher in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachblatts European Urology.

Kastrationsresistenter Prostatakrebs

Lesen Sie, was ein kastrationsresistenter Prostatakrebs ist und welche Behandlungen helfen!

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild Kastrationsresistenter Prostatakrebs - Mann mit Tabletten in der Hand
© sebra/Adobe Stock

 

Immuntherapie kann das Langzeitüberleben verlängern

An der weltweiten Studie nahmen 799 Männer mit fortgeschrittenem Prostatakrebs teil, deren Krebs nicht mehr auf eine Hormonbehandlung ansprach und somit kastrationsresistent geworden war. Die Männer stammten aus den USA, Kanada, Südamerika, Australien und verschiedenen europäischen Ländern. Nach dem Zufallsprinzip wurden sie in zwei Gruppen eingeteilt. Alle erhielten eine einzelne Strahlentherapie wegen einer oder mehrerer Knochenmetastasen. Danach bekamen sie entweder den Antikörper Ipilimumab oder ein Placebo, das keinen Wirkstoff enthielt (alle drei Wochen, insgesamt viermal). Alle hatten zuvor eine Chemotherapie mit dem Zytostatikum Docetaxel durchlaufen.

Die erste Analyse der Daten ergab keinen statistisch signifikanten Überlebensvorteil bei Männern, die mit der Immuntherapie behandelt worden waren. Die zweite Auswertung zeigte dagegen einen Effekt beim Langzeitüberleben der Männer, welche die Immuntherapie erhalten hatten. Nach drei, vier und fünf Jahren lag es zwei- bis dreimal höher als in der Placebogruppe.

 

Immuntherapie setzt das Immunsystem wieder in Gang

Ipilimumab ist ein sogenannter humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der auf ein Molekül namens CTLA‑4 abzielt. Dieses kontrolliert normalerweise einen bestimmten Teil des Immunsystems, indem es diesen herunterreguliert. „Krebszellen können der körpereigenen Abwehr des Immunsystems entkommen, indem sie CTLA‑4 abschalten“, erklärt der Onkologe Michael Krainer von der MedUni Wien/AKH Wien und vom Comprehensive Cancer Center (CCC). Die Tumorzellen machen sich auf diese Weise für das Immunsystem unsichtbar.

Der Antikörper gegen das CTLA‑4 gehört zu den sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. Er kann diese Abschaltung aufheben und damit diesen Teil des Immunsystems wieder in Gang setzen. „Diese erneut aktivierte Immunreaktion kann dann dem Körper dabei helfen, Krebszellen zu zerstören“, so Krainer weiter.

Der Antikörper Ipilimumab besitzt – wie jedes Medikament – nicht unerhebliche Nebenwirkungen. Sie sind meist auf die gesteigerte Aktivität des Immunsystems zurückführen. Die Nebenwirkungen können viele Organe betreffen, etwa den Verdauungstrakt, die Leber, Haut, das Nervensystem oder Hormonsystem. So können Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Hautausschlag, Juckreiz, Müdigkeit oder verminderter Appetit vorkommen.

Hormontherapie

Die Hormontherapie hilft bei hormonempfindlichem Prostatakrebs. Alles über die antihormonelle Behandlung.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild Hormontheraphie - Spritzen
© Davizro Photography/Adobe Stock

 

Immuntherapie – wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat den Antikörper Ipilimumab schon zur Behandlung von schwarzem Hautkrebs (malignes Melanom), Lungenkrebs und Blasenkrebs zugelassen. Für die Therapie von Prostatakrebs fehlen aber weiterhin noch aussagekräftige Daten, weil die erste Auswertung der Studiendaten keinen signifikanten Überlebensvorteil ergab.

Die neuen Langzeitdaten geben jedoch laut den Forschern vorsichtigen Anlass zur Hoffnung. Krainer sagt: „Die Immuntherapie ist vielversprechend. Sie kann eingesetzt werden, wenn zum Beispiel Chemotherapien ausgeschöpft oder unerwünscht sind.“ Womöglich sei es sinnvoll, frühzeitig mit der Immuntherapie zu beginnen. Denn sie sei umso wirksamer, je weniger Tumor im Körper vorhanden und in je besserem Allgemeinzustand der Patient sei.

Die Forscher versuchen nun, die Immuntherapie in die Behandlung von Prostatakrebs im Rahmen internationaler klinischer Studien zu integrieren und sie weiter zu testen. Sie planen, die Immuntherapie schon vor einer Chemotherapie einzusetzen. Zytostatika sind derzeit bei Männern mit kastrationsresistentem Prostatakrebs der Standard.

 

Kastrationsresistenter Prostatakrebs – wirkungslose Hormontherapie

Bei vielen Männern ist der Prostatakrebs zunächst hormonempfindlich, wächst also unter dem Einfluss des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Dies machen sich Ärzte bei der Hormontherapie zunutze, indem sie die Testosteronproduktion mit Medikamenten unterdrücken. Das Problem dabei ist, dass die Krebszellen mit der Zeit unempfindlich werden und der Prostatakrebs trotz niedriger Testosteronwerte weiter wächst. US-Forscher schätzen, dass in etwa fünf Jahren zwischen zehn und 20 Prozent aller bösartigen Prostatatumoren kastrationsresistent geworden sind.

Ein Hinweis darauf ist ein steigender PSA-Wert bei gleichzeitig geringen Testosteronmengen im Blut. Kastrationsresistenter oder hormonrefraktärer Prostatakrebs sind die Fachbegriffe dafür. Ärzte können nicht genau vorhersagen, wann dies geschieht. Im Schnitt ist der Prostatakrebs ungefähr zwei Jahre nach dem Beginn der Hormontherapie kastrationsresistent geworden. Wenn sich Metastasen gebildet haben, etwa in den Knochen, gilt der Prostatakrebs als nicht mehr heilbar. Ärzte versuchen dann, das Fortschreiten des Tumors zu bremsen, Beschwerden zu lindern, die Lebensqualität zu erhalten und das Überleben zu verlängern. Vielleicht ist auch die Immuntherapie bald eine Möglichkeit dafür.

 

Quellen