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Prostatavergrößerung - welche Medikamente helfen?

16. November 2023 | von Ingrid Müller
Aktualisiert und medizinisch geprüft am 16.11.2023
Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin

Medikamente können eine gutartige Prostatavergrößerung wirksam behandeln. Lesen Sie, welche chemischen Arzneimittel es gibt, wie sie wirken und wie gut sie die Symptome bessern können.

Bei einer gutartigen Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie, BPH) setzen Ärztinnen und Ärzte verschiedenste Medikamente ein. Manchmal kombinieren sie auch mehrere Arzneimittel miteinander, um die Wirksamkeit zu verbessern. Medikamente gegen die vergrößerte Prostata besitzen unterschiedliche Wirkungsweisen. Sie können die Symptome bessern, das weitere Wachstum der Prostata bremsen und manchmal sogar die Prostata wieder verkleinern. Neben den chemischen Medikamenten sind auch pflanzliche Arzneimittel erhältlich, die als schonend und gut verträglich gelten. Bei ausgeprägten Symptome sind diese Phytotherapeutika aber nicht geeignet.

Prostata vergrößert

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Prostata Hilfe Deutschland: Pipette und Tropfen in braunes Glas
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Alpha-1-Rezeptorblocker (Alphablocker)

Alpha-1-Rezeptorblocker werden seit mehr als 30 Jahren zur Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung eingesetzt. Andere Namen für diese Medikamente sind  α-Blocker (Alphablocker) oder α1-Adrenozeptor-Antagonisten. Sie können moderate Beschwerden aufgrund der vergrößerten Prostata lindern und helfen dabei mit, dass die Symptome nicht weiter zunehmen. 

Wie wirken Alphablocker?

Man nimmt an, dass die Medikamente die Muskulatur in der Prostata entspannen. Dadurch kann der Harn besser abfließen, die Blase lässt sich leichter entleeren und die Beschwerden nehmen ab. Ausreichend wissenschaftlich bewiesen ist dieser Wirkmechanismus aber noch nicht. Die Medikamente verkleinern die Prostata nicht (sie vermindern nicht das Prostatavolumen) und bremsen auch nicht ihr Wachstum. 

Welche Wirkstoffe gibt es?

In Europa sind aus der Gruppe der Alphablocker mehrere Wirkstoffe zur Behandlung der Prostatahyperplasie zugelassen. Es gibt sie in unterschiedlichen Dosierungen:

  • Alfuzosin
  • Doxazosin
  • Silodosin
  • Tamsulosin
  • Terazosin 

 

Wann tritt die Wirkung ein?

Die Wirkung von Alphablockern tritt relativ schnell ein – innerhalb weniger Stunden bis Tage. Die maximale Wirkung erwarten Ärztinnen und Ärzte innerhalb von zwei bis vier Wochen. Auch scheint die Wirkung von Alphablockern über mehrere Jahre hinweg anzuhalten und sich positiv auf die Symptome auszuwirken.

Verträglichkeit und Nebenwirkungen

Die Verträglichkeit von Alphablockern ist in der Regel gut. Die meisten Männer verspüren nur geringe oder überhaupt keine Nebenwirkungen. Möglich sind jedoch Schwindel, Kopfschmerzen, Schwäche, Kraftlosigkeit oder ein niedriger Blutdruck. Auch ein trockener Samenerguss (retrograde Ejakulation) kann vorkommen. Diese Nebenwirkung verschwindet jedoch wieder, wenn Sie das Medikament absetzen.

Alphablocker lassen sich mit anderen Medikamenten kombinieren, etwa mit 5-Alpha-Reduktase-Hemmern oder Muskarin-Rezeptor-Antagonisten (siehe letzter Abschnitt). 

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5-Alpha-Reduktase-Hemmer (5ARI)

5-Alpha-Reduktase-Hemmer werden ebenfalls bei einer Prostatahyperplasie eingesetzt. Sie heißen auch noch 5-Alpha-Reduktase-Inhibitoren oder abgekürzt 5ARI. Oft kombinieren Ärzte und Ärztinnen Medikamente aus der Gruppe der Alphablocker und 5-Alpha-Reduktase-Hemmer miteinander. 

Sie können die Beschwerden milden, das Risiko für einen akuten Harnverhalt senken und die Wahrscheinlichkeit vermindern, dass eine Operation (z.B. TURP, Laser) notwendig wird. Geeignet sind sie auch für eine Langzeittherapie von mehr als sechs Monaten. 

Wie wirken 5 Alpha-Reduktase-Hemmer?

5ARI bremsen das Wachstum der Prostata und können sogar bewirken, dass sie sich wieder verkleinert. Die Arzneimittel setzen an einem besonderen Enzym an, der sogenannten 5 Alpha-Reduktase. Dieses hilft dabei mit, das männliche Geschlechtshormon Testosteron in der Prostata in seine aktive Form – das Dihydrotestosteron (DHT) - umzuwandeln. DHT gilt als Hauptverursacher der Prostatavergrößerung. 5 Alpha-Reduktase-Hemmer blockieren das Enzym 5α-Reduktase. 

Die Medikamente verringern die Größe der Prostata um 18 bis 28 Prozent. Außerdem halbieren sie die PSA-Werte nach einer Behandlungsdauer von sechs bis zwölf Monaten. Dieser Punkt ist wichtig, weil Ärztinnen und Ärzte den PSA-Wert in der Diagnostik von Prostatakrebs mit heranziehen. 

Welche Wirkstoffe gibt es?

Es gibt zwei Wirkstoffe, die Ärztinnen und Ärzte schon lange zu Therapie einer vergrößerten Prostata einsetzen: Dutasterid und Finasterid. Beide Wirkstoffe können auch Männern mit erblich bedingtem Haarausfall helfen.

Wann setzt die Wirkung ein?

Die Wirkung der 5 Alpha-Reduktase-Hemmer setzt langsamer ein als die der Alphablocker. Bis die Finasterid und Dutasterid wirken, dauert es mehrere (drei bis sechs) Monate. Bei Alphablockern sind es dagegen nur wenige Stunden oder Tage. 

Außerdem hängt die Wirksamkeit der 5ARI von der Prostatagröße vor dem Beginn der Behandlung ab. Studien zeigten, dass sie erst ab einem Prostatavolumen von mindestens 40 cm³ wirken.  Bei Alphablockern spielt die Größe der Prostata dagegen keine Rolle.

Verträglichkeit und Nebenwirkungen

5-Alpha-Reduktase-Hemmer können einige Nebenwirkungen verursachen. Am häufigsten beeinträchtigen sie die Sexualfunktion. Möglich sind eine erektile Dysfunktion, gestörte Ejakulation und eine verminderte Libido. Dieses Risiko für Störungen der Sexualfunktion steigt weiter, wenn die Medikamente mit Alphablockern kombiniert werden. Wenn Männer Finasterid oder Dutasterid absetzen, klingen die Störungen meist wieder ab.

Außerdem entwickeln manche Männer nach der Einnahme von5-Alpha-Reduktase-Hemmern  ein sogenanntes „Post-Finasterid-Syndrom“, das eigentlich „Post-5-ARI-Syndrom“ heißen müsste. Denn: Es lässt sich bei der Einnahme von Dutasterid und Finasterid ähnlich oft beobachten. Dabei können Störungen der Sexualfunktion, Psyche und der Kognition (z.B. Aufmerksamkeit, Denken, Wahrnehmung) auftreten. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass während der Einnahme von 5ARI häufiger Typ-2-Diabetes neu diagnostiziert wird.

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Muskarinrezeptorantagonisten (MRAs)

Muskarin-Rezeptor-Antagonisten (MRAs) heißen in der Fachsprache auch Antimuskarinika oder m-Cholinozeptor-Antagonisten. Medikamente aus dieser Gruppe setzen nicht an der Prostata selbst an, sondern an der Harnblase. Sie können Männern mit mittelschweren bis schweren Symptomen der unteren Harnwege helfen, die Probleme mit Blasenspeicherung haben (nicht mit der Blasenentleerung).

Wie wirken Muskarinrezeptorantagonisten?

Medizinische Fachleute unterscheiden insgesamt fünf Typen von Muskarinrezeptoren im menschlichen Körper – von M1 bis M5. Diese sind in verschiedenen Organen in unterschiedlichen Mengen verteilt, zum Beispiel in Gehirn, Herz, Gefäßen, Augen, Speicheldrüsen, Darm und Haut. In der Harnblase befinden sich hauptsächlich Muskarinrezeptoren der Typen M2 und M3.

Muskarinrezeptorantagonisten dämpfen die Aktivität der Blasenmuskulatur. Manche Männer mit einer gutartigen Prostatavergrößerung profitieren von Antimuskarinika, weil sie oft zusätzlich unter einer überaktiven Blase leiden. Dabei zieht sich die Blasenmuskulatur unwillkürlich zusammen und sie müssen häufig und plötzlich zur Toilette – auch nachts. An erholsamen Schlaf ist so oft nicht zu denken. 

Welche Wirkstoffe gibt es?

In Deutschland sind mehrere  Wirkstoffe aus der Gruppe der Muskarinrezeptorantagonisten bei einer überaktiven Blase zugelassen. Es gibt sie in Form verschiedenen Dosierungen und Darreichungsformen, zum Beispiel als Tabletten oder Pflaster. Beispiele für Wirkstoffe sind:

  • Darifenacin
  • Fesoterodin
  • Oxybutynin
  • Propiverin
  • Solifenacin
  • Tolterodin
  • Trospium

 

Verträglichkeit und Nebenwirkungen

Muskarinrezeptorantagonisten verursachen meist nur milde Nebenwirkungen. Dazu gehören zum Beispiel Mundtrockenheit, Verstopfung, Probleme beim Wasserlassen, Symptome wie bei einer Erkältung und Schwindel. Daneben fanden einige Studien Hinweise darauf, dass MRAs bei längerer Anwendung die Kognition (z.B. Denken, Wahrnehmung, Merkfähigkeit) beeinträchtigen. Ärztinnen und Ärzte sollte Antimuskarinika daher nur mit Vorsicht verschreiben und ihre Wirksamkeit bei einem Mann regelmäßig neu bewerten.

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Phosphodiesterase-5 Hemmer (PDE- 5-Inhibitoren)

Phosphodiesterase-5 Hemmer heißen auch noch Phosphodiesterase-5-Inhibitoren oder abgekürzt PDE-5-Hemmer (-Inhibitoren). Dies sind eigentlich Medikamente zur Behandlung der Erektilen Dysfunktion. Sie können aber auch die Symptome bei einer gutartigen Prostatavergrößerung mildern. Allerdings sind manche PDE-5-Hemmer nicht für die Behandlung der benignen Prostatahyperplasie zugelassen. Ärzte und Ärztinnen setzen sie bei bestimmten Männern im sogenannten "off label use" ein. 

Wie wirken PDE-5-Hemmer?

PDE-5-Inhibitoren hemmen ein Enzym namens Phosphodiesterase 5. Dieses Enzym kommt in den glatten Muskelzellen der Gefäße vor. Über verschiedene Prozesse wird die glatte Gefäßmuskulatur entspannt, zum Beispiel im Bereich des unteren Harntrakts. Die Blutgefäße in der Prostata und Harnblase erweitern sich, die Durchblutung verbessert sich und die Sauerstoffversorgung steigt. 

Außerdem beeinflussen PDE-5-Hemmer die Nerven, die für den Harnreflex zuständig sind, besitzen eine wachstumshemmende Wirkung auf die Blase und Prostata und wirken antientzündlich. Insgesamt wirken sich PDE-5-Inhibitoren positiv auf die Symptome einer gutartigen Prostatavergrößerung aus. Als Einzeltherapie können sie die Symptome einer gutartigen Prostatavergrößerung ähnlich gut reduzieren wie Alphablocker. Wenn Männer gleichzeitig unter einer Erektilen Dysfunktion leiden, haben PDE-5-Hemmer einen Vorteil gegenüber den Alphablockern. 

Welche Wirkstoffe gibt es?

In Europa sind drei verschiedene PDE-5-Hemmer zugelassen:

  • Vardenafil: Der Wirkstoff besitzt eine Zulassung für die Behandlung der Erektilen Dysfunktion. 
  • Sildenafil: Der Wirkstoff wurde ursprünglich zur Therapie von Bluthochdruck entwickelt. Aufgrund seiner erektionsfördernden Wirkung kommt Sildenafil heute in der Behandlung der Erektilen Dysfunktion zum Einsatz, auch im Zusammenhang mit der gutartigen Prostatavergrößerung. 
  • Tadalafil: Der Wirkstoff besitzt als einziger eine Zulassung für die Behandlung des gutartigen Prostatasyndroms (zusätzlich als Potenzmittel und als Bluthochdruckmedikament).

 

Verträglichkeit und Nebenwirkungen

PDE-5-Hemmer gelten insgesamt als gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schwindel und Magen-Darm-Probleme (Verdauungsstörungen).

β3-Agonisten

β3-Adrenozeptor-Agonisten oder kurz β3-Agonisten sind eine Gruppe von Medikamenten, deren Wirksamkeit und Verträglichkeit bei einer überaktiven Blase gut untersucht sind. Die Leitlinien zur überaktiven Blase empfehlen β3-Agonisten zur Behandlung. Allerdings fehlen noch aussagekräftige Studien, ob sie auch Männern mit einer gutartigen Prostatavergrößerung helfen können. Daher gibt die aktuelle Leitlinie zum Prostatasyndrom keine Empfehlung zur Anwendung von β3-Agonisten.

β3-Agonisten aktivieren bestimmte Andockstellen (Rezeptoren) der Blasenwand, die sogenannten Beta-3-Rezeptoren. Sie bewirken auf diese Weise, dass sich die Blasemuskulatur entspannt und die Harnpeicherfunktion verbessert.

In Deutschland ist aus dieser Wirkstoffgruppe nur der Wirkstoff Mirabegron verfügbar. Außerhalb Europas gibt es noch den Wirkstoff Vibegron für die überaktive Blase.

Kombinierte Medikamente bei Prostatavergrößerung

Medikamente gegen die vergrößerte Prostata lassen sich auch miteinander kombinieren. 

Einige Beispiele:

  • Alphablocker und 5-Alpha-Reduktase-Hemmer: Eine Langzeitbehandlung von mehr als zwei Jahren kann das Fortschreiten der Prostatavergrößerung bremsen. Geeignet ist die Kombination für Männer mit einem höheren Risiko, dass die Prostata weiter wächst und bei einem Prostatavolumen ab  40 cm3.
  • Alphablocker und Muskarinrezeptorantagonisten: Diese Kombinationstherapie kann Männern helfen, bei denen eine Einzeltherapie mit Alphablockern keinen oder nicht den erwünschten Erfolg gebracht hat. Außerdem müssen Symptome bei der Blasenspeicherung im Vordergrund stehen. 
  • Alphablocker und PDE-5-Hemmer: Die Kombination mit einem PDE-5-Hemmer  ist der Einzeltherapie mit einem Alphablocker geringfügig überlegen, wenn es um die Reduktion der Symptome einer gutartigen Prostatavergrößerung geht. Klinisch bedeutsam ist dieser Effekt jedoch nicht. 
  • 5-Alpha-Reduktase-Hemmer und PDE-5-Hemmer: Diese Kombination zur Behandlung eines gutartigen Prostatasyndroms hat einen moderat positiven Zusatzeffekt auf die Symptome, der aber klinisch nicht relevant ist. Allerdings verbessert die Kombination der Medikamente  die erektile Funktion deutlich. 5ɑ-Reduktasehemmer verursachen nämlich als Nebenwirkung eine Erektile Dysfunktion. Diese kann die Kombinationstherapie abmildern.
  • Alphablocker und β3-Agonisten: Eine Kombinationstherapie aus Mirabegron und ɑ-Blocker können Ärzte und Ärztinnen Männern anbieten, deren Blasenspeichersymptome während einer Einzeltherapie mit Alphablockern andauern.  Diese Symptome bessern sich, aber nicht die Beschwerden aufgrund der Prostatavergrößerung. 
  • Muskarinrezeptorantagonisten und β3-Agonisten: Diese Kombination ist nicht empfohlen, weil noch Studien zur Wirksamkeit bei einer Prostatahyperplasie fehlen. 

 

Quellen: