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PSA-Wert: Gene berücksichtigen – Früherkennung personalisieren
18. Juli 2023 | von Ingrid Müller
Der PSA-Wert hängt zum Teil auch von den Genen ab. Eine US-Forschungsgruppe entwickelte jetzt eine Methode, die den erblichen Anteil am PSA-Wert erkennt und herausrechnet. Dadurch soll sich die Früherkennung von Prostatakrebs verbessern.
Der PSA-Wert ist zwar ein wichtiger Marker in der Früherkennung von Prostatakrebs, aber für sich alleine genommen oft nicht aussagekräftig genug. Denn der PSA kann erhöht sein, auch wenn ein Mann kein Prostatakarzinom hat, zum Beispiel bei einer gutartigen Prostatavergrößerung oder Prostataentzündung. Auch Druck auf die Prostata, etwa beim Radfahren oder Sex, lässt den PSA-Wert steigen. Umgekehrt kann ein Mann auch einen normalen PSA-Wert, aber dennoch Prostatakrebs haben. Die Gene haben ebenfalls einen Einfluss auf den PSA-Spiegel. Es gibt erbliche Faktoren, die den PSA-Wert schwanken lassen – auch ohne dass ein Prostatakrebs vorhanden wäre.
„Manche Männer haben aufgrund ihrer Genetik höhere PSA-Werte“, erklärt Prof. John Witte von der Stanford University. Gemeinsam mit einem Forschungsteam um Linda Kachuri vom University of California San Francisco Medical Center (UCSF) führte er eine Studie zum erblichen Anteil des PSA-Wertes durch. „Diese Männer haben keinen Prostatakrebs, aber der erhöhte PSA-Spiegel löst eine ganz Kaskade von medizinischen Maßnahmen aus, etwa eine Biopsie.“
Nur bei ungefähr einem Drittel der Männer mit erhöhtem PSA-Spiegel bestätige die anschließende Biopsie ein Prostatakarzinom. Umgekehrt: Bei ungefähr 15 Prozent der Männer mit normalen PSA-Werten entdecken Ärztinnen und Ärzte später doch noch Prostatakrebs. Das Problem mit dem derzeitigen PSA-Screening sei, dass „die eindeutigen Signalen mit zu vielen Hintergrundgeräuschen vermischt seien“, so Witte. Man müsse besser unterscheiden können, welche Signale wichtig seien – und welche eben nicht.
PSA-Screening verbessern – Genetik „herausrechnen“
Die US-Forschungsgruppe hat jetzt einen Verbesserungsvorschlag entwickelt, wie sich die Genauigkeit des PSA-Screenings erhöhen ließe. Ärztinnen und Ärzte sollen demnach die genetischen Faktoren, die zu Veränderungen beim PSA-Wert führen, die aber nicht mit Prostatakrebs in Verbindung stehen, mit in Betracht ziehen.
Linda Kachuri erklärt das Vorgehen so: „Um das Signal zu verbessern – also durch ein Prostatakarzinom bedingte Variationen im PSA-Spiegel – subtrahieren wir die Hintergrundgeräusche – in diesen Fall die Genetik.“ Die Forschungsgruppe schätzt, dass etwa 30 bis 40 Prozent der PSA-Schwankungen ein solches „Hintergrundrauschen“ sind. Dieses gehe auf die Gene, und nicht auf einen Prostatatumor zurück.
Neben dem PSA-Bluttest wäre bei diesem Vorschlag ein genetischer Test nötig. Dieser ließe sich anhand einer Probe aus dem Speichel, dem Blut oder durch einen Abstrich von der Mundschleimhaut durchführen. Analysiert wird dann im Labor, ob ein Mann vererbte genetische Varianten mitbringt, die den PSA-Wert beeinflussen.
Die Forschenden entwickelten in ihrer Studie einen „genetischen Score“, der die Genetik berücksichtigt und die erbliche Einflüsse auf den PSA-Wert „herausrechnet“. Über die Ergebnisse ihrer Untersuchung berichten sie in der Juni-Ausgabe des renommierten Fachmagazins Nature. Witte sagt: „Wir möchten den Anteil am PSA- Wert wegnehmen, der nichts mit Prostatakrebs zu tun hat, und der den PSA zu einem weniger spezifischen Biomarker macht“.
Risikoangepasster PSA-Test |
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Mehr als 100 Genvarianten beeinflussen den PSA-Wert
Die Studie wurde an mehreren Zenten in den USA durchgeführt. Teilnehmer dieser großen, genomweiten Assoziationsstudie zum PSA-Wert waren mehr al 95.000 Männer. Fast 90 Prozent der Teilnehmer waren europäischer Abstammung. Bei keinem dieser Männer war Prostatakrebs diagnostiziert worden. Die Forschungsgruppe identifizierte 128 Genvarianten, die mit dem PSA-Wert in Verbindung standen. Anschließend wollte sie herausfinden, ob genetische Faktoren, die Schwankungen des PSA-Spiegels verursachen, aber nicht mit Prostatakrebs in Zusammenhang stehen, das PSA-Screening genauer machen können.
„Der PSA-Wert ist der wichtigste diagnostische Biomarker für Prostatakrebs“, erklärt die Studienleiterin Linda Kachuri. „Zwar wird der PSA-Test häufig eingesetzt, aber er ist derzeit kein Teil des Screeningprogramms“, so die Hauptautorin der Studie weiter. Der Grund sei die nicht ausreichende Sensitivität und Spezifität des PSA-Tests.
Schon gewusst?
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Der PSA-Test schneidet bei diesen beiden Parametern oft weniger gut ab. Manchmal deckt er bösartige Prostatatumore auf, die wenig aggressiv sind, langsam wachsen und Männern zu Lebzeiten vermutlich nie Probleme bereitet hätten. Ärztinnen und Ärzte sprechen von Überdiagnosen, die wiederum Übertherapien nach sich ziehen. Umgekehrt übersieht der PSA-Test manchmal aggressive Prostatakarzinome, die schnell wachsen und sehr gefährlich werden können. Unterdiagnosen und Untertherapien können hier die Folgen sein.
Genscore für individuellen PSA-Wert entwickelt
Die Forschungsgruppe nutzte die neu gewonnenen Daten, um einen genomweiten, polygenetischen Score für den PSA-Wert zu entwickeln. Sie bestimmten die individuelle genetische Veranlagung (Prädisposition) eines jeden Mannes, basierend auf den jeweiligen genetischen Variationen.
„Der Genscore spiegelt die individuelle genetische Prädisposition eines Mannes für erhöhte PSA-Werte wieder“, erklärt Rebecca Graff, eine der Seniorautorinnen der Studie. „Dieser Genscore war in der Untersuchung eng mit dem PSA-Werten verknüpft, stand aber nicht in Verbindung mit Prostatakrebs. Dies zeigt, dass es sich um gutartige PSA-Variationen handeln“, betont Graff.
Genetische Korrektur des PSA-Wertes mit Zukunft?
Anschließend wollten das Forschungsteam wissen, ob dieser genetische Score die Früherkennung von behandlungsbedürftigem Prostatakrebs verbessern und dabei mithelfen kann, Überdiagnosen zu vermeiden. Dies testen sie an Männern, die Mitglieder einer Krankenversicherung waren und an einem PSA-Screening teilgenommen hatten. Als Basis dienten jene PSA-Grenzwerte, die Ärzte und Ärztinnen zugrunde legen, um eine Gewebeentnahme (Biopsie) zu empfehlen.
„Wir haben die PSA-Werte jedes Mann angepasst, je nach seinem persönlichen genetischen Profil“, erklärt Kachuri. „Bei auf diese Weise personalisierten PSA-Werten ist die Wahrscheinlichkeit höher, relevante PSA-Veränderungen zu erkennen, die tatsächlich auf Prostatakrebs zurückgehen. Die Werte wurden bereinigt und der Einfluss der erblichen Faktoren wurde herausgerechnet.“
Korrigierte PSA-Werte verbesserten die Genauigkeit bei der Entscheidung, ob eine Prostatabiopsie nötig war oder nicht. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Bei etwa 30 Prozent dieser Männer hätte sich eine Biopsie vermeiden lassen, so die Forschungsgruppe. Ihnen wäre von dem Eingriff abgeraten worden, wenn der Genscore zur Beurteilung des PSA-Wertes berücksichtigt worden wäre.
- Etwa 2,5 Prozent der Männer mit einem PSA unter dem Schwellenwert wäre aufgrund ihres Genscores doch zu einer Biopsie geraten worden.
- Ungefähr 9 Prozent der positiven Biopsien wären aufgrund des Genscores nicht durchgeführt worden. Die meisten Prostatakarzinome dieser Gruppe seien jedoch langsam wachsende, wenig bösartige Tumore, die zunächst nicht behandlungsbedürftig seien.
Der Genscore sei noch verbesserungsbedürftig, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. Insgesamt wäre aber vielen Männern die Prostatabiopsie erspart geblieben – und den Krankenkassen einige Kosten
„Wir konnten zeigen, dass die genetische Korrektur der PSA-Werte das Potenzial hat, sowohl unnötige Biopsien zu vermeiden aus auch die Früherkennung von Tumoren mit einem aggressiveren Profil zu erkennen“, kommentiert Kachuri. „Wir hoffen, dass unsere Studienergebnisse uns einen Schritt weiter bei der Entwicklung informativer Screening-Richtlinien bringen. So könnten wir den diagnostischen Graubereich beim PSA-Screening reduzieren.“
Aussagekraft der Studie eingeschränkt
Es gibt jedoch einige Faktoren, welche die Aussagekraft der Studie einschränken. Der wichtigste Punkt ist, dass die Mehrheit der Studienteilnehmer europäischer Abstammung war. Die Spannbreite der Männer in der Bevölkerung, die an Prostatakrebs erkrankten könnte, werde somit nicht voll abgedeckt, erklärt Kachuri. „Wir möchten weitere Studien durchführen, welche die unterschiedliche PSA-Genetik besser berücksichtigt.“
In Deutschland gibt es derzeit noch kein flächendeckendes PSA-Screening. Dies ist eine Reihenuntersuchung an gesunden Männern zur Früherkennung von Prostatakrebs. Wer sich für den PSA-Test entscheidet, muss ihn derzeit selbst bezahlen. Viele Urologen und Urologinnen setzen sich für den risikoangepassten PSA-Test ein. Dabei werden unter anderem Faktoren wie ein Prostatakrebs in der Familie berücksichtigt.
Quellen:
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