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Rückfall bei Prostatakrebs – die Angst bleibt oft lange

09. September 2021 | von Ingrid Müller

Viele Männer fürchten sich davor, dass der Prostatakrebs nach der Behandlung erneut aufflammt. Diese Angst vor dem Rezidiv ist sogar viele Jahre später nicht erledigt, ergab eine Studie. Es gibt einige Faktoren, welche die Angst anfachen können.

Nach einer Krebsbehandlung ist es für viele Männer noch lange nicht vorbei mit dem Prostatakrebs. Die Angst, der bösartige Tumor könnte erneut aufflammen oder fortschreiten, begleitet Männer oft noch lange Zeit nach dem Abschluss der Krebstherapien – manchmal sogar über viele Jahre. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Münchener Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen vom Klinikum rechts der Isar. Diese dauerhafte Furcht vor dem Rückfall – einem Rezidiv – bedeutet einen seelischen Alarmzustand. Und dieser kann den Alltag, die Lebensfreude und die Lebensqualität der betroffenen Männer entscheidend trüben. 

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© StudioLaMagica/Adobe Stock

Die Forschenden fanden aber auch heraus, welche individuellen Faktoren bei einem Mann die Angst vor der Rückkehr des Prostatakrebses besonders schüren. Und anhand dieser Risiken ließen sich vielleicht zukünftig jene Männer identifizieren, denen die Angst besonders zusetzt – und vorbeugende Maßnahmen ergreifen. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichte das Wissenschaftsteam in der Online-Ausgabe des Fachmagazins Cancer der Amerikanischen Krebsgesellschaft (American Cancer Society).

 

Prostatakrebs – wie groß ist die Angst danach?

Die Forschenden wollten in ihrer Studie herausfinden, wie sich Männer langfristig mit ihrer Prostatakrebserkrankung fühlten. An der Studie nahmen 2.417 Männer teil, die zu Beginn der Studie durchschnittlich 69,5 Jahre alt waren. Alle hatten sich wegen ihres Prostatakrebses einer radikalen Prostatektomie unterzogen, also einer kompletten Entfernung der Prostata. Diese Operation lag im Schnitt sieben Jahre zurück. Zu diesem Zeitpunkt – im Jahr 2010 - füllten sie einen Fragebogen aus und dann noch einmal neun Jahre später im Jahr 2019. 

Zum Einsatz kam ein spezieller Fragebogen, der „Fear of Progression Questionnaire (FoP-Q-SF)“. Auf Deutsch: Progredienzangst-Fragebogen. Die Studienteilnehmer sollten Fragen zu ihren emotionalen Reaktionen, zu Partnerschaft und Familie, ihrem Beruf und ihrer Autonomie beantworten. Dieser Fragebogen gilt als aussagekräftiges Instrument, um das Ausmaß der Angst bei chronisch kranken Menschen, aber auch bei Krebspatienten zu messen. 

Patientinnen können Punkte auf einer Skala von 1 (niemals) bis 5 (sehr oft) vergeben. Je höher die Punktzahl am Ende ist, desto stärker ist auch die Angst. Bei Männern, die insgesamt 34 Punkte und mehr vergaben, stuften die Forschenden die Furcht als „hoch“ ein. Zudem wurden die Depressions- und Angstsymptome anhand eines weiteren Fragebogens erfasst und analysiert. 

Einbezogen in die Analyse wurden zudem diese Parameter:

  • Soziodemografische Daten – beispielsweise Bildungsgrad, Partnerschaft, Kinder
  • Klinisch-pathologische Charakteristika – beispielsweise Alter bei der Prostata-Operation, vergangene Jahre nach dem Eingriff, PSA-Werte, derzeitige Krebstherapien, zweite Krebsart
  • Familiengeschichte – weitere Krebserkrankungen in der Verwandtschaft

 

Yoga

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© janeb13/Pixabay.com

 

Prostatakrebs – viele fürchten sich jahrelang vor dem Rückfall

In der ersten Befragung gaben 6,5 Prozent der Männer an, dass ihre Angst vor einem Krebsrückfall hoch sei. Bei der erneuten Befragung fürchteten sich sogar 8,4 Prozent der Männer davor, dass ihr Prostatakrebs zurückkehren oder fortschreiten könnte. Ähnliche Werte konnten die Forschenden auch für die Depressions- und Angstsymptome ausmachen. 

Der wichtigste Faktor, um das Ausmaß der Furcht vorherzusagen, war: Wer schon vorher große Angst hatte, hatte diese auch neun Jahre später noch. Daneben spielten noch andere Faktoren für die Angst vor der Krebsrückkehr eine Rolle:

  • Niedriger Bildungsgrad
  • Vergangene Jahre seit der Prostatakrebs-OP
  • Anzeichen für einen Rückfall in den ersten Jahren nach der Krebstherapie
  • Derzeitige Behandlung wegen des Prostatakrebses, beispielsweise Chemotherapie, Bestrahlung, Hormontherapie
  • Die individuelle Ängstlichkeit an sich

Keine Rolle für die Vorhersage, wie viel Angst ein Mann hatte, spielten dagegen ein jüngeres Alter, die Familiengeschichte von Prostatakrebs oder eine zweite andere Krebserkrankung.

Valentin Meissner, der Hauptautor der Studie, erklärt: „Die Angst vor einem Krebsrückfall bleibt für viele Krebsüberlebende auch noch viele Jahre nach der Diagnose und den Behandlungen bestehen.“ Alle Betreuenden und Mitarbeitenden im Gesundheitssystem sollten sich bewusst machen, dass die Angst für viele Männer ein täglicher Begleiter sei. 

Sie sollten also jene ehemaligen Prostatakrebspatienten identifizieren, die besonders Gefahr liefen, ihre Furcht langfristig nicht wieder loszuwerden. Dann könnte man diesen eine professionelle psychologische Unterstützung anbieten. Denn: „Die Angst für dem Krebsrückfall führt zu einer begrenzten Lebensqualität und vermindert das seelische Wohlbefinden“, so Meissner. 

Psychoonkologie-Interview

”Psychologische Hilfe ist für jeden Krebspatienten ratsam", sagt der Psychologe Markus Besseler im Interview.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild Psychoonkologie - Mann am Meer
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Überlebensrate bei Prostatakrebs ist hoch

An Prostatakrebs erkranken allein in Deutschland jedes Jahr etwa 60.000 Männer neu. Zudem gibt es viele, die ihren Prostatakrebs mehrere Jahre überleben – dank verbesserter Früherkennung und wirksamer Therapien. Das Robert Koch-Institut ermittelte für das Jahr 2017 folgende Überlebensraten bei Prostatakrebs:

  • Fünf Jahre nach der Krebsdiagnose leben noch 89 Prozent der Männer.
  • Nach zehn Jahren sind noch 88 Prozent der Männer am Leben.

Weil jedoch der Prostatakrebs für Männer jahrelang ein Thema bleibt, sind Verbesserungen der Lebensqualität und das seelische Wohlbefinden der Überlebenden wichtig. Forschende haben in früheren Studien herausgefunden, dass die Angst vor dem Krebsrückfall oder dem Fortschreiten der Erkrankung zu den größten Nöten von Krebsüberlebenden zählen– für die es noch keine ausreichende Hilfe gibt. Denn viele Ärztinnen und Ärzte haben zwar wirksame Krebstherapien, aber keine effektiven Rezepte gegen die Angst. Sie kann prinzipiell in jeder Phase der Krebserkrankung aufflammen – nach der Diagnose, nach den Behandlungen und auch weiterhin im Lauf der nächsten Jahre

 

Angst vor dem Rückfall – neue Behandlungsstrategien gefragt

In einem begleitenden Editorial zur Studie schreiben die Autoren Cristiane Decat Bergerot, Stephen B. Williams und Zachary Klaassen: „Die Angst vor dem Krebsrückfall wurde schon über mehr als 30 Jahre studiert. Aber erstaunlicherweise gibt noch immer keine medizinischen Leitlinien für das Gesundheitspersonal, wie sich diese Frucht am besten behandeln lässt.“ 

Die Studie zeige, dass man Männer mit Prostatakrebs routinemäßig zur Angst vor dem Rezidiv oder dem Fortschreiten der Krebserkrankung befragen sollte. „Die Studie liefert wichtige Einblicke, dass die Rückfallangst bei Patienten auch langfristig vorhanden ist.“

Dennoch schränkten einige Faktoren die Aussagekraft der Untersuchung ein. So wurden zum Beispiel nur Männer mit einem frühen Prostatakrebs einbezogen worden. Ihr Ausmaß an Angst sei nicht unbedingt mit Männern vergleichbar, die einen weiter fortgeschrittenen Prostatakrebs hätten. Bei ihnen dürften die Ängste vermutlich größer sein. 

Auch habe die Studie keine Faktoren berücksichtigt, die das emotionale Wohlbefinden der Männer zusätzlich beeinträchtigten. Dazu gehörten unter anderem die Inkontinenz und Erektile Dysfunktion. Unter beiden Nachwirkungen leiden viele Männer nach einer Prostata-OP. Und bekannt ist auch, dass Inkontinenz und Potenzstörungen den Männern am meisten zusetzen.

 

Quellen: