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Metastasierter Prostatakrebs: Neues Medikament zugelassen
08. April 2022 | von Ingrid MüllerIn den USA wurde jetzt eine neues Medikament für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs zugelassen: Lutetium-177 PSMA-617, eine Erfindung von Heidelberger Forschenden. Bald soll es auch eine europäische Zulassung bekommen. Das Medikament hält den Prostatakrebs auf und verlängert das Überleben.
Bei Männern mit metastasiertem Prostatakrebs hat der bösartige Tumor schon gestreut und Krebsabsiedelungen in anderen Organen gebildet, etwa in den Knochen, der Leber oder Lunge. Dann ist der Prostatakrebs zwar meist nicht mehr heilbar, aber er lässt sich noch gut behandeln und in Schach halten. Betroffene Männer können oft noch Monate oder sogar Jahre mit ihrem Prostatakrebs leben, und das meist bei guter Lebensqualität.
Jetzt gibt es ein neues Medikament für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs: Das Radiopharmakon namens Lutetium-177 PSMA-617. Dies ist ein Medikament, bei dem ein radioaktiv strahlendes Molekül – das Lutetium-177 – an eine spezielle chemische Verbindung gekoppelt ist – das PSMA-617.
Lutetium-177-PSMA-617 ist eine Gemeinschaftsentwicklung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Heidelberg. In den USA hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA das Medikament jetzt für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs zugelassen. In Kürze soll es auch für Europa eine Zulassung erhalten.
Prostatakrebs |
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Lutetium-177-PSMA-617 – wer kann es anwenden?
Neben der Metastasierung des Prostatakrebses gibt es noch einige andere Voraussetzungen, damit Ärztinnen und Ärzte das Medikament anwenden dürfen. Eine weitere Bedingung ist, dass die Krebszellen ein Eiweiß namens PSMA tragen. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich das prostataspezifische Membranantigen. Dies überprüfen radiologische Fachleute vor der Behandlung. Fehlt das PSMA auf den Krebszellen, würde das Medikament nicht funktionieren und wäre wirkungslos.
Das PSMA auf der Zelloberfläche dient als eine Art „Türöffner“ für das Medikament, das auf diese Weise in die Krebszelle eingeschleust wird. Auf den Prostatakrebszellen kommt das Protein PSMA jedoch meist in größeren Mengen vor. Im Vergleich zu gesunden Zellen der Prostata kann die Menge auf bösartigen Tumorzellen das etwa 1.000-Fache betragen. Je aggressiver das Prostatakarzinom ist, desto mehr PSMA ist auch auf den Krebszellen vorhanden. Im übrigen Körper kommt PSMA dagegen so gut wie nicht vor.
Das Medikament ist außerdem derzeit nur für Männer zugelassen, die zuvor eine Chemotherapie durchlaufen haben und deren Prostatakrebs nicht mehr auf eine Hormontherapie anspricht. Ihr Tumor muss also unempfindlich gegenüber dem Hormonentzug geworden sein. „Kastrationsresistenter Prostatakrebs“ sagen Fachleute dazu.
Lutetium-177 PSMA-617 zerstört den Prostatakrebs von innen heraus
Die Basis für die Erfindung des neuen Medikaments war ein Molekül namens PSMA-11, das die Forschenden aus Heidelberg schon zuvor für die Diagnostik des Prostatakrebses entwickelt hatten. Sie hatten sich also schon einen Weg zu den Prostatakrebszellen gebahnt und den Zugang zu den bösartigen Tumorzellen hergestellt. Und diesen Pfad nutzten sie jetzt, um den Krebs gezielt zu bekämpfen. Sie stellten eine therapeutische Variante des PSMA-11 her, nämlich das PSMA-617. Der Unterschied zum diagnostischen Molekül ist, dass hier ein stärkerer radioaktiver Strahler zum Einsatz kommt, das Lutetium-177 oder abgekürzt Lu-177.
Lutetium-177 Eine Studie ergab, dass die Bestrahlung mit Lu-177 bei metastasiertem Prostatakrebs gut wirkt. |
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Lutetium-177 ist mit dem PSMA-617 verbunden, welches wiederum passgenau an das PSMA auf der Oberfläche der Krebszellen andocken kann. Das Medikament dringt dann ins Innere der Krebszellen ein, gibt dort gezielt seine tödliche Strahlung ab und zerstört die Tumorzellen. Es wirkt also genau dort, wo es soll. Gesunden Zellen kann die radioaktive Strahlung dagegen kaum etwas anhaben, denn der Wirkstoff wird schnell wieder aus dem Blutstrom gewaschen und kann so keine größeren Schäden anrichten.
Prostatakrebs aufhalten – Sterblichkeit senken
Dass Lutetium-177 PSMA-617 tatsächlich gut wirkt, hatten schon verschiedene Studien gezeigt. Die Zulassungsstudie (VISION III) für das Medikament wurde an mehreren US-amerikanischen Kliniken durchgeführt. Der Wirkstoff reduzierte in Kombination mit einer Standardtherapie die Gesamtsterblichkeit um 38 Prozent. Und bei 60 Prozent der Probanden ließ sich der Prostatakrebs aufhalten. Derzeit laufen weitere klinische Studien zu Lutetium-177 PSMA-617. Die Forschenden wollen herausfinden, ob das Medikament auch Männern mit metastasiertem Prostatakrebs einen Überlebensvorteil bringt, die zuvor noch keine Chemotherapie erhalten haben.
„Die FDA-Zulassung ist eine große Chance für die betroffenen Männer“, sagt Michael Baumann, Vorstandvorsitzender des DKFZ. „Von dem neuen Medikament können jetzt weltweit Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakrebs profitieren, die sonst kaum noch aussichtsreiche Behandlungsoptionen haben.“
PSMA-617 Lutetium-177 als “individueller Heilversuch”
In Deutschland bieten heute schon einige Kliniken die Behandlung mit PSMA-617 Lutetium-177 an. Weil die Therapie hierzulande noch nicht zugelassen ist, gilt sie als “Individueller Heilversuch”. Ärztinnen und Ärzte wenden sie nur an, wenn sämtliche anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind oder sich der Prostatakrebs nicht mehr ausreichend mit einer Hormontherapie und Chemotherapie in Schach halten lässt.
Viele Patienten sprechen gut auf die Therapie an. Meist bildet sich der Tumor zurück, der PSA-Wert sinkt und die Schmerzen aufgrund der Metastasen nehmen ab. Die meisten Männer vertragen die Behandlung mit PSMA-617 Lutetium-177 gut und verspüren keine starken Nebenwirkungen.
PSMA hilft auch bei der Diagnostik von Prostatakrebs
PSMA könnte zukünftig nicht nur in der Behandlung, sondern auch in der Diagnostik von Prostatakrebs eine entscheidende Rolle spielen. Dann wird das PSMA mit einem schwach radioaktiven Molekül kombiniert, zum Beispiel mit Gallium-68 (Ga-68) oder Fluor-18 (F-18). Mit Hilfe dieser Radionuklide lassen sich Prostatakrebszelle radioaktiv markieren. Auf Bildern ist diese radioaktive Ansammlung an den Prostatakrebszellen anschließend gut erkennbar. Zum Einsatz kommt dabei die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) in Kombination mit der Computertomografie. Diese neue nuklearmedizinische Methode heißt PSMA-PET/CT. Sie ist vor allem hilfreich, wenn bei einem Mann der Verdacht auf einen Rückfall (Rezidiv) besteht.
Prostatakrebs: Früh entdeckt – hohe Heilungschancen
Prostatakrebs ist mit rund 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Krebstodesursache bei Männern in Deutschland. Ist der Tumor bei der Diagnose noch auf die Prostata beschränkt, beträgt die Wahrscheinlichkeit, die ersten fünf Jahre nach der Diagnose zu überleben, nahezu 100 Prozent. Bei metastasiertem Prostatakrebs sind dagegen nach fünf Jahren nur noch 30 Prozent der Männer am Leben.
Quellen:
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