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Künstliche Intelligenz: KI diagnostiziert Prostatakrebs sicher
16. August 2020 | von Ingrid MüllerDie Künstliche Intelligenz (KI) kann Prostatakrebs mit hoher Sicherheit identifizieren, ergab eine neue Studie. Aber der speziell trainierte Algorithmus kann noch mehr: Er erkennt weitere Krebsmerkmale, etwa die Größe oder Aggressivität des Prostatatumors.
Die Künstliche Intelligenz – abgekürzt KI oder engl. AI – spielt schon heute in vielen Bereichen der Medizin eine wichtige Rolle – von Apps zu Früherkennung von Krankheiten bis hin zu personalisierten Krebsbehandlungen. Doch wie gut sind Maschinen eigentlich, wenn es um die Diagnostik von Prostatakrebs geht? Forscher des University of Pittsburgh Medical Center (UPMC) fanden jetzt in einer Studie heraus, dass die Künstliche Intelligenz hier ungefähr genauso gut abschneidet wie ein Pathologe. Die KI konnte den Prostatakrebs mit sehr hoher Sicherheit und Genauigkeit erkennen.
Der Algorithmus fand aber nicht nur heraus, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Prostatakrebs vorlag. Vielmehr konnte die KI erstmals zusätzliche Merkmale von Krebszellen erkennen, etwa den Gleason-Score. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin The Lancet Digital Health.
"Menschen sind gut im Erkennen von Veränderungen und Auffälligkeiten. Aber sie bringen individuelle Verzerrungen, Verfälschungen und frühere Erfahrungen mit ein. Maschinen sind dagegen frei von diesen Einflüssen und tragen daher zur Standardisierung in der Medizin bei."
Prof. Rajiv Dhir, Chefpathologe am UPMC und Seniorautor der Studie
KI: Algorithmus auf Prostatakrebs trainieren
Zunächst trainierten die Forscher die Maschine darauf, Prostatakrebs zu erkennen. Sie fütterten den Rechner mit Bildern von mehr als einer Million Gewebeproben der Prostata. Ärzte hatten diese im Rahmen einer Biopsie entnommen. Jede Aufnahme kennzeichneten die Pathologen als „gesund“ oder „krank“. So brachten sie der Künstlichen Intelligenz bei, zwischen normalem und verändertem Prostatagewebe zu unterscheiden. Diesen Algorithmus testen sie anschließend an 1.600 anderen Bildern. Sie stammten von 100 Männer, bei denen der Verdacht auf Prostatakrebs bestand.
Die KI konnte Prostatakrebs mit einer Sensitivität von 98 Prozent und Spezifität von 97 Prozent diagnostizieren. Diese Zahlen seien deutlich höher als bei anderen Algorithmen, die in früheren Untersuchungen bei der Auswertung von Bildern von Gewebeproben getestet wurden.
Die Sensitivität ist ein Maß dafür, zu welchem Prozentsatz ein Test eine vorhandene Krankheit – in diesem Fall Prostatakrebs – tatsächlich erkennt. Das Testresultat ist hier positiv. Die Spezifität gibt dagegen an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Test Gesunde ohne diese Erkrankung – also ohne Prostatakrebs – auch als gesund erkennt. Das Testergebnis ist dann negativ. Je höher beide Werte sind, desto sicherer ist der Test.
Interview mit unserem Experten für Künstliche IntelligenzProf. Dr. Ing. Martin Haimerl, Wissenschaftlicher Direktor Innovations- und Forschungs-Centrum Tuttlingen der Hochschule Furtwangen (IFC) |
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Herr Prof. Haimerl, wo ist der Einsatz der KI bei Prostatakrebs sinnvoll ? Bei den KI-Systemen steht die Diagnostik sehr stark im Vordergrund. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob wir unsere Erkenntnisse auf die Therapien übertragen und diese eines Tages verbessern oder sogar individuell gestalten können. Was ist die beste Operationstechnik oder Medikation für einen Patienten? So kommen wir Schritt für Schritt zu einer individualisierten Medizin. Wird es irgendwann einen Dr. Google oder Dr. KI geben? Ich denke, wir werden das diskutieren müssen. Dr. Google haben wir eigentlich heutzutage schon. Die Leute gehen dorthin und schlagen nach. Natürlich müssen wir uns immer fragen, wie verlässlich die Informationen sind. Im Grunde müssen wir das bei der KI auch tun. Wir müssen nachweisen, dass die KI für den einzelnen Fall eine Verbesserung bedeutet. Wenn ein Patient ein Problem hat, könnte er sagen, die KI hat mich falsch behandelt und ich habe jetzt den Schaden daraus. Bei der Künstlichen Intelligenz stellen sich viele Luc Skywalker und seinen Arm vor -– meinen Sie, die KI führt dorthin? Also davon sind wir noch ein ganzes Stück weit entfernt. Ich sehe die KI als Werkzeug. Wir haben auch in unserer Historie schon immer technische Hilfsmittel eingesetzt, die unsere menschlichen Fähigkeiten übersteigen. Nehmen Sie zum Beispiel den Hammer. Allein mit der Hand hätten wir keinen Nagel einschlagen können, aber mit dem Hammer können wir das. Ich glaube, dafür ist auch die KI da. Wenn wir die komplexen Datenmengen nutzen, um bestimmte Behandlungen besser zu machen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Wir brauchen aber Kontrollmechanismen, damit sich die KI nicht verselbstständigen kann. |
KI erkennt noch weitere Krebsmerkmale
Der Algorithmus habe aber noch weitere Pluspunkte: Neben der Diagnostik eines Prostatakrebses können die Künstliche Intelligenz noch mehr Informationen über die Krebszellen liefern: die Tumorgröße, das Grading (wie ähnlich sind die Krebszellen den gesunden Zellen noch), die Aggressivität (Gleason-Score), das Gleason-Verteilungsmuster oder ob der Krebs angrenzende Nerven befallen habe. Diese Parameter fließen in den pathologischen Befund mit ein und bestimmen über die Behandlung mit.
Zudem erkannt die KI auf sechs Bildern einen Prostatakrebs, den die Pathologen zuvor nicht gefunden hatten. „Das bedeutet jedoch nicht, dass die Maschine den Menschen eindeutig überlegen ist“, erklärt Dhir. So könnte zum Beispiel ein Pathologe im Zuge der Auswertung der Bilder schon genügend Beweise für die Bösartigkeit von Zellen irgendwo anders in den Patientenproben entdeckt haben.
Was sind Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Deep Learning?
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Keinen Prostatakrebs übersehen dank KI
Für weniger erfahrene Pathologen könnte die Künstliche Intelligenz als eine „Ausfallsicherung“ dienen, hoffen die Forscher. Die KI könnte dabei mithelfen, solche Fälle von Prostatakrebs aufzudecken, die sonst womöglich übersehen worden wären. „Algorithmen wie diese sind besonders hilfreich bei Zellveränderungen, die atypisch sind“, sagt Dhir. „Eine Person, die nicht darauf spezialisiert ist, kann hier eventuell keine korrekte Einschätzung liefern. Das ist der größte Vorteil der KI.“
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Auch wenn die Ergebnisse der Studie vielversprechend sind. Die neuen Algorithmen müssten jetzt darauf trainiert werden, verschiedene Arten von Krebs aufspüren zu können. Die pathologischen Marker – also die Charakteristika von Krebszellen – seien zwar von Tumorart zu Tumorart sehr verschieden. Es gebe jedoch keinen Grund, warum die Künstliche Intelligenz nicht auch zum Beispiel bei Brustkrebs funktionieren sollte.
Warum die KI für Pathologen wichtig ist
Die Entwicklung verlässlicher Werkzeuge zur Krebsdiagnostik, die auf dem Einsatz Künstlicher Intelligenz basieren, ist aus verschiedenen Gründen nötig. Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern weltweit – und die Zahlen werden in Zukunft steigen, prognostizieren Experten. Tatsache ist, dass die Bevölkerung – einschließlich der Männer – immer älter wird.
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Für Pathologen bedeutete dies, dass sie immer mehr Gewebeproben analysieren müssen. In den USA sei deren Arbeitsbelastung schon jetzt um 41 bis 73 Prozent gestiegen – und es gebe einen weiteren Aufwärtstrend bei gleichzeitigem Personalrückgang. So werde die Krebsdiagnose oft erst verspätet gestellt und es könnte zu Fehlern in der Diagnostik kommen. Manche Pathologen übersehen einen vorhandenen Prostatakrebs oder stufen den Gleason-Score nicht richtig ein, der Rückschlüsse über die Aggressivität des Tumors zulässt. Hier könnte die KI als „digitaler Assistent“ helfen.
Quellen
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