Newsletter
Tragen Sie sich für unseren Newsletter ein und erhalten Sie monatlich Updates von uns – direkt in Ihr Postfach.
Achtung!
Bitte prüfen Sie Ihren Spam-Ordner auf den Eingang der Bestätigungs-Mail.
Aktive Überwachung bei Prostatakrebs
11. Juli 2024 | von Ingrid MüllerAktualisiert und medizinisch geprüft am 11.7.2024 von Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin |
Die Aktive Überwachung eignet sich für Männer mit einem lokal begrenzten Prostatakrebs. Lesen Sie, was hinter der „active surveillance“ steckt und wie die Methode funktioniert.
Kurzübersicht
|
Was ist aktive Überwachung?
Die Aktive Überwachung oder englisch „active surveillance“ ist eine Behandlungsstrategie, die sich an Männer mit Prostatakrebs im Frühstadium richtet. Aber auch Ihr Alter, vorhandene Begleiterkrankungen und Ihr allgemeiner Gesundheitszustand spielen dabei mit, ob die Aktive Überwachung eine Möglichkeit ist.
Bei der Aktiven Überwachung verzichten Ärztinnen und Ärzte zunächst auf eine Krebsbehandlung wie eine Operation oder Strahlentherapie, die mit einigen Nebenwirkungen behaftet sein kann. Dennoch bedeutet die Aktive Überwachung nicht, dass Ärztinnen und Ärzte überhaupt nichts tun. Im Gegenteil: In regelmäßigen Abständen kontrollieren sie, ob der bösartige Tumor in der Prostata seine biologischen Eigenschaften verändert hat, weiter wächst oder sich ruhig verhält.
Das Prostatakarzinom lässt sich mit Hilfe verschiedener Methoden und Verfahren kontrollieren. Dazu gehören regelmäßige mittels PSA-Test, die Tastuntersuchung (DRU), Kontrollbiopsien und bildgebenden Verfahren wie die multiparametrische Magnetresonanztomografie (mpMRT). Verändert sich die Biologie des Tumors oder breitet sich der Prostatakrebs aus, handeln Ärztinnen und Ärzte sofort und beginnen mit einer individuellen Krebstherapie.
Wichtig: Eine Heilung ist bei der aktiven Überwachung jederzeit möglich. Und: Sie können sich auch selbst für den Beginn einer Krebsbehandlung entscheiden.
Welche Vorteile hat die aktive Überwachung?
Alle auf Heilung abzielenden (kurativen) Therapiemöglichkeiten für das Prostatakarzinom wie einer Operation oder Bestrahlung sind mit einem Risiko für nicht unerhebliche Nebenwirkungen sowie mit Einbußen in der Lebensqualität verbunden. Bekannt ist, dass die Erektile Dysfunktion und Inkontinenz vielen Männern die Lebensfreude raubt und ihr Wohlbefinden beeinträchtigt. Auch die Partnerinnen und Partner leiden meist mit, wenn das Sexleben beeinträchtigt ist.
Der Hintergrund dieser Therapiestrategie ist, dass Prostatakrebs oft langsam wächst und wenig aggressiv ist. Zu Lebzeiten würden der Tumor vielen Männern womöglich gar keine Probleme bereiten. Somit bedürfen nicht alle Arten von Prostatakrebs einer sofortigen Behandlung, sondern manchmal lässt sich der Tumor zunächst nur beobachten und kontrollieren.
Aufgrund der verbesserten Früherkennungsmöglichkeiten finden Ärztinnen und Ärzte zudem vermehrt Prostatakarzinome in frühen Stadien. Hier besteht die Gefahr der Überdiagnose und Übertherapie. Von Überdiagnose spricht man, wenn Karzinome entdeckt werden, die einen Mann nicht in seiner Lebenserwartung bedrohen. Solche Prostatakarzinome zu behandeln, bedeutet wiederum eine Übertherapie. Männer erhalten dann eine Krebstherapie, die sie womöglich nicht gebraucht hätten und die mehr schadet als nutzt (also Nebenwirkungen verursacht).
Mögliche Vorteile sind:
- Sie erleben zunächst keine Nebenwirkungen, wie sie von anderen Krebsbehandlungen bekannt sind. Eine Operation kann verschiedenste Folgen haben, etwa Inkontinenz oder Erektile Dysfunktion. Auch eine Strahlentherapie ist nicht nebenwirkungsarm.
- Bei der aktiven Überwachung bleibt immer die Möglichkeit auf Heilung bestehen.
- Wenn sich der Prostatakrebs weiterentwickelt, können Sie jederzeit eine Behandlung beginnen. Auch wenn Sie sich plötzlich unsicher sind, können Sie die aktive Überwachung abbrechen und mit einer Behandlung anfangen.
Besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin immer ausführlich alle Behandlungsmöglichkeiten, wenn Sie an einem frühen Prostatakarzinom erkrankt sind. Möglich sind nicht nur die Prostataentfernung (radikale Prostatektomie), die Strahlentherapie von außen oder innen (Brachytherapie), sondern eben auch die Aktive Überwachung des Tumors in der Prostata.
Wägen Sie gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam sämtliche Vorteile, Nachteile und Risiken der möglichen Behandlungen ab. Wichtig ist, dass Sie alle Zweifel, Unsicherheiten und Fragen auf den Tisch bringen – nur so können Sie anschließend hinter Ihrer gemeinsamen Entscheidung stehen! Sie können sich auch eine Zweitmeinung einholen, wenn Sie bezüglich des Therapievorschlags unsicher sind. Das ist Ihr gutes Patientenrecht.
Unterschied: Aktive Überwachung und Watchful Waiting
|
Aktive Überwachung – für welchen Mann?
Das Konzept der Aktiven Überwachung kommt prinzipiell für alle Männer in Frage, die ein geringes Risiko haben, an ihrem Prostatakrebs zu sterben. Für diese Männer ist die active surveillance daher empfohlen. Der Nutzen der Aktiven Überwachung ist am höchsten bei Männern, die eine Lebenserwartung von mindestens zehn Jahren haben.
Die neue Leitlinie „Prostatakarzinom“ hat genauer aufgeschlüsselt, welche Kriterien erfüllt sein sollten, damit die Aktive Überwachung in Frage kommt:
- Lokal begrenzter Prostatakrebs mit niedrigem Risiko: Das bedeutet, dass der Tumor die Kapsel der Prostata noch nicht durchbrochen hat und auf das Organ beschränkt ist. Zudem ist der Tumor wenig aggressiv und hat eine geringe Tendenz, fortzuschreiten und sich auszubreiten Merkmale: ISUP Gruppe 1 (niedrige USUP-Gruppe heißt, dass der Tumor wenig aggressiv ist; je höher die Gruppe, desto aggressiver ist er), PSA-Wert von 10 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) oder weniger, Tumorstadium cT1 und cT2a nach der TNM-Klassifikation).
- Es dürfen keine Metastasen in den Lymphknoten im Bauchraum, in den Knochen oder in anderen Organen nachweisbar sein.
- Die Aktive Überwachung ist zudem eine Möglichkeit für ausgewählte Männer mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom der ISUP-Gruppe 2 und mit einem günstigen Risikoprofil. Ob ein Mann in diese Risikogruppe fällt, wird hängt wiederum von den speziellen Eigenschaften und Merkmalen von Krebszellen ab, von der sogenannten Histologie. So muss zum Beispiel der Anteil des Gleason-Score-Musters 4 weniger als zehn Prozent betragen.
ISUP-Gruppe – was ist das? Die Internationale Gesellschaft für Urologische Pathologie (ISUP) teilt Prostatakarzinome in fünf Gruppen ein. Eine niedrige ISUP Gruppe bedeutet, dass der Tumor ist wenig aggressiv ist. Je höher die ISUP Gruppe ist, desto aggressiver ist der Prostatakrebs. So hängt die ISUP-Gruppe mit dem Gleason-Score zusammen:
|
Daneben spielen bei der Therapiewahl auch das Alter, der allgemeine Gesundheitszustand vorhandene Begleiterkrankungen mit.
Keine Aktive Überwachung sollten Männer erhalten, deren Prostatakrebs diese Merkmale aufweist:
PSA-Werte | ≥15 ng/ml |
ISUP Gruppe 2 | mit ungünstigem Risikoprofil |
ISUP Gruppe 3 bis 5 | Gleason-Score ≥ 7b |
Lokal fortgeschrittenes Tumorstadium | ≥ cT3 und/oder cN+ |
Aktive Überwachung – so funktioniert sie
Wichtig ist, dass Sie sich bei der Aktiven Überwachung besonders intensiv von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin beraten und begleiten lassen! Sie müssen also regelmäßig Ihre Arztpraxis aufsuchen und den Tumor kontrollieren lassen. Der regelmäßige Kontakt und eine sorgsame Tumorkontrolle sind notwendig, weil der Tumor fortschreiten kann, ohne dass Sie dies anhand von Symptomen bemerken. Studien zeigen, dass zwischen 30 und 61 Prozent der Männer im Verlauf der Aktiven Überwachung damit rechnen müssen, dass sie sich einer aktiven Behandlung unterziehen müssen.
Manche Männer – zwischen 8 und 17 Prozent - wünschen sich auch selbst eine aktive Form der Behandlung und brechen die Active Surveillance ab. Der Hauptgrund: Sie haben Angst, dass der Tumor fortschreitet und möchten durch eine aktive Krebsbehandlung mehr Sicherheit gewinnen. Das Wissen, dass sich im Körper Krebs befindet, kann für manche Männer psychisch belastend sein.
Neu in der Leitlinie ist, dass die Rolle der multiparametrischen MRT (mpMRT) bei der Überwachung des Prostatakrebses stärker in den Vordergrund rückt. Für die aktive Überwachung gilt die Empfehlung, sich vor dem Beginn einer mpMRT zu unterziehen. So lässt sich die Sicherheit erhöhen, dass in der systematischen Biopsie kein Tumor mit einem hohen Risikoprofil übersehen wurde.
Untersuchungen zur Überwachung des Tumors:
- PSA-Bestimmung: Der Prostatakrebs soll nach dem Beginn der Aktiven Überwachung sowie innerhalb der ersten zwei Jahre bei ISUP Gruppe 1 alle sechs Monate und bei ISUP Gruppe 2 alle drei Monate durch die Bestimmung des PSA-Wertes kontrolliert werden.
- Erste Kontrollbiopsie (Re-Biopsie): Bei Männern, die sich zu Beginn einer mpMRT unterzogen haben, soll diese bildgebende Untersuchung mit einer gezielten und systematischen Biopsie nach 12 bis 18 Monaten erfolgen. Bei Männern ohne eine anfängliche mpMRT soll diese mit einer gezielten und systematischen Biopsie innerhalb von 6 Monaten erfolgen.
- Weitere gezielte und systematische Biopsien sollten – je nach Ergebnissen aus der ersten Re-Biopsie, den MRT-Bildern und den PSA-Werten – durchgeführt werden. Empfohlen ist die Gewebeentnahme jedoch spätestens alle drei Jahre innerhalb der ersten zehn Jahre der Aktiven Überwachung.
Bei einem deutlichen PSA-Anstieg (Verdopplungszeit weniger als drei Jahre) sollten Ärztinnen und Ärzte eine erneute mpMRT mit einer gezielten und systematischen Re-Biopsie durchführen. Eine alleinige Erhöhung des PSA-Wertes und/oder eine Schädigung (Läsion), die in der mpMRT nachweisbar ist, sind kein Grund für den Abbruch der Aktiven Überwachung .
Die Aktive Überwachung sollte jedoch beendet werden, bei:
- Höherstufung zur ISUP Gruppe 2 mit ungünstigem Risikoprofil
- Höherstufung zu >= ISUP Gruppe 3
- Lokal fortgeschrittenem Tumorstadium (≥cT3 und/oder cN+)
Was hilft gegen die Angst? Eine aktive Überwachung kann die Psyche belasten – ein Sporttraining kann die Angst vertreiben. |
---|
Aktive Überwachung: Nachteile
- Das Leben mit einem bösartigen Tumor in der Prostata ist für manche Männer seelisch belastend. Die Tatsache, dass der Krebs nicht verschwunden ist, sondern weiterhin in der Prostata schlummert, beunruhigt einige Männer.
- Sie müssen regelmäßig und in engen Zeitabständen Ihren Arzt oder Ihre Ärztin aufsuchen und den Tumor kontrollieren lassen. Um Untersuchungen wie PSA-Test, Tastuntersuchung, Biopsien (auch sie hat Nebenwirkungen) und mpMRT kommen Sie nicht herum.
- Es bleibt ein gewisses Restrisiko, dass der Prostatakrebs unbemerkt fortschreitet und dann schlechter behandelbar ist.
Wie sicher ist die aktive Überwachung?
Die Aktive Überwachung ist eine gute Möglichkeit, um den Prostatakrebs unter Kontrolle zu halten und zunächst auf Krebstherapien mit einigen Nebenwirkungen zu verzichten. Sie erhöht die Lebensqualität der Männer, schmälert aber nicht die Heilungschancen oder erhöht die Sterblichkeit. Die aktive Überwachung ist nach allem, was Ärzte heute wissen, eine sichere Behandlungsmethode bei Prostatakrebs.
Quellen:
|