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Metastasierter Prostatakrebs – Bestrahlung mit Lutetium-177 wirkt

01. Oktober 2021 | von Ingrid Müller

Für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs gibt es eine weitere Therapiemöglichkeit: Die Bestrahlung mit Lutetium-177. Eine Studie wies jetzt nach, dass der Strahler Tumoren und Metastasen wirksam schrumpfen lässt. 

Bei manchen Männern hat der Prostatakrebs schon bei der Diagnose Metastasen gebildet. Bei anderen entstehen dagegen manchmal  im Verlauf der Krebserkrankung Tochtergeschwulste. Oft streut der bösartige Tumor über die Blut- und Lymphwege in die Knochen, Leber oder Lunge. Dann ist die Krebserkrankung nicht mehr heilbar und die Überlebenschancen sinken. Allerdings lässt sich auch ein metastasierter Prostatakrebs noch gut behandeln. Oft gelingt es Ärztinnen und Ärzten, das Wachstum und Fortschreiten des Tumors zu bremsen. 

Eine noch realtiv neue Therapie bei Prostatakrebs ist die Bestrahlung mit radioaktiven Substanzen, zum Beispiel mit dem Strahler namens Lutetium-177 (abgekürzt Lu-177). Die Behandlung kann den Prostatakrebs und auch die Metastasen noch längere Zeit in Schach halten. In der bislang größten Studie wiesen Nuklearmediziner der Universität des Saarlandes und des Universitätsklinikums jetzt nach, dass die Behandlung mit Lu-177 vielen Männern mit metastasiertem Prostatakrebs helfen könnte. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin „Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging“.

 

PSMA als Eintrittspforte für Lutetium-177

Bei dieser sogenannten Radioligandentherapie nutzen Forschende eine besondere „Eintrittspforte“, durch die sich der Tumor und seine Krebsableger gezielt ansteuern und effektiv bekämpfen lassen. Im Blick haben sie eine spezielle Andockstelle (Rezeptor), die sehr häufig auf Prostatakrebszellen vorkommt: das prostataspezifische Membranantigen oder abgekürzt „PSMA“. 

PSMA

Alles über das Eiweiß PSMA in der Diagnostik und Behandlung von Prostatakrebs.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Eiweiß PSMA und radiaktiver Strahler
© doctor-a/Pixabay.com

Dabei handelt es sich um ein Eiweißmolekül auf der Oberfläche der Krebszellen, das er Körper selbst herstellen kann und das für bösartige Prostatatumoren typisch ist. „Auf diese Weise stellen wir sicher, dass die Substanz nur die schädlichen Tumorzellen bestrahlt und nicht das umliegende gesunde Gewebe“, erklärt der Nuklearmediziner Prof. Samer Ezziddin.

Im Vergleich zu gesunden Zellen kommt PSMA auf Krebszellen in etwa 1000-facher Menge vor. Je aggressiver der Prostatakrebs ist (je höher der Gleason-Score), desto mehr PSMA ist auf den bösartigen Tumorzellen vorhanden. Über dieses PSMA schleusen Nuklearmedizinerinnen dann radioaktiv strahlende Substanzen in die Krebszellen ein. „Ein solcher ‚Strahler‘ ist zum Beispiel Lutetium-177“, so Ezziddin. 

So lassen sich die bösartigen Tumorzellen von innen heraus angreifen und zum Absterben bringen. „Wir zerstören den Tumor und die Metastasen sehr punktgenau“, erklärt Ezziddin. Das Lutetium-177 strahlt für zwei bis drei Wochen mit nachlassender Intensität. 

 

Fortgeschrittener Prostatakrebs – ungünstige Prognose

Weltweit gabe es zur Wirkungsweise von Lutetium-177 bislang nur zwei Studien, in denen die spezielle Strahlentherapie an Patienten getestet wurde. Neben der geringen Anzahl an Untersuchungen spielt noch ein anderer Faktor eine Rolle: Die teilnehmenden Patienten wurden anhand bestimmter Kriterien „vorgefiltert“ . Das heißt: Manche Männer konnten nicht teilnehmen. Die neue Saarländische Studie orientiert sich jetzt besser am klinischen Alltag. Die Patienten wurden vorher nicht gesondert ausgewählt. Wer an der Studie teilnehmen wollte, wurde auch aufgenommen. 

254 Männer, die Patienten der Klinik für Nuklearmedizin waren, nahmen an der Lutetium-177-Studie teil. „Unsere Patienten kamen mit einem sehr fortgeschrittenen Stadium von Prostatakrebs zu uns. Es gab viele Männer mit Metastasen in der Leber und Lunge. Und viele hatten eine sehr ungünstige Ausgangsprognose“, so Ezziddin.

PSMA-PET/CT

Lesen Sie, was ein PSMA-PET/CT ist, wie die Untersuchungsmethode funktioniert und wie der Ablauf ist.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild PSMA
© Joshua Willson/Pixabay.com

 

Lu-177 lässt Tumoren und Metastasen schrumpfen

Die Ergebnisse der Untersuchung sind vielversprechend: „Bei über 50 Prozent der Probanden konnten wir ein Absinken des PSA-Wertes um mehr als die Hälfte feststellen“, sagt Ezziddin. Der PSA-Wert ist beim Prostatakrebs der Indikator für die Tumormasse, die im Körper vorhanden ist. Reduziert er sich um mehr als die Hälfte, bedeutet dies, dass der Tumor und seine Metastasen in erheblichem Ausmaß geschrumpft sind. „Bei rund einem weiteren Drittel der Patienten war der PSA-Rückgang zwar geringer als 50 Prozent, aber zumindest konnten wir hier durch das Lutetium-177 ein weiteres Wachstum des Tumors unterdrücken“, erläutert der Nuklearmediziner. 

Damit sei die Wirksamkeit einer Lutetium-177-Therapie für Patienten untermauert, die konventionell bereits austherapiert waren, so das Fazit der Forschenden.

 

Bestrahlung mit Lu-117 fast ohne Nebenwirkungen

Ein weiterer Vorteil der Bestrahlung mit Lu-177 ist, dass sie sehr präzise ist und umliegendes Gewebe so gut wie nicht schädigt. So kommen auch kaum Nebenwirkungen vor. Nach zwei Gaben von Lutetium-177 ließen sich durchschnittlich die größten Effekte nachweisen. Weil die Therapie nur mit sehr geringen Nebenwirkungen behaftet sei, so die Forscher, sei auch die Lebensqualität meist nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil: Sie bessere sich oft, weil die Bestrahlung die Metastasen zurückdränge - und damit die Beschwerden, die durch die Tochtergeschwulste entstehen. 

Aufgrund der hohen Wirksamkeit in Kombination mit einer guten Verträglichkeit sei die Behandlung mit Lutetium-177 eine Behandlungsoption, die stärkere Beachtung finden solle, betont Ezziddin. Dadurch ließen sich einige Monate oder sogar Jahre Lebenszeit gewinnen, ohne dass Männer ihre  Lebensqualität einzubüßen. 

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Bestrahlungen mit Lu-177 – für welche Männer?

Die Lu-177-PSMA-Behandlung gilt derzeit als „individueller Heilversuch“. Darunter fallen Therapien, die zwar wirksam, aber noch nicht zugelassen sind. 

Die neue Leitlinie zu Prostatakrebs empfiehlt einen Behandlungsversuch mit Lutetium-177-PSMA- in folgenden Fällen:

  • Für Männer mit kastrationsresistentem, fortschreitendem Prostatakrebs
  • Bei gutem Allgemeinzustand
  • Wenn alle empfohlenen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft sind
  • Unter Beteiligung einer interdisziplinären Tumorkonferenz

Fragen Sie immer vorher bei Ihrer Krankenkasse nach, ob sie die Kosten für die Lu-177-PSMA-Therapie übernimmt.

 

Quellen: