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Prostatakrebs – nicht auf Symptome warten!
16. August 2022 | von Ingrid MüllerViele Männer bringen Prostatakrebs mit Beschwerden beim Wasserlassen in Verbindung. Doch das könne fatal sein, warnen britische Forschende. Denn oft wächst ein Prostatakarzinom anfangs ohne Symptome.
Prostatakrebs wächst bei vielen Männern langsam und verursacht zunächst keine Symptome. Männer bemerken also nichts von der Gefahr in ihrer Prostata. Und wer keine Beschwerden hat, sucht meist auch keine Arztpraxis auf. Besonders Männer machen dies so, wie viele Umfragen und Auswertungen von Krankenkassen zeigen. Das Wörtchen „Krebsfrüherkennung“ steckt oft in einer der hinteren Schublade ihres Kopfs – im Gegensatz zu den Frauen, die Früherkennungsuntersuchungen auf Krebs viel öfters und regelmäßiger wahrnehmen.
Dies könne jedoch für Männer fatal sein, warnen jetzt drei britische Forschende von der University of Cambridge in einem Beitrag im Fachmagazin BMC Medicine. Viele Männer kämen erst dann zum Arzt oder zur Ärztin, wenn der Prostatakrebs schon weiter fortgeschritten sei – und das wirke sich wiederum negativ auf die Überlebenschancen aus.
Prostatakrebs: Symptome |
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Irrtum: Probleme beim Wasserlassen als Symptom
Als Grund für die männliche Zurückhaltung bei der Prostatavorsorge haben die Forschenden vor allem einen Faktor ausgemacht: In der öffentlichen Wahrnehmung herrsche die Ansicht vor, dass Probleme beim Wasserlassen eines der Schlüsselsymptome für Prostatakrebs seien. Diese Botschaft verbreiteten auch nationale medizinische Leitlinien, Gesundheitsratgeber und viele öffentliche Gesundheitskampagnen in den Medien, die sich an Männer richteten.
Diese Erzählung, so die Forschenden, sei aber nicht evidenzbasiert, also wissenschaftlich nicht ausreichend nachgewiesen. Dennoch werde an der Verbindung zwischen Prostatakrebs und Problemen beim Wasserlassen weiter in öffentlichen Publikationen festgehalten. Dies sei nicht nur wenig hilfreich, sondern könne jegliche Anstrengungen zunichtemachen, Männer zu einem frühzeitigen Arztbesuch zu ermutigen, kritisieren sie.
Prostatakrebs – oft erst spät entdeckt
Männer mit einem frühen und potenziell noch heilbaren Prostatakrebs verpassen somit womöglich die Chance, dass ihr Prostatakarzinom rechtzeitig entdeckt und ausreichend behandelt wird. In England, so schreiben die Autoren, würde nahezu die Hälfte aller bösartiger Tumore in der Prostata erst in den späten Stadien drei und vier gefunden – das Stadium vier ist das letzte und am weitesten fortgeschrittene Krebsstadium. In Deutschland diagnostizieren Ärztinnen und Ärzte dagegen ungefähr zwei Drittel der bösartigen Prostatatumoren in einem frühen Stadium (UICC I/II), schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) in den Krebsregisterdaten.
„Wenn die meisten Menschen über Prostatakrebs-Symptome nachdenken, dann denken sie an Probleme mit dem Wasserlassen, ständigen Harndrang oder häufigeres Wasserlassen, besonders in der Nacht“, sagt Prof. Vincent Gnanapragasam, Urologe an der University of Cambridge. „Diese falsche Wahrnehmung und dieses Missverständnis haben sich über Jahrzehnte gehalten – trotz relativ geringer wissenschaftlicher Beweisbarkeit. Möglicherweise führt dies dazu, dass wir weniger Frühstadien von Prostatakrebs herausfischen“, so der Urologe weiter.
Prostatakrebs |
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Bei Prostatakrebs ist die Prostata oft klein
Eine gutartige Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie) könne die Probleme beim Wasserlassen verursachen – diese Botschaft steckt oft in öffentlichen Gesundheitspublikationen. Solche Beschwerden beim Wasserlassen sind nur selten auf bösartige Prostatatumoren zurückzuführen. Vielmehr lassen Forschungsergebnisse vermuten, dass die Prostata bei Männern mit Prostatakrebs sogar kleiner ist.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie namens UK Protect Trial ging sogar noch einen Schritt weiter: Sie kam zu dem Schluss, dass das Fehlen von Beschwerden beim Wasserlassen tatsächlich ein Warnsignal für Prostatakrebs sein beziehungsweise eine höhere Wahrscheinlichkeit für diese Krebsart bedeuten könne.
PSA-Test zur Krebsfrüherkennung ist umstritten
Das PSA-Screening ist eine Möglichkeit, Prostatakrebs in einem frühen Stadium zu finden. Dabei bestimmen Ärztinnen und Ärzte die Menge des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut. Dieses Eiweiß stellen nur die Prostatazellen her – gut- und bösartige. Allerdings produzieren Krebszellen deutlich größere Mengen PSA. Ein erhöhter Wert ist also ein Alarmzeichen, das auf Prostatakrebs hindeuten kann – aber nicht zwangsläufig muss.
Denn der PSA-Wert kann auch aus anderen Gründen erhöht sein, die nicht Prostatakrebs heißen. Beispiele: Druck auf die Prostata (beispielsweise Sex, Radfahren, Tastuntersuchung vor der Blutabnahme), aber auch Prostataerkrankungen wie die gutartige Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie) oder Prostataentzündung (Prostatitis).
Alles über PSA | |
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In Deutschland gibt es – trotz kontroverser Diskussionen über die Vor- und Nachteile – kein Screening auf ein Prostatakarzinom. Das Argument, etwa des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG): Der PSA-Test bei gesunden Männer schade mehr als er nutze und bringe nur wenigen Männern Vorteile. Richtig ist zum Beispiel, dass ein flächendeckendes PSA-Screening an gesunden Männern zur Überdiagnosen und Übertherapien führen kann. Daher müssen Männer den PSA-Test im Rahmen der Krebsfrüherkennung auch weiterhin selbst bezahlen.
Der PSA-Test ist als alleiniges Instrument zur Krebsfrüherkennung nicht aussagekräftig genug. Ärzte und Ärztinnen beziehen deshalb im Verdachtsfall immer die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen mit ein, etwa aus dem PSA-Test, der digital-rektalen Untersuchung (Tastuntersuchung, DRU) oder bildgebenden Verfahren wie dem transrektalen Ultraschall (TRUS). Auch die PSA-Dichte spielt eine Rolle, also das Verhältnis aus PSA-Wert und Prostatagröße. Eine höhere PSA-Dichte bedeutet eine größere Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs.
Männer wiegen sich in falscher Sicherheit
Die Forscher möchten durch ihren Artikel mit dem Missverständnis aufräumen, dass Prostatakrebs grundsätzlich Symptome verursacht. Laut einer Studie bringen 86 Prozent der Öffentlichkeit den Prostatakrebs mit Symptomen in Verbindung. Nur ein Prozent weiß, dass ein Prostatakrebs auch ohne Symptome auftreten kann.
„Wir müssen erkennen, dass die in der Öffentlichkeit verbreiteten Informationen ein großes Risiko bergen - nämlich, dass bei den Männern ein falsches Gefühl von Sicherheit entsteht, wenn sie keine Beschwerden beim Wasserlassen haben“, sagt der Urologe Gnanapragasam. „Und wir müssen betonen, dass Prostatakrebs eine stille oder asymptomatische Erkrankung sein kann. Das gilt vor allem für jene Stadien, die potenziell noch heilbar sind.“ Das Warten auf Probleme beim Wasserlassen könne bedeuten, dass Männer eine Chance verspielten – nämlich die Krankheit aufzuspüren, wenn sie noch gut behandelbar sei.
Männer sollen sich um Prostatakrebs-Früherkennung kümmern
Ihr Ratschlag daher: Männer sollten sich nicht scheuen, ihren Arzt oder ihre Ärztin nach Möglichkeiten der Prostatakrebs-Früherkennung zu fragen. Sie sollten sich auch sämtliche Vorteile, Nachteile und Risiken des PSA-Tests erklären lassen und sich selbst darüber informieren. Das gelte besonders, wenn sie ein familiäres Risiko für Prostatakrebs mitbrächten. In manchen Familien kommt Prostatakrebs gehäuft vor.
Viele Urologen und Urologinnen in Deutschland sprechen sich daher auch für einen risikoangepassten PSA-Test aus. Das bedeutet, dass nicht alle Männer ab einem bestimmten Alter nach dem „Gießkannenprinzip“ auf erhöhte PSA-Werte untersucht werden, sondern sie zuerst das individuelle Risikoprofil eines Mannes bestimmen. Konkret: Sie erfragen Risikofaktoren wie einen Prostatakrebs bei Vätern, Brüdern und Großvätern. Der erste PSA-Test findet zwischen dem 45. bis 50. Lebensjahr statt. Dieser PSA-Wert gilt dann als Ausgangswert.
Experten-Interview Der Urologe Dr. Frank Schiefelbein erklärt im Interview, warum ein risikoadaptierter PSA-Test die Zukunft ist und warum man den PSA-Test keinesfalls verteufeln sollte. |
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Keine Symptome heißt nicht krebsfrei
Die Studienautoren plädieren nicht für ein sofortiges Screening-Programm für Prostatakrebs. Sie erkennen auch an, dass Anpassungen in den Botschaften zur Prostatakrebs-Früherkennung mehr Männer dazu bringen könnten, ihre Arztpraxis für einen PSA-Test aufzusuchen – mit dem Risiko von unnötigen Untersuchungen und Behandlungen. Allerdings gebe es Möglichkeiten, um das Risiko dafür zu reduzieren, argumentieren sie. Auch sie sprechen sich für dafür aus, das individuelle Prostatakrebsrisiko eines Mannes zu ermitteln. So könnten risikoadaptierte PSA-Test oder die Magnetresonanztomografie (MRT) „milde“ Krankheitsfälle aufspüren und so dazu beitragen, unnötige Prostatabiopsien zu vermeiden.
„Wir rufen alle Organisation wie das Gesundheitssystem, Patientenorganisationen und die Medien dazu auf, ihre derzeitigen veröffentlichten Botschaften zu überarbeiten“, sagt Gnanapragasam. „Dass Männer keine Symptome haben, heißt nicht notwendigerweise, dass sie krebsfrei sind. Wir könnten Prostatakrebs in früheren Stadien entdecken und die Anzahl jener Männer verringern, bei denen das Prostatakarzinom spät gefunden wird und nicht mehr heilbar ist.“
Prostatakrebs – häufigste Krebsart bei Männern
Prostatakrebs ist in Deutschland der häufigste bösartige Tumor bei Männern. Im Jahr 2018 erhielten laut Robert Koch-Institut (RKI) 65.200Männer neu die Diagnose Prostatakrebs. Das Prostatakarzinom macht bei ihnen ungefähr ein Viertel aller Krebserkrankungen aus. Fast 15.000 Männer starben. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate für Prostatakrebs liegt bei 89 Prozent.
Im Schnitt sind Männer rund 72 Jahre alt, wenn sie an Prostatakrebs erkranken. Das Alter gilt als wichtigster Risikofaktor für diese Krebsart. Aber auch die Gene sowie Lebensstil- und Umweltfaktoren spielen als Ursachen von Prostatakrebs eine Rolle. Daneben können Männer auch schon in jüngeren Jahren an Prostatakrebs erkranken, etwa wenn enge Familienmitglieder betroffen sind. Allgemein ist Prostatakrebs vor dem 50. Lebensjahr jedoch sehr selten.
Quellen:
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