Newsletter
Tragen Sie sich für unseren Newsletter ein und erhalten Sie monatlich Updates von uns – direkt in Ihr Postfach.
Achtung!
Bitte prüfen Sie Ihren Spam-Ordner auf den Eingang der Bestätigungs-Mail.
Prostatakrebs erkennen: Tastuntersuchung versagt als Maßnahme
03. April 2023 | von Ingrid MüllerDie Tastuntersuchung ist zur Früherkennung von Prostatakrebs ungeeignet, warnt eine Forschungsgruppe. Die digitale-rektale Untersuchung (DRU) übersieht einen Großteil der Prostatakarzinome. Besser sind andere Methoden wie der PSA-Test.
Die Tastuntersuchung soll einen Prostatakrebs früh aufspüren können. Schon lange besteht der Verdacht, dass die digitale-rektale Untersuchung (DRU) genau diese Aufgabe nicht erfüllt, weil sie zu ungenau ist. Dennoch ist das Abtasten der Prostata mit dem Finger in Deutschland - wie auch in einigen anderen Ländern - ein Standard bei der Früherkennung eines Prostatakarzinoms. Und sie ist die einzige Maßnahme, deren Kosten die gesetzlichen Krankenkassen derzeit übernehmen. Ab dem 45. Lebensjahr hat jeder Mann einmal pro Jahr Anspruch auf die Tastuntersuchung der Prostata und der Lymphknoten.
Dagegen müssen Männer den PSA-Test, bei dem die Menge an prostataspezifischen Antigen (PSA) im Blut bestimmt wird, weiterhin selbst bezahlen. Auch der PSA-Test gilt als zu ungenau, wenn er als alleiniges Werkzeug eingesetzt wird. Denn: Er schlägt häufig Alarm. Der PSA-Wert kann erhöht sein, auch wenn ein Mann keinen Prostatakrebs hat. Die Folgen sind Überdiagnosen, unnötige Biopsien und Übertherapien.
Abtasten der Prostata Lesen Sie alles über den Ablauf, die Dauer und Aussagekraft der digitalen-rektalen Untersuchung. |
---|
Prostatakrebs: Tastuntersuchung ist nicht empfindlich genug
Urologen und Urologinnen warnen, dass die DRU allein nicht aussagekräftig genug ist. Denn beim Abtasten der Prostata mit dem Finger über den Enddarm übersehen Ärztinnen und Ärzte viele Prostatakarzinome, wenn sie noch klein sind und sich in einem frühen Stadium befinden. Ohne Behandlung können die bösartigen Tumoren jedoch weiter wachsen und sich ausbreiten.
Diesen Kritikpunkt, dass die Tastuntersuchung als alleinige Technik zur Früherkennung von Prostatakrebs nicht genügt, bestätigt jetzt die sogenannte PROBASE-Studie. Sie wird vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg koordiniert. Die Ergebnisse stellte die Forschungsgruppe auf dem jährlichen Kongress der European Association of Urology (EAU) in Mailand vor. „Die Ergebnisse könnten Auswirkungen auf die Früherkennung von Prostatakrebs haben“, sagen die Forschenden. Andere Testwerkzeuge seien im Prostatakrebs-Screening nötig, um den bösartigen Tumoren in der Prostata besser auf die Spur zu kommen.
„Einer der Hauptgründe für das Prostatakrebs-Screening ist es, den Tumor so früh wie möglich zu finden. Wir können durch die medizinische Therapie anschließend bessere Ergebnisse erzielen“, sagt Dr. Agne Krilaviciute, Forscherin am DKFZ und leitende Autorin der Untersuchung. „Allerdings lässt unsere Studie vermuten, dass die DRU einfach nicht empfindlich genug ist, um solche Prostatatumoren im Frühstadium zu erkennen.“
Prostatakarzinom: Entdeckungsrate durch DRU ist zu gering
Die PROBASE-Studie findet in Deutschland an vier verschiedenen Zentren statt: TU München, Hannover Heidelberg und Düsseldorf. Zwischen 2014 und 2019 nahmen 46,495 Männer im Alter von 45 Jahren daran teil. Sie unterzogen sich in den Jahren nach dem Screening mehreren Untersuchungen, um ihren Gesundheitszustand zu überprüfen.
- Der einen Hälfte der Männer wurden unmittelbar mit ihrem 45. Lebensjahr PSA-Tests angeboten.
- Die andere Hälfte erhielt dagegen anfangs nur eine Tastuntersuchung und erst später im Alter von 50 Jahren wurden ihre PSA-Werte bestimmt.
Insgesamt bekamen 6.537 Männer aus der der Gruppe mit den verzögerten PSA-Tests eine DRU. Nur 57 dieser Männer unterzogen sich danach einer Prostatabiopsie, weil Ärztinnen und Ärzte Auffälligkeiten entdeckt hatten. Nur drei dieser Männer hatten anschließend nachweislich Prostatakrebs.
Im Vergleich zu anderen Untersuchungsmethoden wie dem PSA-Test sei die Entdeckungsrate bei der Tastuntersuchung deutlich geringer, sagt Krilaviciute. „Die DRU hat in 99 Prozent der Fälle ein negatives Ergebnis geliefert. Und selbst bei jenen Männern, bei denen ein Verdacht bestand, war die Entdeckungsrate sehr niedrig“, so die Wissenschaftlerin. „Die Ergebnisse der PROBASE-Studie zeigen, dass wir durch PSA-Tests im Alter von 45 Jahren viermal mehr Prostatakarzinome finden.“
Prostatatumoren: Mit dem Finger gut erreichbar, aber trotzdem nicht entdeckt
Für das Versagen der Tastuntersuchung beim Aufspüren von Prostatakrebs, besonders bei jüngeren Männern, gibt es laut Forschenden mehrere Gründe. Eine Ursache sei, dass die Veränderungen des Prostatagewebes zu gering seien, um sie mit dem Finger zu erspüren. Außerdem entwickelten sich die Tumoren manchmal in Bereichen der Prostata, die mit dem Finger nicht so leicht zugänglich seien.
„Frühe Prostatakrebsstadien haben vermutlich nicht die Größe und Beschaffenheit, um sich tatsächlich ertasten zu lassen“, erklärt Prof. Peter Albers, Urologe an der Universität Düsseldorf und Seniorautor der Studie. Das Fingerspitzengefühl der Ärztinnen und Ärzte reicht hier also nicht aus, um den Krebs in der Prostata zu finden.
Die Forschungsgruppe hatte noch weitere Analysen durchgeführt und die Magnetresonanztomografie (MRT) vor der Biopsie eingesetzt, um den Prostatakrebs genau zu orten. „Die Aufnahmen zeigten, dass ungefähr 80 Prozent der Tumore in einer Prostataregion wachsen, die leicht mit dem Finger zu erreichen ist. Und trotzdem waren die Tumoren nicht mit Hilfe der DRU zu erkennen“, so Albers weiter.
Prostatakrebs erkennen: Alternativen zur Tastuntersuchung
Die Forschungsgruppe spricht sich daher jetzt für den flächendeckenden Einsatz von PSA-Tests und für die Magnetresonanztomografie (MRT) als Teile des Screening-Programms aus. Diese sollten die Tastuntersuchung ersetzen. „Wenn das Ziel des Screenings ist, Prostatakrebs im Frühstadium zu entdecken und das derzeitige Screening-Werkzeug seine Aufgabe nicht erfüllt, dass ist das ein fundamentales Versagen dieser Maßnahme“, sagt Albers.
„Wir sagen in unserer Veröffentlichung nicht nur, dass die DRU nicht nützlich ist, sondern sie auch ein Grund sein könnte, warum Männer überhaupt nicht am Prostatakrebs-Screening teilnehmen“, so der Urologe Albers weiter. „Diese Untersuchung schreckt viele Männer ab.“ In Deutschland liege zum Beispiel die Teilnahmerate der Männer zwischen 45 und 50 Jahren am Screening-Programm bei weniger als 20 Prozent. Albers sagt: „Wenn wir statt der Tastuntersuchung einen PSA-Test anbieten, wären vermutlich mehr Männer bereit, zu kommen.“
Viele medizinische Fachleute plädieren heute für einen risikoangepassten PSA-Test. Dabei ermitteln Ärztinnen und Ärzte das individuelle Risikoprofil eines Mannes für Prostatakrebs. Der Würzburger Urologe Dr. Frank Schiefelbein sagt: “Dem risikoadaptierten PSA-Test kommt derzeit die größte Bedeutung zu.”
Dabei wird bei jedem Mann im Alter von 40 bis 45 Jahren eine erster PSA-Wert ermittelt und das familiäre Risiko erfasst. Wer einen niedrigen PSA-Ausgangswert in diesem Alter hat, kein familiäres Risiko mit bringt und auch keinen auffälligen körperlichen Untersuchungsbefund hat, kann die nächste Kontrolle erst in fünf Jahren oder später durchführen lassen. Bei den anderen Männern ist dagegen eine engmaschige Kontrolle wichtig. Die Vorsorgeintervalle sind also nicht für alle Männer gleich, sondern richten sich nach dem individuellen Risikoprofil. “Das spart Kosten im Gesundheitswesen – und wir vermeiden Überdiagnosen und unnötige Therapien”, sagt Schiefelbein.
Was Fachleute Männern empfehlen
- Ärztinnen und Ärzte sollten Männer ergebnisoffen über die Vor- und Nachteile der Früherkennung eines Prostatakarzinoms informieren und beraten. Vor allem die Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen, Überdiagnosen sowie womöglich weitere erforderliche Maßnahmen sollten Teil des Aufklärungsgesprächs sein.
- Männern, die sich danach für die Früherkennung entscheiden, sollten Ärztinnen und Ärzte einen PSA-Test anbieten.
- Eine Tastuntersuchung können Männer ergänzend durchführen lassen. Die DRU ist jedoch als alleinige Untersuchung nicht ausreichend.
- Der Test auf das prostataspezifische Antigen – ein Bluttest – ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen (die DRU schon). Der PSA-Test kostet etwa 25 Euro. Noch einmal etwa 20 Euro fallen an, um das Ergebnis mit dem Arzt oder der Ärztin zu besprechen.
- Andere Tests zur Früherkennung von Prostatakrebs, etwa bildgebende Verfahren wie ein MRT, empfehlen Fachleute derzeit nicht.
Quellen:
|