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Tastuntersuchung: „Aussagekraft nicht sonderlich beeindruckend"
22. Januar 2024 | von Ingrid Müller
Die Tastuntersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs steht schon länger in der Kritik, auch in Deutschland. Eine Studie aus Wien bestätigte jetzt, dass die digitale-rektale Untersuchung (DRU) beim Prostata-Screening wahrscheinlich verzichtbar ist.
Die Tastuntersuchung (digitale-rektale Untersuchung, DRU) kommt seit vielen Jahren in der Früherkennung von Prostatakrebs zum Einsatz. Diese Untersuchung mit dem Finger ist jedoch bei vielen Männern unbeliebt und oft mit Scham behaftet. Daher gehen viele Männer auch nicht zur Prostata-Vorsorge. Dazu kommt, dass Forschende die Aussagekraft der Tastuntersuchung schon seit längerem anzweifeln. Einige Studien (beispielsweise PROBASE) lassen darauf schließen, dass die DRU alleine zur Früherkennung von Prostatakarzinomen nicht genügt – und als Maßnahme sogar versagt. Die Entdeckungsrate bei Prostatakrebs ist offenbar zu gering, vor allem in einem frühen Stadium.
Dies bestätigte jetzt eine österreichische Studie des Comprehensive Cancer Center Vienna von MedUni Wien und AKH Wien. In einem Screening an gesunden Männern ohne Symptome bringt die Tastuntersuchung keinerlei Vorteile im Vergleich zum PSA-Test. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal European Urology Oncology veröffentlicht.
Abtasten der Prostata Lesen Sie alles über den Ablauf, die Dauer und Aussagekraft der digitalen-rektalen Untersuchung. |
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Früherkennung: DRU entdeckt Prostatakrebs seltener
Die Forschungsgruppe hatte die Wirksamkeit gängiger Untersuchungsmethoden zur Früherkennung von Prostatakrebs genauer in einer Metaanalyse untersucht. Eine Metaanalyse bedeutet, dass bereits veröffentlichte Studien näher unter die Lupe genommen werden, die bestimmte Einschlusskriterien erfüllen. In die österreichische Metastudie wurden insgesamt acht Studien mit 85.738 Teilnehmern eingeschlossen. Die Männer waren zwischen 45 und 98 Jahre alt.
Drei der analysierten Studien fielen in die Kategorie „randomisiert und kontrolliert“. Dies ist die hochwertigste Form einer Studie, um die Effekte von Behandlungen oder Diagnosemethoden zu überprüfen. Fünf Studien waren sogenannte prospektive diagnostische Studien. Dabei wird eine vor dem Beginn der Studie festgelegte Hypothese bezüglich der Wirksamkeit eines diagnostischen Behandlungsverfahrens überprüft – in diesem Fall die DRU und der PSA-Test.
Die wesentlichen Ergebnisse:
- Die Analyse der Daten zeigte, dass die DRU alleine oder in Kombination mit dem PSA-Wert keine bessere Wirksamkeit bei der Früherkennung von Prostatakrebs als der PSA-Test alleine hatte. Die rektale Untersuchung hatte also gegenüber dem PSA-Bluttest keinerlei Vorteile.
- Besonders auffällig war, dass die Tastuntersuchung alleine eine niedrigere Krebsentdeckungsrate (engl. Cancer Detection Rate oder abgekürzt CDR) aufwies als der PSA-Test. Mit dem Finger fanden Ärztinnen und Ärzte den Prostatakrebs also seltener als mit Hilfe eines PSA-Bluttests.
Tastuntersuchung: „Aussagekraft nicht besonders beeindruckend“
Die Ergebnisse wiesen darauf hin, dass die digitale-rektale Untersuchung womöglich nicht die erhoffte Wirksamkeit in der routinemäßigen Früherkennung von Prostatakrebs biete, so das Forschungsteam. Dies gelte vor allem, wenn Männer keine spezifischen Symptome oder Anzeichen hätten, die auf Prostatakrebs hindeuteten. Im frühen Stadium verursacht Prostatakrebs meist keine Symptome. Ansonsten können Probleme beim Wasserlassen auf ein Prostatakarzinom hinweisen. Diese Anzeichen kommen aber auch bei gutartigen Prostataerkrankungen wie der Prostatavergrößerung (Prostatahyperplasie) vor.
„Die Aussagekraft der rektalen Untersuchung bei der Erkennung von Prostatakrebs ist nicht besonders beeindruckend“, erklärt Shahrokh F. Shariat, der Leiter der internationalen Studie. Die Untersuchung besitze nur einen niedrigen diagnostischen Wert. Womöglich sei es nicht notwendig, die DRU als Teil eines Screenings durchzuführen, wenn keine klinischen Symptome und Anzeichen vorhanden seien, so Shariat weiter. Im Klartext: Als routinemäßige Untersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs ist die Tastuntersuchung wahrscheinlich nicht geeignet - und somit im Rahmen eines Prostatakrebs-Screenings verzichtbar.
Dies bestätigt auch der Urologe Dr. Frank Schiefelbein: „Der alleinige Tastbefund genügt auf jeden Fall nicht, um Prostatakrebs zu erkennen. Die Tastuntersuchung kann die Erkrankung nicht zuverlässig in einem frühen Stadium feststellen.“
Prostatakrebsfrüherkennung 2.0 |
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Kassen bezahlen den PSA-Test zur Früherkennung (noch) nicht
Prostatakrebs ist weltweit eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Männern. Allein in Deutschland erkrankten im Jahr 2020 laut den aktuellen Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) 65.820 Männer neu an einem Prostatakarzinom.
Herkömmliche Methoden zur Früherkennung sind die Tastuntersuchung über den Enddarm mit dem Finger und der PSA-Test. In Deutschland bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen bis heute allerdings nur die Tastuntersuchung im Rahmen der Prostatakrebs-Früherkennung. Die Kosten für den PSA-Test übernehmen sie dagegen nicht.
Das wichtigste Argument: Er nütze nur wenigen Männern und richte bei vielen mehr Schaden an. Der PSA-Test sei alleine zu ungenau und mit falsch-positiven Ergebnissen (der PSA kann auch ohne Prostatakrebs erhöht sein), Überdiagnosen und Übertherapien verbunden. In diesem Fall wächst das Prostatakarzinom nur langsam und hätte Männern zu Lebzeiten vermutlich keine Probleme bereitet. Männer unterziehen sich dann Krebsbehandlungen, die sie wahrscheinlich nicht gebraucht hätten.
EU-Kommission: Tastuntersuchung nicht zielführend
In Deutschland ist die Diskussion über die Wirksamkeit und den Nutzen der digitalen-rektalen Untersuchung in der Früherkennung von Prostatakrebs jetzt verstärkt im Gang. Urologen und Urologinnen sprechen sich hierzulande für einen risikoadaptierten PSA-Test aus. Dabei werden individuelle Risiken erfasst und berücksichtigt. Die Prostata-Vorsorge hängt dann vom persönlichen Risikoprofil eines Mannes ab.
Der Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Urologie zum zukünftigen Screening auf Prostatakrebs:
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Die EU-Kommission hatte im Jahr 2022 kritisiert, dass die Tastuntersuchung nicht zielführend sei. Sie hatte die Länder aufgefordert, die Früherkennung von Prostatakrebs neu zu ordnen und ein PSA-Screening voranzutreiben. Urologe Schiefelbein sagt: „Leider sind wir hierzulande bei der Früherkennung auf dem Stand von 1971. Sie beruht alleine auf dem Tastbefund der Prostata.“
Unterstützung gibt es inzwischen auch vom deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Er befürworte es, diese Früherkennung in die von den Kassen bezahlte Früherkennung zu integrieren. "Die wissenschaftliche Grundlage für ein Prostatascreening gerade mit dem PSA-Marker ist sehr stark und überwältigend. Und daher könnte ich mir gut vorstellen, dass sich da jetzt etwas bewegt, sagte Lauterbach gegenüber dem ZDF.
Quellen:
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