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Prostatakrebs: Neue Bakterien als Frühwarnzeichen entdeckt

29. April 2022 | von Ingrid Müller

Neu entdeckte Bakterien im Urin und Gewebe von Männern könnten in Verbindung mit Prostatakrebs stehen. Für die Therapiewahl könnte dies zukünftig eine Rolle spielen, sagen britische Forschende. 

Bakterien sind an der Entwicklung einiger Krebsarten beteiligt – entweder als Auslöser oder als Begleiter bei manchen Krebserkrankungen. Das bekannteste Beispiel ist das Bakterium Helicobacter pylori, das bei vielen Menschen im Verdauungstrakt vorkommt. Der Keim gilt als Mitverursacher von Magenkrebs. Schon länger gehen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen davon aus,  dass Infektionen mit Bakterien, Viren und anderen Krankheitserregern den Weg für die Entstehung einiger Krebsarten ebnen oder diese direkt auslösen können. 

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Prostata Hilfe Deutschland: Bakterien unter dem Mikroskop
© qimono/Pixabay.com

Forschende von der University of East Anglia (UAE) untersuchten jetzt in einer Studie, ob und wie Bakterien mit der Entstehung von Prostatakrebs zusammenhängen. “Wir wollten herausfinden, ob Bakterien einen Einfluss darauf haben, wie der Prostatakrebs wächst und sich ausbreitet“, erklärt  Prof. Colin Cooper, Projektleiter von der Norwich Medical School an der UAE.  Sie identifizierten insgesamt fünf Bakterienarten, die wahrscheinlich mit aggressiven Formen von Prostatakrebs zusammenhängen. Bei Männern mit gefährlichen, schnell wachsenden Prostatatumoren kamen diese Bakterien jedenfalls vermehrt vor. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie in der Aprilausgabe des Fachblatts European Urology Oncology

Dr. Jeremy Clark von der UAE sagt: „Wir wissen nur wenig darüber, warum manche Prostatakarzinom aggressiver sind als andere. Jetzt haben wir einen Beweis dafür, dass bestimmte Bakterien beteiligt sind und einen Teil dieses Puzzles liefern.“

Fünf Bakterienstämme gefunden

Die Forschenden untersuchten Urinproben und Gewebe von mehr als 600 Männern mit und ohne Prostatakrebs. Zum Einsatz kamen verschiedenste Techniken, etwa die Genomsequenzierung. Mit Hilfe dieser genetischen Analyse bestimmten sie die dort vorhandenen Bakterien und die Zusammensetzung des Mikrobioms (Gesamtheit aller Bakterien). 

Interessant war die Frage, inwieweit sich aus der Präsenz der Bakterien eine Prognose ableiten lässt, ob der Prostatakrebs schnell fortschreitet oder nicht. Fünf Bakterienarten machten die Forscher aus, die mit einem aggressiven Wachstum des Prostatakarzinoms zusammenhingen – vier davon sind neu:  

  • Anaerococcus
  • Peptoniphilus
  • Porphyromonas
  • Fenollaria 
  • Fusobacterium

Sämtliche dieser Bakterien zählen zu den anaeroben Vertretern. Das bedeutet, dass sie keinen Sauerstoff brauchen, um sich zu vermehren . „Wenn wir einen dieser besonderen Bakterienstämme in den Patientenproben nachgewiesen haben, war dies mit dem einem Hochrisiko-Prostatakrebs und einer schnelleren Weiterentwicklung zu einer aggressiven Krebserkrankung verbunden“, erklärt Dr. Rachel Hurst, die Erstautorin der Studie. „Vier dieser Bakterien sind neue Typen, die wir vorher noch nicht gefunden haben", so die Expertin weiter. Zwei der vier neuen Bakterienarten wurden nach den beiden Unterstützern der Studie benannt: Porphyromonas bobii nach dem The Bob Champion Cancer Trust and Varibaculum prostatecancerukia nach der Prostate Cancer UK. 

Es gebe aber noch viele Unklarheiten, etwa ob die Bakterien die Ursache oder die Folge des Prostatakrebses seien. Auch wie sich ein Mensch mit diesen Bakterien infiziert und ob ein geschwächtes Immunsystem dabei mithilft, dass sich die Bakterien verstärkt vermehren, ist noch nicht erforscht. Hier müssen weitere Studien folgen. 

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Prostata Hilfe Deutschland: Grafik grüne Bakterien
(c) geralt/Pixabay

Bakterien identifizieren – richtige Behandlung finden

Die Untersuchungsergebnisse könnten auch für die Therapie von Prostatakrebs von Bedeutung sein. „Wir hoffen, dass die weiteren Forschungsarbeiten zu neuen Behandlungsmöglichkeiten bei Prostatakrebs führen. So könnten wir vielleicht das Wachstum des aggressiven Prostatakarzinoms aufhalten oder sogar seine Entstehung verhindern“, sagt Hurst.  Die ungünstigen Bakterien müssten dann beseitigt werden. Die Forschenden betonen jedoch, dass viele Bakterienarten für den Menschen nützlich sind. Daher sei es nicht so einfach, die gefährlichen Bakterien zu entfernen und die „guten“ Keime gezielt zu schützen. So beseitigen zum Beispiel auch Antibiotika nicht nur die krankmachenden, sondern auch die günstigen Bakterien.

Denkbar seien auch neue Tests, die anhand der vorhandenen Bakterien die optimale Therapie für jeden Mann mit Prostatakrebs vorhersagen können. Dies könnte zum Beispiel für die Entscheidung wichtig sein, ob Ärzte und Ärztinnen die Strategie der Aktiven Überwachung wählen können. 

Prof. Daniel Brewer erklärt: „Wenn wir aggressive Prostatakarzinome ausfindig machen und andere harmlosere Tumoren von unnötigen Behandlungen aussparen, könnten wir die Art und Weise, wie wir die Prostatakrebstherapien anwenden, entscheidend verbessern. Es scheint einen klare Verbindung zwischen diesen Bakterien und dem Verhalten des Prostatakrebses zu geben", glaubt Brewer. 

Zwar müsse man diese Beziehung zwischen dem Prostatakrebs und den Bakterien noch besser verstehen, aber es sei vielleicht ein wichtiger Schritt für die Entwicklung schneller und kostengünstiger Test. „Sie könnten in Zukunft ein gutes Hilfsmittel für Therapieentscheidungen sein“, so Brewer. 

Lässt sich der Prostatakrebs verhindern?

Dr. Hayley Luxton von Prostate Cancer UK, stuft die Ergebnisse der Studie so ein: „Dies ist eine aufregende Entdeckung, die das Potenzial hat, die Behandlung von Prostatakrebs tatsächlich zu revolutionieren. Derzeit haben wir nämlich keine Möglichkeit, um aggressiven Prostatakrebs wirklich zuverlässig zu identifizieren.“ 

Die Studie könne dazu beitragen, die richtige Behandlung für diese Männer auszusuchen. "Wenn sich nachweisen lässt, dass diese neu gefundenen Bakterien aggressiven Prostatakrebs nicht nur vorhersagen, sondern auch auslösen können, dann könnten wir Prostatakrebs zum ersten Mal verhindern – und so jedes Jahr Tausende von Leben retten“, hofft Luxton.

Prostatakrebs – was dahinter steckt

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Prostata Hilfe Deutschland: Grafik einer Krebszelle
(c) Kateryna Kon/Shutterstock

Prostatakrebs – häufiger Tumor, aber oft mit guter Prognose

Prostatakrebs ist in Deutschland der häufigste bösartige Tumor bei Männern. Im Jahr 2017 erhielten mehr als  62.000 Männer neu die Diagnose Prostatakrebs, berichtet das Robert Koch-Institut (RKI). Das Prostatakarzinom macht ungefähr ein Viertel aller Krebserkrankungen bei Männern aus. 

Im Schnitt sind Männer rund 72 Jahre alt, wenn sie die Prostatakrebs erkranken. Das Alter gilt als wichtigster Risikofaktor für diese Krebsart. Aber auch die Gene sowie Lebensstil- und Umweltfaktoren spielen als Ursachen von Prostatakrebs eine Rolle. Daneben können Männer auch schon in jüngeren Jahren an Prostatakrebs erkranken, etwa wenn enge Familienmitglieder betroffen sind. Allgemein ist Prostatakrebs vor dem 50. Lebensjahr jedoch sehr selten.

Der Verlauf und die Prognose bei Prostatakrebs hängen immer vom Stadium, der Ausbreitung und von der Aggressivität des Tumors ab. Wenn Ärzte und Ärztinnen den die Erkrankung frühzeitig entdecken und behandeln, ist Prostatakrebs heilbar. Dann ist der Tumor oft noch auf die Prostata begrenzt und hat die Kapsel noch nicht durchbrochen. Außerdem hat der Prostatakrebs keine Metastasen in anderen Organen gebildet. Prostatakrebs streut meist in die Knochen, Leber, Lunge und selten ins Gehirn. 

Einige Zahlen zu den Überlebensraten, welche die gute Prognose bei Prostatakrebs widerspiegeln: Fünf Jahre nach der Diagnose Prostatakrebs leben noch 89 Prozent der Männer. Zehn Jahre nach der Diagnose sind noch 88 Prozent der Männer am Leben.

Quellen: