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Corona-Impfung bei Prostatakrebs: "Wir können vor dem Coronavirus nicht weglaufen"
14. Juli 2021 | von Ingrid MüllerJeder Mann mit Prostatakrebs sollte sich gegen Corona impfen lassen. Der Urologe Dr. Frank Schiefelbein erklärt im Interview, warum die Corona-Impfung bei Krebs wichtig ist, welcher Impfstoff in Frage kommt, wann der beste Zeitpunkt fürs Impfen ist und wie er zweifelnde Männer überzeugt.
Herr Dr. Schiefelbein, Ärztinnen und Ärzte raten Menschen mit einer Krebserkrankung grundsätzlich dazu, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen – auch bei Prostatakrebs. Warum?
Menschen mit einer Krebserkrankung sind schon allein durch ihre Krankheit immunologisch geschwächt. Sie brauchen ganz allgemein einen besonderen Schutz vor schweren Infektionskrankheiten wie Covid-19. Deshalb raten wir ihnen sowohl zur Grippeschutzimpfung als auch zur Corona-Impfung. Die neuen Impfstoffe gegen Covid-19 erzielen einen sehr zuverlässigen Impfschutz von mehr als 90 Prozent.
Krebspatienten gewinnen damit die Sicherheit, vor einer schweren Infektionskrankheit geschützt zu sein, die womöglich einen Krankenhausaufenthalt und einschneidende Therapien wie eine künstliche Beatmung mit sich bringt. Die Behandlung auf einer Intensivstation, die auch mit einem hohen Sterberisiko verbunden ist, lässt sich durch die Corona-Impfung in aller Regel vermeiden.
Corona-Impfung: FAQ |
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Gibt es Männer mit Prostatakrebs, die sich nicht gegen Corona impfen lassen sollten oder können?
Ihre Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, leider! Es gibt einige Prostatakrebspatienten, bei denen zumindest Vorsicht bei der Corona-Impfung geboten ist. Dazu gehören zum Beispiel Männer, die derzeit aufgrund ihres Prostatakarzinoms eine Chemotherapie erhalten. Die verabreichten Zytostatika sind Zellgifte, die Krebszellen, aber auch gesunde Zellen angreifen, zum Beispiel Immunzellen. Daher schwächt die Chemotherapie das Abwehrsystem zusätzlich. Dagegen ist eine Hormontherapie, bei der wir dem Körper das männliche Sexualhormon Testosteron entziehen, alleine noch kein Hinderungsgrund für die Corona-Impfung.
Die behandelnden Urologen oder Onkologen prüfen bei jedem Mann individuell, ob sein aktueller Gesundheitszustand eine Corona-Impfung erlaubt. Ausschlaggebend für uns ist, wie gut ein Mann körperlich beieinander ist. Jeder Mann mit Prostatakrebs sollte sich ärztlich beraten lassen, ob die Impfung in seinem Fall möglich ist. Dieser Ratschlag gilt übrigens für alle Krebspatienten und -patientinnen.
Prostatakrebs ist nicht gleich Prostatakrebs – manche Tumoren gelten als eher harmlos und befinden sich im Frühstadium, während andere aggressiv und weiter fortgeschritten sind. Spielt der „Fingerabdruck“ des Krebses für die Corona-Impfung eine Rolle?
Dafür muss ich ein bisschen ausholen. Die jeweiligen Charakteristika des Prostatakrebses spielen insofern eine Rolle, weil sie die Therapiewahl maßgeblich beeinflussen. Je weiter der Tumor fortgeschritten ist, desto intensivere Behandlungen sind nötig – und diese können eben auch das Immunsystem schwächen. Die Eigenschaften des Krebses – ob langsam oder schnell wachsend - wirken sich also eher indirekt durch die notwendigen Behandlungen auf die Corona-Impfung aus.
Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Hat ein Mann Prostatakrebs im Frühstadium und ist er ansonsten gesund, liegen die Risiken der Corona-Impfung nicht höher als in der Normalbevölkerung. Anders ist es bei Männern mit einem aggressiven Prostatakarzinom. Sie müssen sich meist tiefgreifenderen Therapien unterziehen, etwa einer Chemotherapie. Die behandelnden Ärzte prüfen daher immer sorgfältig jeden Fall und wägen ab, ob die Corona-impfung möglich ist oder nicht.
Corona und Covid-19 Alle Fragen und Antworten zu Corona und Covid-19. Außerdem: Wie die Hormontherpie vielleicht vor Covid schützen kann. |
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Wenn die Chemotherapie das Immunsystem zusätzlich schwächt – wie steht es dann um die Corona-Impfung bei diesen Männern?
Die Art der Prostatakrebs-Behandlung kann entscheidenden Einfluss auf den aktuellen Gesundheitszustand eines Patienten nehmen. Unter einer Chemotherapie kann das Immunsystem derart geschwächt sein, dass betroffene Männer die Covid-Impfung auf jeden Fall zeitlich mit ihren Ärzten abstimmen müssen. Sie sollten sich nicht einfach zu einem selbst gewählten Zeitpunkt und ohne Wissen des behandelnden Arztes gegen Corona impfen lassen.
Es gibt verschiedene Corona-Impfstoffe – Vektor-Impfstoffe mit bekannten Wirkprinzipien und die neu entwickelten mRNA-Impfstoffe, die ganz anders funktionieren. Welcher Impfstoff eignet sich für Männer mit Prostatakrebs am besten?
Wir wissen, dass wir sowohl mit den Vektor- als auch die mRNA-Impfstoffen einen über 90-prozentigen Impfschutz erreichen. Das heißt: Alle Impfstoffe können verhindern, dass ein Mensch schwer an Covid-19 erkrankt. Sie vermeiden, dass ein Mensch eventuell ins Krankenhaus oder sogar beatmet werden muss. Auch das Risiko, andere mit dem Coronavirus anzustecken, vermindert sich dank der Corona-Impfung deutlich.
Meine Erfahrung ist, dass viele Ärzte und auch die Patienten derzeit den neu entwickelten mRNA Impfstoff bevorzugen, weil er ein günstigeres Nebenwirkungsspektrum besitzt.
Die Corona-Impfung besitzt einige Nebenwirkungen – von Kopfschmerzen bis Fieber und Schüttelfrost. Müssen Männer mit Prostatakrebs mit stärkeren unerwünschten Wirkungen rechnen?
Die Nebenwirkungen einer Corona-Impfung sind in aller Regel gering. Und sie sind zeitlich begrenzt. Innerhalb kurzer Zeit gehen sie meist von selbst wieder vorüber. Das muss man sich immer deutlich vor Augen halten. Ärzte und Ärztinnen können das persönliche Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen gut abschätzen. Ich kann jedenfalls sagen, dass Männer mit Prostatakrebs nicht mit stärkeren unerwünschten Nebenwirkungen rechnen müssen als andere Menschen.
Wenn die Immunantwort nach der Corona-Impfung aufgrund eines geschwächten Immunsystems weniger stark ausfällt, dann schützt der Impfstoff auch nicht genügend. Wie wirksam ist die Impfung dann überhaupt?
Die Immunantwort auf eine Impfung kann tatsächlich von Mensch zu Mensch verschieden stark ausfallen. Auch bei der Corona-Impfung ist das so. Der Schutz, den ein Patient durch die Covid-Impfung erhält, ist bei einer bestehenden Krebserkrankung aber besonders wichtig. Die Stärke der Immunantwort können wir übrigens in den Wochen und Monaten nach der Corona-Impfung durch einen Antikörper-Test kontrollieren. Er zeigt, ob die bestehende Immunabwehr noch ausreicht, um gut gegen das Coronavirus gewappnet zu sein.
Was sagen Sie Menschen, die gute Hygienemaßnahmen für ausreichend und eine Impfung für überflüssig halten?
Also dazu habe ich eine ganz klare Haltung: Natürlich kann in dieser lebensgefährlichen Pandemie auch jeder Mensch selbst etwas zum Schutz beitragen, indem er sich umsichtig verhält: Abstand halten, Hände desinfizieren, Maske tragen. Die meisten haben diese AHA-Regeln ja schon seit Monaten verinnerlicht. Doch die Corona-Impfung ist die einzige Möglichkeit, um diesen Schutz weiter zu optimieren.
Wann ist denn der beste Zeitpunkt für die Corona-Impfung – vor, während oder nach der Krebsbehandlung?
Es gibt nicht ‚den einen idealen' Zeitpunkt für die Corona-Impfung, der für alle Krebspatienten passend ist. Menschen mit einer behandlungsbedürftigen Krebserkrankung gehören gemäß der Priorisierung, die wir in Deutschland richtigerweise vorgenommen haben, zur Stufe zwei. Ziel ist es, dass Krebspatienten möglichst frühzeitig eine Corona-Impfung bekommen, damit sie keinen schweren Erkrankungsverlauf erleiden.
Es gibt auch keine Umstände und Faktoren, die eine Impfung gegen Covid-19 generell unmöglich machen. ‚Kontraindikationen‘ sagen wir Mediziner dazu. Prinzipiell können wir sogar während einer laufenden Krebstherapie impfen. Die behandelnden Ärzte kennen jedoch den Gesundheitszustand ihres Patienten am besten. Sie können das Risiko einer Corona-Impfung abwägen und dann den besten Zeitpunkt dafür aussuchen.
Manche glauben, dass es mit einer einmaligen Impfung gegen Corona schon getan sei – und verzichten auf den zweiten Piks.
Dieser Annahme kann ich nur widersprechen, und zwar sehr entschieden! Derzeit kursiert in Deutschland ja die Delta-Variante des Coronavirus, die noch weitaus ansteckender ist. In vielen Ländern dominiert sie schon und wahrscheinlich wird sie sich auch in Deutschland durchsetzen. Jedenfalls lassen dies Analysen vermuten. Um sich vor dieser Mutation zu schützen, ist es wichtig, dass die Menschen ihre zweite Impfung unbedingt wahrnehmen.
Kann die Corona-Impfung einen vorhandenen Prostatakrebs beeinflussen, zum Beispiel die Krebserkrankung wieder zum Ausbruch bringen? Theorien wie diese kursieren ja gehäuft im Internet und in den sozialen Netzwerken.
Ja, es gibt leider viele kuriose Theorien dazu, die allesamt wissenschaftlich nicht belegt sind. Dazu kann ich nur sagen: Wir haben derzeit keinerlei Hinweise darauf, dass die Corona-Impfung den Krankheitsverlauf bei einer Krebserkrankung verschlechtern würde. Auch schwerwiegende und nachhaltige Impfreaktionen sind Gottseidank sehr selten.
Wenn wir die beiden Gefahren gegeneinander abwägen – den schweren Verlauf von Covid-19 gegen die allgemeinen Impfrisiken – dann würde ich immer der Impfung den Vorzug geben. Wir möchten bei unseren Krebspatienten vermeiden, dass sie einen schweren Verlauf von Covid-19 erleben – das steht für uns im Vordergrund. Hier wiederhole ich mich gerne: Männer mit Prostatakrebs sollen sich individuell durch ihren Arzt informieren und aufklären lassen.
Bestimmt gibt es auch einige Impfskeptiker unter Ihren Prostatakrebspatienten, die den neuen Impfstoffen nicht über den Weg trauen. Wie überzeugen Sie diese?
Wer sich unsicher bezüglich der Corona-Impfung fühlt, sollte sich immer seinem Arzt oder seiner Ärztin anvertrauen und diese Fachpersonen um Rat fragen. Sie können den aktuellen Gesundheitszustand und das individuelle Impfrisiko am besten beurteilen. Und dann rate ich dazu, sich grundsätzlich nur bei seriösen Quellen im Internet informieren. Wir empfehlen zum Beispiel die Internetseiten des Robert Koch-Instituts, der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie sowie des Krebsinformationsdienstes des deutschen Krebsforschungszentrums DKFZ.
Experten-Interview Der Urologe Dr. Frank Schiefelbein erklärt im Interview, warum wir mit dem Coronavirus leben müssen. |
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Ärztliche Aufklärung oder Informationen aus dem Internet - nicht jeder wird sich gegen Corona impfen lassen. Und dann?
Wir alle werden uns eines Tages immunisieren – entweder durch die Corona-Impfung oder durch eine Infektion. Wir können vor dem Virus nicht weglaufen. Wer nicht geimpft ist, wird unweigerlich irgendwann mit dem Coronavirus in Kontakt treten – und sich somit der Gefahr einer Infektion aussetzen. Also plädiere ich für die Impfung! Denn nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ist das Risiko durch eine Impfung deutlich geringer einzuschätzen als die Gefahr, sich mit Corona anzustecken und damit einen schweren Erkrankungsverlauf zu riskieren.
Wie geht es aus Ihrer Sicht weiter mit der Corona-Pandemie?
Das Coronavirus ist jetzt in der Welt und wird – wie auch das Grippevirus – nicht mehr komplett verschwinden. Und leider wird das Coronavirus – wie alle anderen Viren auch – weitere Mutationen mit unterschiedlichen Eigenschaften hervorbringen. Diese genetischen Veränderungen des Coronavirus machen eine regelmäßige Anpassung der Corona-Impfstoffe notwendig. Auch die Grippe-Impfung wird ja jedes Jahr neu auf die aktuell zirkulierenden Grippeviren ausgerichtet. Auf weitere Corona-Impfungen werden wir uns also in der Zukunft einrichten müssen.