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Prostatektomie – viele Männer bereuen die Prostata-OP
25. November 2022 | von Ingrid MülllerDie Prostataentfernung bei Prostatakrebs ist mit guten Heilungschancen verbunden. Doch nicht wenige Männer bedauern ihre Entscheidung für die Prostata-OP Jahre später. Es gibt einen Hauptgrund dafür, wie eine Umfrage ergab.
Männer mit örtlich begrenztem Prostatakrebs können zwischen mehreren Therapiemöglichkeiten wählen. Die einen sind einschneidender, etwa die Entfernung der Prostata (radikale Prostatektomie), während andere als etwas schonender gelten. Beispiele: Strahlentherapie von außen oder innen sowie fokale Therapien, die nur auf die Krebszellen abzielen. Ohne Nebenwirkungen und Folgen kommt aber kaum eine Therapie bei Prostatakrebs aus – mit Ausnahme der Aktiven Überwachung, bei der Ärztinnen und Ärzte den Tumor nur in regelmäßigen Abständen kontrollieren.
Nach einer Prostata-OP müssen Männer unter anderem mit Erektiler Dysfunktion und Inkontinenz rechnen. Das gilt auch dann, wenn die Operateure sehr erfahren sind oder mit der Unterstützung eines Roboters operieren. Das sind jedoch beiden Folgen einer Operation, unter die Männer danach am meisten leiden, wie aus Umfragen bekannt ist. Auch die Bestrahlung kann einige unangenehme Nebenwirkungen haben, etwa Probleme mit der Haut, dem Darm oder der Harnblase. Langfristig sind bei einer Strahlentherapie ebenfalls eine Erektile Dysfunktion und Inkontinenz möglich.
Eine Studie der TU München wollte jetzt wissen, wie Männer viele Jahre nach einer Prostataentfernung zu ihrem Entschluss stehen. Bei einer Befragung kam heraus, dass viele Männer ihre Entscheidung für eine Prostatektomie bereuen. Die Ergebnisse stellten die Forschenden um Kathleen Herkommer auf dem Deutschen Krebskongress 2022 in Berlin vor.
Prostatakrebs: Fast alle Männer entschieden sich für die Prostata-OP
Befragt wurden 1.003 Männer, die am Forschungsprojekt „Familiäres Prostatakarzinom“ teilgenommen hatten. Dieses war im Jahr 1993 gestartet. Bei der Diagnose waren die Männer zwischen 55 und 65 Jahre alt. Alle Männer waren an Prostatakrebs erkrankt und hatten sich deswegen einer Behandlung unterzogen. Die große Mehrheit – nämlich 97,9 Prozent – entschied sich für die Entfernung der Prostata, also für eine radikale Prostatektomie. Im Unterschied zu damals gibt es inzwischen jedoch viele andere Behandlungsmethoden, etwa die Bestrahlung oder fokale Therapien, die als schonender gelten. Nach einer Prostata-OP haben viele Männer mit Erektiler Dysfunktion und Inkontinenz zu kämpfen.
Fokale Therapien Lesen Sie, welche fokalen Therapien es bei Prostatakrebs gibt und für welchen Mann sie sich eignen. |
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Die Männer beantworteten im Jahr 2007 und dann noch einmal im Jahr 2020 standardisierte Fragebögen, wie sie heute sie zu ihrer damaligen Entscheidung für die Prostata-Op stehen. Zwischen der radikalen Prostatektomie und der ersten Befragung lagen im Schnitt sieben Jahre. Bis zur zweiten „Bestandsaufnahme“ waren durchschnittlich 13 Jahre vergangen. Sie beantworteten zum Beispiel Fragen zu ihrer Entscheidungsfindung, Lebensqualität und zu psychologischen Faktoren. Aus diesen Antworten ließen sich mit Hilfe der Statistik Vorhersagen treffen, ob die Männer ihre Entscheidung bereuten oder ob sie mit dieser zufrieden waren.
Prostatakrebs-OP – wer nicht mit entscheidet, bereut später
Das Forscherteam fand Folgendes heraus:
- Mit der Zeit nahm das Bedauern der Männer über ihre Entscheidung zur Prostatektomie deutlich zu. Je länger die Prostatektomie zurücklag, desto stärker bereuten die Männer die OP, wie diese Zahlen zeigen: Im Jahr 2007 (nach 6,9 Jahren) bereuten nur neun Prozent der Männer ihre Entscheidung. Im Jahr 2020 – nach 19,9 Jahren – waren es dagegen 12,1 Prozent.
- Männer, denen ihre Entscheidung bei beiden Befragungen im Nachhinein leid tat, gaben am häufigsten diesen Grund an: Sie seien an der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Prostatakrebstherapie nicht genügend beteiligt gewesen und hätten eine zu passive Rolle gespielt. Das heißt: Sie hatten sich hauptsächlich auf die Empfehlung ihres Arztes oder ihrer Ärztin verlassen (27,8 Prozent).
- Männer, die Teil der Entscheidungsfindung für oder gegen einer Therapie waren, beklagten ihren Entschluss später zu beiden Befragungszeitpunkten seltener (10,6 Prozent). Das „Shared Decision Making“ – dabei entscheidet der Arzt oder die Ärztin nicht alleine über die Therapie – wirkte sich also später positiv auf die Zufriedenheit aus.
- Wer seine Entscheidung für die OP nicht bereute, hatte zudem eine höhere Lebensqualität im Vergleich zu jenen Männer, die mit der Prostatektomie von Beginn an haderten oder mit der Zeit zunehmend Zweifel bekamen.
- Es gab verschiedene Faktoren, die sich bei der Befragung im Jahr 2020 auf das Ausmaß des Bereuens auswirkten: eine auf die Prostata begrenzte Krebserkrankung, das Bedauern der OP schon im Jahr 2007 und eine höhere Neigung zur Depression.
Gemeinsame Entscheidung treffen |
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Die Forschenden ziehen aus ihren Erkenntnisse folgende Rückschlüsse: Ärztinnen und Ärzte müssten zukünftig jene Faktoren identifizieren und besser verstehen, die Männer ihre Entscheidung später bedauern ließen. Dies könne den gesamten Prozess der Entscheidungsfindung verbessern, anschließende Zweifel verhindern und die Lebensqualität der Männer erhöhen.
Die Ergebnisse zeigten, dass das Bedauern einer Entscheidung auch langfristig nachwirke und bei manchen sogar dauerhaft vorhanden sei. „Es gibt daher die Notwendigkeit, Männer in den Entscheidungsfindungsprozess mit einzubeziehen“, schreiben die Forschenden. „So können wir es womöglich verhindern, dass Männer ihren Entschluss langfristig bereuen.“
Shared Decision Making – so funktioniert es
Shared Decision Making (SDM) bedeutet, dass der Arzt oder die Ärztin gemeinsam mit dem Patienten eine Entscheidung über die Behandlung treffen. Sie verständigen sich gleichberechtigt auf Augenhöhe und handeln auch so. Gemeinsam legen sie zum Beispiel eine Therapie fest, stehen hinter ihr und verantworten diese auch zusammen. Der deutsche Begriff für das Shared Decision Making ist partizipative oder partnerschaftliche Entscheidungsfindung.
Die Besonderheit liegt darin, dass Patienten eine aktivere Rolle spielen, mehr Eigenverantwortung haben und somit ein wichtiger Teil des Entscheidungsprozesses für oder gegen eine Behandlung sind. Der Arzt oder die Ärztin entscheidet also nicht alleine über die Behandlung.
Beim Shared Decision Making geht es aber nicht darum, genauso viel zu wissen wie der Arzt oder die Ärztin – sie bleiben die Fachleute für medizinische Belange. Aber: Patienten verfügen über alle wesentlichen Informationen, die für ihre Entscheidung wichtig sind. Auch persönliche Werte, Vorstellungen, Überzeugungen und individuelle Lebensumstände spielen mit hinein.
Die Kernpunkte des Shared Decision Making sind:
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Die Bertelsmann Stiftung fand heraus, dass viele Patienten das Shared Decision Making sogar sehr gut finden: Mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Befragten gab an, an der Entscheidungsfindung bei Untersuchungen und Behandlungen teilhaben zu wollen. Der „Mitmach-Patient“ ist also gefragt.
Dass Shared Decision Making positive Wirkungen besitzt, ist nachgewiesen. Eine Auswertung von zahlreichen Studien zeigte, dass die partizipative Entscheidungsfindung die Überzeugung der Patienten in ihre eigenen Entscheidungen steigert. Außerdem sorgt SDM für einen Wissensgewinn und mehr Teilhabe. Und: Patienten und Patientinnen halten sich bei einer vertrauensvollen Kommunikation doppelt so oft an die Empfehlungen ihres Arztes oder ihrer Ärztin und zeigen eine höhere Therapietreue.
Quellen:
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