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LDR-Brachytherapie bei Prostatakrebs – gute Prognose, weniger Inkontinenz

30. August 2022 | von Ingrid Müller

Die LDR-Brachytherapie – eine Bestrahlung mit niedriger Dosis von innen – lässt Männer mit Prostatakrebs lange ohne Rückfall überleben. Außerdem ist das Risiko für eine Inkontinenz geringer, ergab eine australische Studie.

Die Low-Dose-Rate-Brachytherapie (LDR) ist eine Bestrahlungsmethode von innen, die sich für Männer mit einem Niedrig-Risiko-Prostatakrebs eignet. Das Prostatakarzinom ist in diesem Fall noch auf die Prostata beschränkt und weniger aggressiv. Die Gefahr ist gering, dass der Tumor schnell wächst und in Metastasen in anderen Organen bildet.  

Die LDR-Brachytherapie nutzt kleine radioaktive Teilchen, sogenannte Seeds (engl. „Samen“), die Ärztinnen und Ärzte in die Prostata implantieren. Die Seeds geben direkt vor Ort ihre Strahlen an die Krebszellen ab, wirken also zielgenau. Daher schonen sie gesundes Gewebe besonders gut. Die innere Strahlentherapie ist eine gute Alternative zur äußeren (perkutanen) Bestrahlung über die Haut und auch zur Operation, der radikalen Prostatektomie.

Brachytherapie – alle Fakten

Erfahren Sie, wie die LDR- und HDR-Braychtherapie genau funktionieren, für welche Männer sie sich eignen, welche Unterschiede es gibt und wie sie ablaufen.   

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Anatomische Illustration der Prostata
© Spectral Design/Adobe Stock

LDR-Brachytherapie mit Seeds

Australische Forscher von der University of Queensland, Brisbane, untersuchten jetzt in einer neuen Studie, wie gut die Langzeitprognose nach einer LDR-Brachytherapie ist. Zudem wollten sie wissen, wie es langfristig um urologische Probleme wie die Harninkontinenz nach der Strahlenbehandlung steht. An der Studien nahmen 400 Männer teil, die an einem Prostatakrebs mit niedrigem und mittlerem Risiko erkrankt waren. 

Die Forscher analysierten im Rückblick einen Zeitraum von fast zwölf Jahren. Sie erfassten Nebenwirkungen wie die Harninkontinenz und das biochemische Fortschreiten des Prostatakrebses, das PSA-Rezidiv. In diesem Fall lässt sich allein anhand des PSA-Wertes auf einen Rückfall (Rezidiv) schließen. Maßgeblich dafür waren die sogenannten „Phoenix Kriterien“. Danach liegt ein PSA-Rezidiv vor, wenn der PSA-Wert mindestens 2 ng/ml über dem Nadir – dem niedrigsten PSA-Wert – nach einer Strahlentherapie steigt.  

Alle 400 Männer waren an einem Prostatakrebs der Stadien T1b bis T2b erkrankt. Sie hatten die LDR-Brachytherapie mit Iod-125-Seeds als einzige Behandlung erhalten. Die Position der Seeds in der Prostatakapsel wurde von einer Software festgelegt und die  Seeds selbst von einem Roboter implantiert.

LDR-Brachytherapie – viele Männer überleben lange krebsfrei

Der Nachbeobachtungszeitraum der Männer betrug mindestens 5,5 Jahre. Im Schnitt wurden die Männer aber über 11,8 Jahre beobachtet. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

  • 85,8 Prozent der Männer waren frei von einem biochemischen Rezidiv nach den Phoenix-Kriterien (PSA ≥ 2 ng/ml über dem Nadir nach der LDR-Brachytherapie). Das waren 343 von 400 Männern.
  • Wenn man einen PSA-Wert von <0.2ng/ml bei mindestens zwei aufeinander folgenden Messungen, der nach einer Operation gilt (chirurgische Definition), zugrunde legt, waren 71 Prozent der Männer frei von Prostatakrebs. Das entsprach 284 von 400 Männern.
  • 297 Männer beobachteten die Forschenden länger als zehn Jahre. In diesem Zeitraum waren 98 Prozent noch am Leben (291 von 297 Männern). 
  • 1,5 Prozent der Männer starben im Beobachtungszeitraum aufgrund ihres Prostatakrebses.

 

PSA-Rezidiv

Manchmal kehrt der Prostatakrebs trotz Behandlung wieder – so erkennen und therapieren Ärzte ein PSA-Rezidiv.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Medizinerhand mit blauem Handschuh hält im Labor eine Blutprobe
© StudioLaMagica/Adobe Stock

Niedriges Risiko für Inkontinenz nach LDR-Brachytherapie 

Auch bei der Inkontinenz, mit der viele Männer nach einer radikalen Prostatektomie zu kämpfen haben, schnitt die LDR-Brachytherapie gut ab – die wichtigsten Ergebnisse:

  • Eine Verengung der Harnröhre (Harnröhrenstriktur) erlebten nur 11 von 400 Männern – das entsprach 2,8 Prozent der Studienteilnehmer.
  • Von den 297 Männern, die mehr als zehn Jahre beobachtet wurden, brauchten nur 22 Männer (7,4 Prozent) eine Inkontinenzhilfe aufgrund einer Stress- oder Dranginkontinenz. Die Dranginkontinenz wurde aber lediglich bei 2,2 Prozent der Männer beobachtet (1 Mann von 46 Männern). Diese Männer hatten sich jedoch vor ihrer LDR-Brachytherapie einer Blasenhalsinzision unterzogen. Die Einkerbung des Blasenhalses kann notwendig sein, wenn der Blasenhals aufgrund von Vernarbungen verengt und dadurch der Harnabfluss gestört ist.

 

LDR-Brachytherapie kann Kontinenz besser erhalten

Die LDR-Brachytherapie sei mit einem sehr guten prostatakrebsspezifischen Überleben verbunden, schreiben die Autoren. Auch das Risiko einer Harnröhrenverengung und Dranginkontinenz sei gering. Eine vorheriger Blasenhalsinzision, um die Verengung des Blasenausflusses zu korrigieren, erhöht das Risiko für die Dranginkontinenz oder Harnröhrenverengung nicht. Damit sei das Überleben ohne biochemische PSA-Rezidiv ähnlich gut wie nach einer radikalen Prostatektomie. Allerdings sei das Risiko für eine Inkontinenz bei der LDR-Brachytherapie geringer. 

Die Autoren machen aber auch eine Einschränkung zu ihrer Studie. So seien viele Männer mit einem Niedrig-Risiko-Prostatakrebs eingeschlossen gewesen, für die heute auch eine aktive Überwachung gut möglich sei. Dabei verzichten Ärzte und Ärztinnen zunächst auf eine Behandlung und kontrollieren den Prostatakrebs nur in engen Zeitabständen. Erst wenn er fortschreitet, beginnen sie mit der Krebstherapie. 

Prostata Hilfe Deutschland: Portraitfoto von Michael Noe

Interview mit unserem Experten für Brachytherapie

Dr. Michael Noe, Stellvertretender Chefarzt und Leitender Oberarzt an der KWM Missioklinik, Würzburg

Herr Dr. Noe, welche Vorteile hat die Brachytherapie gegenüber den konventionellen Krebsbehandlungen?

Die Brachytherapie ist mit weniger Nebenwirkungen verbunden als die äußere Bestrahlung. Sie erspart den Patienten zudem eine größere Operation, also eine radikale Prostatektomie.

Gibt es Patienten, für die eine Brachytherapie überhaupt nicht in Frage kommt?

Ja, zum Beispiel für Männer, die mit dem Wasserlassen schon so starke Beschwerden haben, dass sie eine Restharnbildung haben oder der Harnstrahl zweigeteilt ist.

Ist die Brachytherapie eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen?

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Behandlung. Die Brachytherapie sollte heute keine Zusatzleistung mehr sein. 

LDR- und HDR-Brachytherapie – winzige Strahler

Bei der LDR-Brachytherapie setzten Ärzte und Ärztinnen Strahler mit geringer Reichweite ein. Die Seeds enthalten die radioaktiven Substanzen Jod-125 oder Palladium-103; sie verbleiben im Körper. Jod 125 strahlt ungefähr 60 Tage, Palladium-103 etwa 17 Tage. In Deutschland kommt überwiegend Jod-125 zum Einsatz.  DIe LDR-Brachytherapie ist jetzt in Deutschland auch ambulant in der Arztpraxis möglich.

Folgende Bedingungen sollten erfüllt sein, damit die LDR-Brachytherapie für einen Mann in Frage kommt:

  • Der PSA-Wert sollte unter 10 Nanogramm pro Liter (ng/l) liegen.
  • Der Gleason-Score sollte in der Summe den Wert 6 betragen (er gibt an, wie aggressiv der Prostatakrebs ist)
  • Das Tumorstadium beträgt am besten cT1c bis cT2a

Bei der High-Dose-Rate-Brachytherapie (HDR-Brachytherapie) pflanzen Ärzte oder Ärztinnen dagegen stärkere Strahlenquellen in die Prostata ein, die sie nach wenigen Stunden wieder entfernen. Die Methode heißt auch Brachytherapie mit Afterloading (deutsch: „Nachladeverfahren“). Als Strahlenquelle dient Iridium-192; es gibt eine sehr hohe Strahlendosis ab und besitzt eine sehr kurze Reichweite.

 

Quellen: