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Relugolix: Neuer Wirkstoff bei fortgeschrittenem Prostatakrebs
18. Mai 2022 | von Ingrid MüllerFür Männer mit fortgeschrittenem, hormonempfindlichem Prostatakrebs gibt es eine neue Behandlungsmöglichkeit: Den Wirkstoff Relugolix, der jetzt in der EU zugelassen wurde. Alles über die Wirkung, Dosierung, Anwendung, Nebenwirkungen sowie die Vor- und Nachteile des Medikaments.
Kurzübersicht:
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Was ist Relugolix?
Der Wirkstoff Relugolix (Handelsname: Orgovyx®) ist für Männer mit fortgeschrittenem, hormonempfindlichem Prostatakrebs zugelassen. In diesem Fall wächst das Prostatakarzinom unter Hormoneinfluss. Die Prostatakrebszellen brauchen das männliche Geschlechtshormon Testosteron, um sich teilen und vermehren zu können.
Relugolix gehört zur Gruppe der sogenannten GnRH-Antagonisten. Diese Medikamente senken den Testosteronspiegel im Blut, indem sie die Testosteronproduktion in den Hoden rasch unterdrücken. Die Prostatakrebszellen haben dann keinen „Treibstoff“ mehr für ihre Vermehrung. Das Medikament senkt den Testosteronspiegel auf unter 50 Nanogramm pro Deziliter (ng/dl) Blut. Ab dieser Schwelle sprechen Fachleute von einer medikamentösen Kastration. Sie gilt als sogenanntes Kastrationsniveau.
Hormontherapie |
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Wie wirkt Relugolix?
Die Testosteronproduktion bei Männern mit hormonempfindlichem Prostatakrebs lässt sich auf verschiedene Weisen unterdrücken. Man unterscheidet:
- GnRH-Agonisten (LHRH-Agonisten) – sie wirken auf die Hirnanhangdrüse (Hypophyse), welche die Produktion des Testosterons in den Hoden steuert. Anfangs kurbeln GnRH-Agonisten die Testosteronproduktion noch an, aber dann kommt sie nach einiger Zeit zum Erliegen. Ärztinnen und Ärzte kombinieren GnRH-Agonisten daher in den ersten Wochen mit einem anderen Wirkstoff, der die Testosteronwirkung an der Krebszelle aufhebt, den sogenannten Antiandrogenen. Häufig eingesetzte Wirkstoffe aus der Gruppe der GnRH-Agonisten sind Buserelin, Goserelin, Leuprorelin und Triptorelin.
- GnRH-Antagonisten (LHRH-Antagonisten) – diese Medikamente wirken ähnlich wie GnRH-Agonisten. Ihr Vorteil ist jedoch, dass sie die Testosteronproduktion nicht nach und nach, sondern sofort unterdrücken. Antiandrogene zur Überbrückung diese Zeitspanne sind daher nicht notwendig. Häufig eingesetzte Wirkstoffe aus der Gruppe der GnRH-Antagonisten sind Abarelix, Degarelix – und jetzt auch Relugolix.
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Wie wirksam ist Relugolix?
Forschende haben eine Zulassungsstudie (sogenannte HERO-Studie) durchgeführt. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass ein Medikament seine Zulassung bekommt und auf den Markt kommen kann. In dieser Studie verglichen die Forschenden die Wirksamkeit und Sicherheit zweier Wirkstoffe: Relugolix und Leuprorelin. Letzterer zählt zu den GnRH-Agonisten und ist ein Standard bei der Behandlung von fortgeschrittenem, hormonempfindlichem Prostatakrebs. Ärzte und Ärztinnen setzen Leuprorelin häufig ein, auch wenn die therapeutische Wirkung erst mit einer zeitlichen Verzögerung beginnt.
An der Phase III-Studie nahmen insgesamt 930 Männer teil, deren Prostatakrebs fortgeschritten war und unter dem Einfluss von Testosteron wuchs. 622 Männer (zwei Drittel) erhielten Relugolix als Tablette einmal pro Tag und 308 (ein Drittel) Leuprorelin-Injektionen alle drei Monate für 48 Wochen. Die Forschenden wollten herausfinden, wie schnell sich die Testosteronspiegel der Männer in diesem Zeitraum auf das Kastrationsniveau von unter 50 ng/ml senken lassen.
Die Ergebnisse im Überblick:
- Bei 96,7 Prozent der Männer, die Relugolix einnahmen, wurde die Testosteronproduktion binnen 48 Wochen unterdrückt. In der Leuprorelin-Gruppe war dies dagegen nur bei 88,8 Prozent der Männer der Fall. Dieser Unterschied von 7,9 Prozentpunkten zeige, dass der neuen Wirkstoff Relugolix tastsächlich überlegen sei, so die Studienautoren.
- Auch die Geschwindigkeit, mit der die Kastrationsschwelle erreicht wurde, war bei den beiden Wirkstoffen unterschiedlich. Am vierten Tag der Behandlung hatten 56 Prozent der Männer, die Relugolix einnahmen, schon das Kastrationsniveau (<50 ng/ml) erreicht. Bei Männer, die Leuprorelin anwendeten, gelang dies bei keinem einzigen Mann (0 Prozent). Am Tag 15 der Behandlung hatten mit Relugolix 98,7 Prozent und mit Leuprorelin 12 Prozent der Männer den Wert erreicht, der medizinisch als Kastration gilt. Mit Leuprorelin brauchten die Männer bis zum Tag 29, um an diese Schwelle zu kommen.
- Auch bei den PSA-Werten gab es deutliche Unterschiede. Bei 80 Prozent der Männer in der Relugolix-Gruppe sank der PSA nach zwei Wochen auf weniger als die Hälfte des Ausgangswertes. Bei der Anwendung von Leuprorelin gelange dies dagegen nur bei 20 Prozent der Männer.
- In einer Untergruppe von 184 Probanden untersuchte die Studie, wie gut sich der Testosteronspiegel 90 Tage nach dem Ende der Behandlung erholt hatte. Nach der Therapie mit Relugolix ging dies schneller als bei Leuprorelin. 54 Prozent der Männer in der Relugolix-Gruppe erreichten mindestens niedrig-normale Testosteronspiegel (unterer Normbereich 280 ng/dl). In der Leuprorelin-Gruppe waren es dagegen nur drei Prozent der Männer. Im Schnitt lagen die Testosteronwerte bei 288,4 ng/dl (Relugolix) und 58,6 ng/dl (Leuprorelin).
Teilweise lassen sich die unterschiedlichen Effekte auch auf darauf zurückführen, dass GnRH-Agonisten und GnRH -Antagonisten verschiedene Wirkmechanismen haben.
Das Fazit der Forschenden: Relugolix unterdrücke die Testosteronproduktion schnell und dauerhaft und sei dem Wirkstoff Leuprorelin in dieser Hinsicht überlegen.
Welche Nebenwirkungen kann Relugolix haben?
In der HERO-Studie schnitt Relugolix bei den schwerwiegenden Nebenwirkungen, die das Herz und den Kreislauf betreffen, besser ab als das bewährte Leuprorelin: 2,9 Prozent beziehungsweise 6,2 Prozent der Männer erlebten diese unerwünschten Wirkungen. Dazu gehörten Herzinfarkte und Schlaganfälle, die nicht tödlich ausgingen, aber auch sämtliche Todesfälle (Relugolix: 1,1 Prozent und Leuprorelin: 2,9 Prozent). Wenn Männer schon zuvor schwerwiegende Herz-Kreislauf-Ereignisse erlebt hatten, senkte Relugolix das Risiko noch deutlicher: Es lag bei 3,6 Prozent (Leuprorelin: 17,8 Prozent).
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Sowohl Relugolix als auch Leuprorelin riefen unangenehme Hitzewallungen hervor (ähnlich wie bei Frauen in den Wechseljahren). Etwa 50 Prozent der Männer hatten damit zu kämpfen. Durchfall betraf Männer dagegen in der Relugolix-Gruppe öfters: 12,2 Prozent versus 6,8 Prozent unter Leuprorelin. Keiner der Probanden brach die Hormontherapie aufgrund der Nebenwirkungen ab.
Relugolix kann einige Nebenwirkungen hervorrufen, aber nicht alle Männer erleben sämtliche unerwünschten Wirkungen in der gleichen Intensität. Sie können auftreten, müssen es aber nicht zwangsläufig.
Nebenwirkungen von Relugolix: Tabelle | |
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Sehr häufig (≥ 1 von 10):
| Häufig (≥ 1/100, < 1/10):
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Gelegentlich (≥ 1/1.000, < 1/100):
| Selten (≥ 1/10.000, < 1/1.000):
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Nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar):
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Relugolix – welche Dosis und wie oft?
Relugolix gibt es in Form von Filmtabletten. Die Anwendung erfolgt so:
- Am ersten Tag der Prostatakrebsbehandlung nehmen Männer mit fortgeschrittenem, hormonempfindlichem Prostatakrebs drei Tabletten pro Tag (mit jeweils 120 mg) ein, also insgesamt 360 mg. Dies bezeichnen Mediziner und Medizinerinnen als „Aufsättigungsdosis“. So lässt sich zu Beginn ein erhöhter Wirkstoffspiegel im Blut erreichen.
- Danach schlucken Männer nur noch einmal täglich eine Tablette (mit 120 mg).
Relugolix erzeugt keinen Testosteronanstieg. Daher brauchen Männer zu Beginn der Behandlung nicht noch zusätzlich ein Antiandrogen, um der Erhöhung des Testosterons entgegenzuwirken.
Relugolix: Welche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten?
Relugolix kann Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eingehen, die Sie gleichzeitig einnehmen. Um dies zu verhindern, ist ein Medikationsplan wichtig, in dem sämtliche angewendete Arzneimittel festgehalten sind. Mit folgenden Medikamenten kann es zu Wechselwirkungen kommen:
Orale P-gp-Inhibitoren (Tabletten):
Das sind Wirkstoffe, die ein spezielles Protein hemmen – das P-Glykoprotein. P-gp-Inhibitoren können die Konzentration von Relugolix im Blut erhöhen und somit mehr Nebenwirkungen verursachen.
Beispiele für orale P-gp-Inhibitoren sind:
- Antibiotika, beispielsweise Azithromycin, Erythromycin, Clarithromycin, Gentamicin, Tetracyclin
- Antipilzmittel, beispielsweise Ketoconazol, Itraconazol
- Medikamente gegen Bluthochdruck, beispielsweise Carvedilol, Verapamil
- Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen, beispielsweise Amiodaron, Dronedaron, Propafenon, Chinidin
- Arzneimittel gegen die Brustenge Angina pectoris, beispielsweise Ranolazin
- Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, sogenannte Immunsuppressiva, beispielsweise Ciclosporin
- manche Medikamente gegen HIV und das Hepatitis-C-Virus
Kombinierte P-gp- und starke CYP3A-Induktoren:
Die therapeutische Wirksamkeit von Relugolix kann sich durch kombinierte P-gp- und starke CYP3A-Induktoren verringern.
Beispiele für solche Medikamente sind:
- Apalutamid – ein Antiandrogen
- Medikamente gegen Epilepsie, zum Beispiel Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital
- Antibiotika, zum Beispiel Rifampicin, Rifabutin
- Johanniskraut
- Medikamente gegen HIV und das Hepatitis-C-Virus
Welche Vorteile besitzt Relugolix?
Das Medikament hat einige Vorteile für Männer, die an einem hormonempfindlichen Prostatakrebs erkrankt sind.
Die wichtigsten sind:
- Relugolix ist der erste GnRH-Antagonist, den es in Form von Tabletten gibt – es ist leicht einzunehmen. Zudem scheuen manche Männer die Spritze bei einer Hormontherapie
- Es gibt keine Reaktionen an der Einstichstelle, etwa Rötungen oder Schwellungen.
- Sie müssen nicht wegen jeder Injektion in die Arztpraxis und können die Besuche dort flexibler gestalten. Gerade in der Corona-Pandemie kann dies für Krebspatienten ein Pluspunkt sein, wenn sie ihre Kontakte einschränken müssen.
- Das Arzneimittel senkt den Testosteronspiegel schnell – es ist kein zusätzliches Antiandrogen nötig, der dem Testosteronanstieg wie bei den GnRH-Agonisten entgegensteuert.
- Nach dem Absetzen der Behandlung normalisieren sich die Testosteronwerte wieder.
Welche Nachteile hat Relugolix?
Wie jedes Medikament besitzt auch der Wirkstoff Relugolix einige Nachteile, zum Beispiel:
- Männer müssen täglich an die Einnahme der Tabletten denken – das Medikament besitzt eine Halbwertszeit von 25 Stunden. Das bedeutet: Innerhalb dieses Zeitraums ist die Hälfte abgebaut. Sie müssen den Wirkstoff daher sehr regelmäßig zu sich nehmen – am besten zur gleichen Tageszeit.
- Sie müssen eine gute Therapietreue (engl. compliance) mitbringen. Bei den Hormonspritzen behalten Ärztinnen und Ärzte dagegen eher den Überblick über die Behandlung.
- Es gibt noch keine ausreichenden Daten darüber, ob Relugolix auch in Kombination mit anderen Prostatakrebsbehandlungen wirksam und sicher ist. Beispiele sind eine Chemotherapie, Antiandrogene wie Apalutamid, Darolutamid und Enzalutamid oder das Medikament Abirateron bei kastrationsresistentem Prostatakrebs. Ärztinnen und Ärzte setzen solche kombinierten Hormontherapien jedoch häufig ein. An der Kombination des neuen Wirkstoffs mit anderen Krebstherapien wird jedoch geforscht.
- Durchfälle und Verstopfung sind sehr häufige Nebenwirkungen von Relugolix. Wenn in diesem Fall nicht genügend Wirkstoff über den Darm aufgenommen werden kann, kann die Wirksamkeit einschränkt sein.
Wie wird Relugolix eingenommen?
Einige Tipps zur Einnahme des Medikaments:
- Nehmen Sie die Tabletten am besten immer zur gleichen Tageszeit ein.
- Sie können das Medikament unabhängig von den Mahlzeiten einnehmen.
- Schlucken Sie die Tabletten als Ganzes und teilen Sie sie nicht.
- Bei Bedarf nehmen Sie die Filmtabletten mit wenig Flüssigkeit ein - am besten Wasser.
Einnahme von Relugolix vergessen? Das tun Sie!
Einige Tipps, wenn Sie die Einnahme des Medikaments vergessen haben:
- Wenn Sie versehentlich eine Dosis ausgelassen haben, nehmen Sie das Medikament sofort ein, wenn Sie daran gedacht haben.
- Haben Sie die Einnahme mehr als zwölf Stunden versäumt, holen Sie die Dosis nicht nach. Setzen Sie die normale Tabletteneinnahme erst am nächsten Tag wieder fort.
- Beträgt die Unterbrechung mehr als sieben Tage, beginnen Sie wieder mit drei Tabletten am ersten Tag (360 mg als Aufsättigungsdosis) – danach gehen Sie wieder zur normalen Einnahme von einer Tablette pro Tag (120 mg) über.
Quellen:
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